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WC-Spülkasten für die E-Auto-Batterie
Nürtingen/Mainz. Thomas Speidel gilt als einer der Pioniere der Schnellladetechnik für Elektroautos. Dafür und für die Transformation seines Familienunternehmens ADS-TEC vom klassischen Autozulieferer zum Innovationstreiber der Elektromobilität wurde der Unternehmer aus Nürtingen (Kreis Esslingen) jetzt mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet.
Das Preisgeld von 500 000 Euro teilt sich Speidel mit der Biologin und Moorforscherin Franziska Tanneberger, die das Greifswald Moor Centrum leitet. Der Deutsche Umweltpreis gilt als eine der höchstdotierten Umweltauszeichnungen in Europa und wird für „herausragende Leistungen im Umwelt-, Klima-, Arten- und Ressourcenschutz“ verliehen.
Geschäftsmodell des väterlichen Betriebs umgekrempelt
„Thomas Speidel erhält die Auszeichnung der DBU für strategischen Weitblick und die dafür notwendige unternehmerische Risikobereitschaft“, sagte der DBU-Generalsekretär und frühere baden-württembergische Landwirtschaftsminister Alexander Bonde bei der Auszeichnung in Mainz. Der Elektrotechnikingenieur war 1995 nach dem Studium ins Unternehmen seines Vaters eingestiegen, das der 1980 mit seinem Partner Hermann Fritz als „Fritz Electronic“ in Ostfildern gegründet hatte. Hauptprodukte waren in den ersten Jahrzehnten Schaltschränke, innovative Steuerungstechnik und Datensysteme für die Produktion der heimischen Autohersteller.
15 Jahre nach seinem Einstieg stellte der heute 57-Jährige den Familienbetrieb komplett neu auf. Er wird zur Holding, die „Datentechnik“ zur eigenständigen Tochterfirma ADS-Tec Industrial IT“, und die ADS-TEC Energy wird neu gegründet.
Gleichzeitig nutzte er das elektrotechnische Know-how in seinem Unternehmen zum Aufbau eines vollkommen neuen Geschäftsfelds: Schnellladesäulen für Elektroautos. Vom Geschäft mit der Produktion von Verbrennern verabschiedete sich Speidel damals komplett.
Batteriespeicher in Ladesäulen stabilisieren das Stromnetz
Die Ladesäulen des Mittelständlers funktionieren etwas anders als gewöhnliche Ladesäulen, die direkt aus dem Mittelspannungsnetz gespeist werden und deshalb häufig neue Netzanschlüsse benötigen. Denn die sind mit Batteriespeichern gepuffert. Die Ladesäulen aus Nürtingen beziehen den Strom langsam aus dem bestehenden Netz, speichern diesen und wandeln den Wechselstrom in Gleichstrom um. Mit dem gespeicherten Strom können E-Autos dann mit bis zu 320 Kilowatt geladen werden. Firmenchef Speidel beschreibt das Prinzip bildhaft so: „Wie bei einem WC-Spülkasten, der sich langsam füllt und sich bei Nutzung ruckzuck leert.“
Zwei Modelle mit unterschiedlicher Leistung, Charge-Box und Charge-Post, hat ADS-TEC Energy bisher auf den Markt gebracht. Derzeit sind rund 1600 Stück weltweit installiert. Es werden aber rasch mehr, weil das Geschäft boomt.
Und seine Ladesäulen sollen nicht nur E-Autos in wenigen Minuten laden, sondern auch zur Lösung anderer Probleme der Energiewende beitragen, erläutert Speidel. So könne durch die Speichersysteme auf den Ausbau der Stromnetze für die Elektromobilität teilweise verzichtet werden. Zudem lasse sich mithilfe der Batteriespeicher das Netz stabilisieren und Photovoltaikanlagen in der Umgebung ließen sich für die Aufladung integrieren.