Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Politische Betätigung

Wenn der Wahlkampf im Betrieb Einzug hält

Ende Februar stehen in Deutschland vorgezogene Bundestagswahlen an. Auch in Unternehmen treffen daher derzeit widerstreitende politische Ansichten vermehrt aufeinander. Doch inwieweit dürfen der Wahlkampf und politische Äußerungen im betrieblichen Alltag einen Platz haben. Und wie müssen sich speziell Betriebsräte, Gewerkschaftsmitglieder und Arbeitgeber selbst verhalten.

Meinungsfreiheit gilt am Arbeitsplatz auch in politischen Fragen, doch dürfen sich Betriebsräte nicht parteipolitisch positionieren.

Imago/BeckerBredel)

LÖRRACH. Die Aktion „Wir sind hier“ der IG Metall im Frühjahr 2023 in Südbaden hat damals für lebhafte Diskussionen gesorgt – vor allem unter Arbeitgebern. Mit rund 110 Gewerkschaftsmitarbeitern aus dem ganzen Land war die IG Metall vier Wochen lang in etwa 120 Betrieben in Südbaden unterwegs, um über ihre Arbeit aufzuklären und Mitglieder anzuwerben. Dabei wurden auch politische Botschaften transportiert, wenn auch häufig nur implizit.

Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen in Baden kritisierte die Aktion als unangemessen. Auch in einzelnen Unternehmen gab es Widerstand. „Es gab tatsächlich einige Betriebe, wo man versucht hat, die Beschäftigten daran zu hindern, mit uns ins Gespräch zu kommen“, berichtet Norbert Göbelsmann, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Südbaden mit Sitz in Lörrach.

Die Frage, welche Rechte Gewerkschaften in Betrieben haben, und auch ganz generell, welche Rolle Politik am Arbeitsplatz spielen darf, führt in der Praxis immer wieder zu Konflikten. Die vorgezogene Bundestagswahl sorgt aktuell für eine besondere Dynamik.

Wahlwerbung ohne Druck ist für Arbeitgeber grundsätzlich erlaubt

Grundsätzlich genießen Arbeitnehmer in Deutschland ein Recht auf Meinungsfreiheit, auch am Arbeitsplatz. Politische Meinungen dürfen prinzipiell auch im Job geäußert werden, solange dies nicht die Arbeitsabläufe stört oder gegen andere arbeitsrechtliche Vorgaben verstößt. Jochen Grünhagen, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München, erklärt: „Politische Betätigung ist erlaubt, solange sie nicht den Betriebsfrieden gefährdet oder andere Mitarbeitende diskriminiert.“ Auch Betriebsräte haben ein gewisses Recht, politische Themen anzusprechen, insbesondere wenn diese mit den Arbeitsbedingungen oder Arbeitnehmerrechten zusammenhängen.

Arbeitgeber dürfen ebenfalls eine politische Meinung haben und diese öffentlich äußern. Unternehmen müssen nicht politisch neutral sein. „Das Betonen von wichtigen Werten und ein Aufruf, überhaupt zur Wahl zu gehen, ist rechtlich unproblematisch durch Unternehmen möglich“, erklärt dazu der Hamburger Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott in einer Mitteilung des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte.

Verschärfte Regeln für öffentliche Arbeitgeber

„Selbst konkrete Wahlwerbung ist zulässig, wenn kein unzulässiger Druck auf die Belegschaft ausgeübt wird“, so Fuhlrott. Unternehmen dürfen insbesondere ihre Werte beschreiben und formulieren, dass die politischen Ziele einer konkreten Partei nicht vereinbar sind mit denen des Unternehmens. Eine Grenze werde aber da überschritten, wo Mitarbeitern Konsequenzen für ein bestimmtes Wahlverhalten angekündigt werden. Dies kann laut Fuhlrott sogar eine Wählerbestechung darstellen, die das Strafgesetzbuch unter Geld- oder Freiheitsstrafe stellt.

Für öffentliche Arbeitgeber gelten indes verschärfte Regeln. Diese haben nämlich eine Pflicht zur Neutralität und dürfen keine Wahlempfehlungen oder Wahlhinweise an ihre Belegschaft ausgeben oder verteilen. Für Angestellte im öffentlichen Dienst gelten ebenfalls strengere Regeln. Aufgrund ihrer Treuepflichten könne eine politische Betätigung deutlich schneller arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, bis hin zum Ausspruch einer wirksamen Kündigung, als bei Arbeitnehmern der Privatwirtschaft, teilt dazu die Arbeitsrechtskanzlei Kliemt mit.

Insbesondere könne auch ein außerdienstliches Verhalten eines Angestellten zu der Bewertung führen, dass diesem die erforderliche Eignung für die Ausübung einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst fehlt. Das kann im Extremfall zur Rechtfertigung einer Kündigung aus personenbedingten Gründen führen.

„Betriebsratsmitglieder können das parteipolitische Meinungsbild in der Belegschaft stark beeinflussen, da sie zahlreiche Plattformen wie Betriebsversammlungen, Aushänge, Rundmails oder Betriebsratszeitungen nutzen können“, erklärt Bernd Pirpamer, Partner bei der Kanzlei Eversheds Sutherland in München. Dabei seien jedoch ebenfalls klare Grenzen gesetzt.

Für Betriebsräte gilt eine parteipolitische Neutralitätspflicht

„Handelt ein Betriebsratsmitglied in seiner Amtsfunktion, gilt die parteipolitische Neutralitätspflicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz“, so der Jurist. Insbesondere ist es dem Betriebsratsmitglied untersagt, sich in Ausübung seines Amts für oder gegen Parteien oder Kandidaten zu positionieren.

Allgemeinpolitische Äußerungen, etwa zu Klima- oder Umweltschutz, seien indes zulässig, solange sie den Betriebsfrieden nicht stören. Konflikte könnten vermieden werden, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat eine beidseitige Neutralitätsvereinbarung treffen.

Gewerkschafter haben meist Zutrittsrecht zum Betrieb

Die Rechte der Gewerkschaften sind vom Gesetzgeber kaum geregelt, daher spielt die einzelfallbezogene Rechtsprechung eine große Rolle. Generell lässt sich sagen, dass Gewerkschaften Betriebsstätten besuchen dürfen, um Mitglieder zu gewinnen oder Versammlungen abzuhalten – solange der Betriebsablauf nicht beeinträchtigt wird. Arbeitgeber dürfen den Zugang nur bei gewichtigen Gründen verwehren, etwa aus Sicherheitsgründen.

Weitere Informationen zum Thema

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch