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Interview: Sparkassenpräsident Matthias Neth

„Wir müssen die Weichen auf mehr Wachstum stellen“

Seit einem halben Jahr steht Matthias Neth an der Spitze der Sparkassen-Finanzgruppe – ein finanzmächtiger Verbund aus 50 Sparkassen, der Landesbank, der Sparkassenversicherung sowie der Landesbausparkasse. Der neue Verbandspräsident hat dabei die großen Investitionsthemen wie die Transformation ins Visier genommen und will dafür privates Kapital mobilisieren.

Matthias Neth führt seit Mai die Sparkassenfinanzgruppe im Südwesten.

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger: Sechs Monate im Amt, wie fühlt sich Ihre neue Aufgabe an?

Matthias Neth: Es macht mir große Freude. Die Aufgabe hat viele Dimensionen und das Spannende ist: Wir leben in einer Welt, die sich unglaublich verändert. Die Sparkassen sind ein Spiegel der Gesellschaft. Digitalisierung, Demografie, Transformation der Energieversorgung – das, was unsere Kundinnen und Kunden bewegt, das treibt auch uns um.

Haben Sie schon Ihr Thema gefunden?

Ich möchte zwei Dinge herausgreifen. Das eine ist: Wie können wir die öffentliche Hand und die Unternehmen bei der Finanzierung der Transformation unterstützen? Als öffentlich-rechtliche Institute mit unserem Gemeinwohlauftrag wollen wir hier aktiv gestalten. Beim Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW, wo die Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg fast 25 Prozent der Anteile übernommen hat, haben wir gezeigt, dass wir es können.

Und das zweite Thema?

Uns beschäftigt die Frage, wie man für die Menschen ausreichend Wohnraum schaffen kann. In den Ballungszentren ist der Wunsch nach der eigenen Wohnung, dem eigenen Haus für viele Normalverdiener schier unerfüllbar. Und da wir fast die Hälfte der Menschen in Baden-Württemberg als unsere Kunden haben, ist das für uns ein zentrales Thema.

Denken Sie, dass man für die großen Aufgaben wie die Transformation mehr privates Kapital bereitstellen muss?

Wenn ich sehe, welche Herausforderungen die öffentlichen Haushalte momentan haben, dann wird es nicht anders gehen. Sie haben enorme Investitionsvorhaben vor sich: Viele Infrastrukturen sind erneuerungsbedürftig. Wenn man die Gesamtverfassung der kommunalen Haushalte betrachtet, dann ist vollkommen klar, die öffentliche Hand wird diese Jahrhundertaufgabe nicht mit den bisherigen Mechanismen lösen können.

Privates Kapital soll hier also helfen?

Es wird ohne weitere Finanzierungsmittel nicht gehen. Die Sparkassen als Partner der Kommunen sind hier erster Ansprechpartner. Deshalb werden wir auch Antworten geben. Wir sehen es als unsere Aufgabe, Wege aufzuzeigen, wie man diese Beträge stemmen kann. Zudem werden unsere Sparkassen deutlich machen: Unsere Kunden, die Bürgerinnen und Bürger, können die Energiewende aktiv mitgestalten.

Das machen Sie erstmals mit einem Sparbrief „Impulsgeber Energienetze“, der jetzt an den Start gegangen ist. Was versprechen Sie sich davon?

Die Beteiligung an der Transnet BW war eine strategische Entscheidung, weil wir davon überzeugt sind, dass es sinnvoll ist, wenn die Netze im Land, in einer kommunal getragenen Sparkassenstruktur mitfinanziert werden. Aber wir haben auch gesagt: wir wollen es Kundinnen und Kunden ermöglichen, einen Beitrag zu leisten. Wenn wir die Energiewende voranbringen wollen, dann müssen wir die Akzeptanz erhöhen. Und ein solcher Beitrag erhöht diese Akzeptanz. Die Sparkassen in Esslingen-Nürtingen und Ostalb bieten mit dem Sparkassenbrief ein bewusst einfaches und sehr risikoloses Produkt an.

Das einstige Musterländle rutscht ab. Im Vergleich der Bundesländer ist die Wirtschaftsleistung im Südwesten um 1,3 Prozent am stärksten zurückgegangen. Was läuft da schief?

Das bereitet uns große Sorge. Bisher konnte Baden-Württemberg immer darauf vertrauen, dass das Geschäftsmodell der Globalisierung und des Freihandels so weitergeht. Das funktioniert nicht mehr. Gefühlt werden die Zäune immer höher. Es steht eher die Deglobalisierung auf der politischen Agenda.

Das sind externe Faktoren. Es gibt aber auch hausgemachte. Ist es nötig, den Standort wieder wettbewerbsfähiger zu machen?

Hohe Bürokratielasten, der Fachkräftemangel, die Demografie und hohe Energiekosten belasten die Unternehmen. Wir legen uns selbst Fesseln an, die es unmöglich machen, Wachstum zu generieren. Aber das brauchen wir, um die Zukunftsaufgaben anzugehen. Wir müssen als Gesellschaft darüber reden, woher in Zukunft die Wertschöpfung kommen soll. Wenn wir den Anspruch haben, alle Aufgaben bewältigen zu wollen – eine andere Energieerzeugung, die Dekarbonisierung, die Digitalisierung, den demografischen Wandel, ein hohes Niveau im Sozialstaat – dann geht das nur mit Wirtschaftswachstum. Das heißt, wir müssen die Weichen auf mehr Leistungsbereitschaft stellen. Die Debatte darüber vermisse ich.

Ihr Wort hat Gewicht. Wo würden Sie anfangen, zu reformieren?

Wir brauchen einen Befreiungsschlag bei der Bürokratie. Die Bürokratie verhindert eine Aufbruchstimmung. Da müssen wir ran.

Ein wichtiger Player ist hier die EU-Kommission. Sie planen, bald nach Brüssel zu reisen. Muss auch die Kommission die Bürokratieschrauben lockern?

Natürlich braucht es Regeln. Nach der Finanzkrise wird keiner sagen, dass Regeln per se schlecht sind. Es geht aber um die Angemessenheit. Ist das Regelwerk in dieser Ausprägung noch richtig, insbesondere für die Sparkassen, die die Menschen und den Mittelstand vor Ort finanzieren? Da gibt es in Brüssel eine Fehlvorstellung, dass für kleine Institute das gleiche Regelwerk wie für grenzüberschreitend tätige Großbanken gelten muss.

Ein anderer Spieler ist die Europäische Zentralbank. Sie hat den Leitzins auf 3,5 Prozent gesenkt. Denken Sie, das ermutigt Bauherren und Investoren wieder Wohnungen zu bauen?

Diese Senkung wird keinen Impuls liefern, weil sie faktisch schon zu Jahresbeginn eingepreist war. Und der Zins allein ist auch nicht die Ursache. Die aktuelle Zinshöhe macht Bauen im Vergleich der letzten 20 Jahre immer noch gut möglich. Wir haben hohe Grundstückspreise, hohe Herstellungspreise, ein kompliziertes Regelwerk, viele Normen, die einzuhalten sind und dazu eine unverlässliche Förderpolitik. Das führt dazu, dass das Bauen nicht nur sehr teuer geworden ist, sondern private Kunden verunsichert sind.

Die Landesregierung hat die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf 1,5 Milliarden erhöht und will die Landesbauordnung reformieren. Reicht das?

Die Landesregierung arbeitet daran, wichtige Stellschrauben auf Landesebene zu drehen. Es gibt aber viel mehr. Etwa eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Ich denke auch an gute Erfahrungen, die man in den 80er-, 90er-Jahren mit der steuerlichen Absetzbarkeit von Schuldzinsen von selbst genutztem Wohnraum gemacht hat. Und dann müssen wir von den hohen Standards runterkommen, die das Bauen verteuern. Und es braucht wieder eine verlässliche Förderung.

Das Gespräch führte Wolfgang Leja

Der Verwaltungsjurist

Matthias Neth ist seit Mai 2024 Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg. Der 45-jährige Verwaltungsjurist war von 2013 bis 2024 Landrat des Hohenlohekreises. Neth studierte Rechtswissenschaften in Tübingen und Lausanne. Spätere absolvierte er ein berufsbegleitendes Studium an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Von 2010 bis 2013 war er Referent für Wirtschaftspolitik im Staatsministerium und Parlamentsrat in der CDU-Fraktion im Landtag.

Da sind sich Matthias Neth (rechts) und Wirtschaftsredakteur Wolfgang Leja einig. Beide lieben Kimchi, eine traditionelle koreanische Beilage aus fermentiertem Gemüse. Foto: Achim Zweygarth

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