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Berufsorientierung

Wenn das Praktikum den Weg zum Traumjob ebnet

Weil 2024 rund 12 000 Ausbildungsstellen in Baden-Württemberg unbesetzt geblieben sind, aber auch über 6200 Jugendliche die Schule ohne Ausbildungsplatz verlassen haben, soll die berufliche Orientierung verbessert werden. Darauf hat sich das Ausbildungsbündnis Baden-Württemberg verständigt.

Irem Eren kam über ein Praktikum zu ihrer Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik.

Sebastian Schmucker)

St uttgart/Ulm. Der Tag im Lager des Ulmer Haustechnik-Großhändlers Franz Scheuerle veränderte das Leben von Irem Eren völlig. „Ich wusste sofort, das ist etwas für mich“, beschreibt die heute 18-Jährige ihren Eindruck von der Arbeit der Lageristen. Der Praktikumstag im Büro des mittelständischen Handelsunternehmens sei dagegen „nicht so ihr Ding“ gewesen. Nach einem weiteren, etwas längeren Praktikum hatte Irem Eren schließlich ihren Lehrvertrag in der Tasche und begann im September vergangenen Jahres ihre Ausbildung.

Die ju nge Frau aus Ulm ist für das Ausbildungsbündnis Baden-Württemberg ein ideales Beispiel, um zu zeigen, dass die 2022 eingeführten Praktikumswochen einen wichtigen Beitrag zur Berufsorientierung leisten. Während der Aktionswochen, die in diesem Jahr im Frühjahr und Herbst stattfinden, können sich Schüler auf einer Onlineplattform für Tagespraktika in verschiedenen Unternehmen in ihrer Region anmelden. Im vergangenen Jahr wurden so landesweit über 7700 Praktikumstage in rund 2700 Unternehmen absolviert.

Ausbildungsbündnis will Berufsorientierung verbessern

Der Weg von Irem Eren zeigt aber auch, dass in den Schulen noch mehr für die Berufsorientierung getan werden muss. Dass sie nicht direkt nach ihrem Hauptschulabschluss nach einem Ausbildungsplatz gesucht hat, begründet die junge Frau so: „Ich wusste damals gar nicht, was ich machen soll. Wir haben in der Schule kaum etwas über mögliche Berufe erfahren.“ Erst während eines Berufsvorbereitungsjahrs hatte sie sich für das Praktikum bei Franz Scheuerle beworben.

Solche Defizite in der Berufsorientierung will das Ausbildungsbündnis, in dem Landespolitik, Unternehmerverbände, Gewerkschaften und die Bundesagentur für Arbeit zusammenarbeiten, beseitigen. „Wir schöpfen noch nicht alle Potenziale bei den Schulabgängern aus“, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

12.000 Ausbildungsplätze bleiben im vergangenen Jahr unbesetzt

Denn im vergangenen Jahr waren einerseits über 12.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben, anderseits blieben fast 1500 Jugendliche ohne eine Ausbildungsstelle oder eine Alternative wie das Berufsvorbereitungsjahr. Das sei eine Steigerung um 31 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor, erklärt die Chefin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, Martina Musati.

Sie rät Jugendlichen und Eltern zudem, gerade bei der Berufsorientierung von den gängigen Mädchen- und Jungenberufen wegzugehen. „Wir sind bei der Berufswahl noch immer viel zu sehr in Klischees gefangen“, moniert Musati und rät vor allem jungen Frauen, sich verstärkt mit naturwissenschaftlichen oder technischen Berufen zu beschäftigen. Irem Eren ist genau diesen Schritt gegangen. Denn Lagerlogistik ist bislang ein typischer Männerberuf.

Schuloten spielen für den Betrieb keine große Rolle mehr

Praktika sind aber nicht nur für Schulabgänger eine Chance, sondern auch für Unternehmen, die sich trotz der momentanen Wirtschaftskrise oft schwertun, Ausbildungsplätze zu besetzen. Für den Fachgroßhändler Franz Scheuerle haben sich die Praktikumswochen inzwischen zum wichtigen Instrument für die Suche nach geeigneten Azubis entwickelt. „Im vergangenen Jahr haben wir insgesamt drei Azubis eingestellt, die zu einem Praktikum bei uns waren, in diesem Jahr schon einen“, berichtet der Ausbildungsleiter des Unternehmens Sebastian Schmucker.

Der eine Tag im Rahmen der Praktikumswoche dient dabei allerdings nur zum gegenseitigen Kennenlernen. „Wer dabei einen guten Eindruck macht und Spaß an der Arbeit hat, dem schlagen wir ein einwöchiges Praktikum vor“, sagt Schmucker. Danach könne man meist beurteilen, ob derjenige für eine Ausbildung passe oder nicht.

Die Noten der Bewerber im Abschlusszeugnis der Schule sind für Schmucker dann anders als in vielen anderen Unternehmen nicht mehr ausschlaggebend. Ihm geht es um die Motivation der jungen Leute. „Er oder sie muss da sein und sie müssen Spaß haben, wenn sie da sind“, betont der Ausbilder. Irem Eren sieht man den Spaß an, den sie an ihrer Ausbildung hat, allein wenn sie darüber spricht.

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