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Widerspruchsverfahren: sinnvoll oder bremsend?
Stuttgart. Es braucht Wohnungen, viele Wohnungen in Deutschland und auch in Baden-Württemberg. Als Ziel hatte die amtierende Bundesregierung einmal 400 000 neu gebaute Wohnungen pro Jahr ausgegeben. Inzwischen ist die Großwetterlage für Bauprojekte aber derart schlecht, dass dieses Ziel bei Weitem nicht erreicht wird. Hinzu kommen Probleme grundsätzlicher Art bei der Genehmigung: Planen und Bauen müssten unbedingt schneller und effizienter werden, findet Bauministerin Nicole Razavi (CDU). Eine Novellierung der Landesbauordnung (LBO) soll dabei helfen. Unter anderem ist geplant, das besonders niedrigschwellige Widerspruchsverfahren abzuschaffen.
Bisher können Bauherren, aber auch Nachbarn , einem Bauantrag bei der zuständigen Behörde widersprechen. Mit einer Abschaffung von Widerspruchsmöglichkeiten bei den Baurechtsämtern erreiche man eine deutliche Verkürzung von Verfahren, glaubt man in Razavis Ministerium. Für die Beteiligten bestehe zügig Rechtssicherheit und strittige Fragen würden im Regelfall ohnehin gerichtlich entschieden. Aktuell äußert sich das Ministerium nicht direkt zum Widerspruchsverfahren. Eine Kabinettsvorlage zur Reform der LBO befinde sich derzeit in der Ressortabstimmung.
Verein der Verwaltungsrichter schaltet Landtagsfraktionen ein
„Es ist deshalb im Moment für uns eigentlich kein guter Zeitpunkt, um uns zur Reform zu äußern“, erklärt ein Sprecher des Bauministeriums, der auf frühere Stellungnahmen verweist. Die Novelle könnte künftig zwar kein Widerspruchsverfahren mehr beinhalten, dafür aber eine sogenannte Genehmigungsfiktion. Das bedeutet, dass eine Baugenehmigung als erteilt gilt, wenn alle Unterlagen vorliegen und nicht innerhalb einer gesetzlichen Frist beschieden ist.
- Nein 61%, 46 Stimmen46 Stimmen 61%46 Stimmen - 61% aller Stimmen
- Ja 33%, 25 Stimmen25 Stimmen 33%25 Stimmen - 33% aller Stimmen
- Mir egal 7%, 5 Stimmen5 Stimmen 7%5 Stimmen - 7% aller Stimmen
Bleibt es bei dem Entwurf wäre ein erster Widerspruch dann erst mit einem direkten gerichtlichen Verfahren möglich. Genau das aber trifft auf entschiedenen Widerstand beim Vorsitzenden des Vereins der Verwaltungsrichter in Baden-Württemberg, Stefan Bauer. Das Widerspruchsverfahren entlaste „ganz erheblich“ die Verwaltungsgerichte, schreibt er in einem Brief an alle Landtagsfraktionen.
Widerspruchsverfahren erledigt 85 Prozent aller Einwände
85 Prozent aller Einwände in Baurechtssachen würden im Widerspruchsverfahren befriedet. Eine Abschaffung würde aus Bauers Sicht auch dazu führen, dass andere Verfahren bei den Verwaltungsgerichten, etwa zur Zulassung von Infrastrukturprojekten im Zuge der Energiewende oder zum Thema Asyl künftig länger dauerten.
Eine Abschaffung leiste keinen Beitrag zur Entbürokratisierung, sondern produziere unnötige Gerichtsverfahren. Bauer weist darauf hin, dass die Bundesländer, die Widerspruchsverfahren gestrichen hätten, Bausachen explizit ausgenommen hätten.
FDP spricht von „erstem wichtigem Schritt“
Die SPD-Landtagsfraktion hält es für erstrebenswert, Genehmigungsverfahren zu erleichtern. Mit Blick auf ein drohendes Aus des Widerspruchsverfahrens meint der baupolitische Sprecher der Fraktion, Klaus Ranger, aber: „Verfahren, die den sozialen Frieden in Nachbarschaften wahren, sollten allerdings nicht als erstes abgeschafft werden“. Generell bringen aus Sicht der Sozialdemokraten im Landtag Änderungen der LBO „keine schnelle Verbesserung“. Staus bei Genehmigungen von Bauangelegenheiten seien deshalb nicht das größte Problem. Es brauche mehr Fördermittel von Landesseite.
Friedrich Haag, wohnungsbaupolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, ist der Ansicht, dass die Abschaffung der Widerspruchsmöglichkeit bei Baugenehmigungen ein „erster richtiger Schritt“ ist. Ein „Politik des Gehörtwerdens“ sehe anders aus.
Architektenkammer begrüßt höhere Hürden für Einsprüche
Zusätzlich sollten Klageverfahren beschleunigt werden, ergänzt Haag. Und in den Ämtern müsse sichergestellt werden, dass Genehmigungen von Anfang bis Ende digital bearbeitet werden könnten.
„Wir finden es sehr erfreulich, dass das Ministerium mutige Schritte zur Diskussion stellt““, meint der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, Markus Müller. Aus der Planungspraxis heraus sehe man es positiv, dass dmit einer solchen Änderung die Hürde höher gelegt werde, Projekte zu behindern oder gar zu verhindern.