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Ebersbach: Wenn aus Holz- und Plastikabfällen grüner Wasserstoff wird
Ebersbach/Fils. Es sieht unspektakulär aus, was auf dem Hof der ETG Entsorgung + Transport , einem Tochterunternehmen der Göppinger Schwarz-Gruppe entsteht: ein senkrecht stehender Rohrbogen umgeben von einer Stahltreppe mit Plattformen, daneben ein Stahlzylinder und ein Container. Auch wenn in den kommenden Monaten noch einige Bauteile dazu kommen, vermittelt die Anlage dem Laien nicht den Eindruck, dass sie den Grundstein für „eine völlig neue Wasserstoffindustrie“ legen soll, wie es der Anlagenentwickler Green Hydrogen Technology (GHT) aus Augsburg ausdrückt Denn die Anlage ermöglicht die Produktion des Gases, dezentral, billiger als in Elektrolyseuren mit heimischem Ökostrom, mit weniger Energieeinsatz und sie trägt zur Abfallverwertung bei.
Anlage liefert 100 Tonnen Wasserstoff pro Jahr
Nicht wiederverwertbare Abfälle, egal ob Bio-Abfälle wie Holz, Kunststoffe oder auch Klärschlamm, werden im Kern der Anlage, dem Flugstromreaktor bei 1600 Grad einem bis zu 1600 Grad heißen Gas in Synthesegas umgewandelt werden. Das Synthesegas besteht im Wesentlichen aus Kohlendioxid und Wasserstoff, die dann in einem zweiten Schritt getrennt werden. Das CO2 wird verflüssigt und soll entweder als technisches Gas an die Industrie verkauft oder eingelagert werden. Das Verfahren würde also kein Treibhausgas ausstoßen. Dass die Technologie funktioniert hat GHT bereits demonstriert, als die Anlage versuchsweise ab November 2022 in österreichischen Leoben betrieben wurde. Dort wurde sie inzwischen abgebaut, um in Ebersbach wieder aufgebaut zu werden. Ab Ende kommenden Jahres sollen dort in kleinem industriellen Maßstab bis zu 100 Tonnen klimaneutraler Wasserstoff hergestellt werden. Für die mittelständische Schwarz-Gruppe bedeutet das Projekt, dass damit ein Recyclingkreislauf geschlossen werden kann. „Für uns Entsorger ist es immer gut, wenn am Ende der Kette ein Produkt steht“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin der Gruppe, Beate Schwarz. Das Familienunternehmen aus Göppingen hat mit solchen innovativen Verfahren bereits Erfahrung. Vor zehn Jahren stieg Schwarz als eines der ersten Unternehmen im Land in die Pyrolyse ein, um aus Biomasse Energie aber auch Pflanzenkohle zu erzeugen. Die wird im Gartenbau eingesetzt, soll aber künftig auch in Baumaterialien Verwendung finden.
Region Stuttgart schießt 4,3 Millionen Euro zu
Die Verbindung zwischen Wasserstoff-Wirtschaft und Abfallentsorgung sei etwas Besonderes, lobte der Amtschef des baden-württembergischen Umweltministeriums, Michael Münter. Das sei im Land bislang noch eine Ausnahme. Dem Verband Region Stuttgart ist das industrielle Pilotprojekt sogar viel Geld wert. Die Region werde die Anlage mit 4,3 Millionen Euro unterstützen, kündigte der Verbandsvorsitzende Reinhard Wieland (CDU) beim Richtfest für die Anlage an. In Summe sollen dafür in Ebersbach rund zwölf Millionen Euro investiert werden, wie GHT-Gründer Haral Mayer erklärte. Das in Augsburg ansässige Start-up hat nicht nur das Göppinger Familienunternehmen Schwarz für sein Vorhaben gewonnen, sondern zwei weitere Unternehmen als Finanziers und Partner. Der Kölner Energieversorger Rheinenergie wird den Vertrieb der Anlagen in Form von Contracting-Modellen übernehmen und, wenn vom Kunden gewünscht auch den Betrieb. Und der Wasserstoff-Lkw-Flottenbetreiber Hylane will die Abnahme des aus Müll produzierten Wasserstoffs garantieren. Hylane ist eine Tochter des Versicherungskonzerns DEVK. „Die Energiewende ist immer ein Teamsport“, meinte GHT-Geschäftsführer Robert Nave. Und die Partnerschaft, die für dieses Projekt entstanden sei, sieht er als ein Paradebeispiel dafür.
Dezentrale Versorgung für energieintensive Industrie
Ebersbach soll der Anfang dafür sein, um die GHT-Technologie in großem Maßstab auszurollen. Im ersten Schritt hat Nave die Entsorger als Kunde im Blick. Dort sei das Interesse groß. In den nächsten fünf Jahren sollen mindestens fünf weitere Projekte umgesetzt werden, die jährlich über 2000 Tonnen Wasserstoff erzeugen sollen. Als weitere Abnehmer kommen aus seiner Sicht auch energieintensive Mittelständler in Betracht. Die könnten damit eine Wasserstoffversorgung vor Ort sicherstellen, wenn sie nicht oder nicht rechtzeitig an ein Wasserstoffnetz angeschlossen werden. Und auch weltweit, sieht Nave Einsatzmöglichkeiten. In Ländern wie Malaysia könne damit dem Plastikmüll zumindest zum Teil begegnet werden.
Entwickler: Verfahren ist billiger als Elektrolyse
Die Herstellung von grünem Wasserstoff aus Abfällen ist nach Angaben von Green Hydrogen Technology (GHT) nicht nur ein Beitrag zur Recyclingwirtschaft, sondern auch wirtschaftlicher als die klassische Elektolyse. Während für letztere Kilopreise von etwa acht Euro angesetzt werden, soll die Anlage in Ebersbach Wasserstoff zu einem Kilopreis von etwa fünf Euro liefern. Bei größeren, leistungsfähigeren Anlagen könnte in der nächsten Stufe künftig ein Wasserstoffpreis von etwa 1,50 Euro pro Kilogramm erreicht werden, meint GHT-Geschäftsführer Robert Nave.