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Corona-Soforthilfe

Verwaltungsgericht Stuttgart stärkt die Empfänger von Corona-Soforthilfen

Die Corona-Soforthilfe aus dem März 2020 droht zum juristischen Desaster für das Land und die L-Bank zu werden. Nachdem das Verwaltungsgericht Freiburg mehreren Musterklagen gegen die Rückzahlung der Unterstützung stattgegeben hatte, zeichnet sich auch vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ein Erfolg für die Unternehmen ab.

Friseure und die Gastronomie gehören zu den Branchen, die von Umsatzausfällen während der Corona-Lockdowns besonders stark betroffen waren.

Imgao/Sven Simon/Frank Hoermann)

Stuttgart. Es ging vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart um zwei Branchen, die am Beginn der Corona-Pandemie von staatlichen Schutzmaßnahmen besonders betroffen waren: Friseure und die Hotellerie/Gastronomie, die im ersten Lockdown wochenlang komplett schließen mussten. Viele betroffene Unternehmen erhielten damals Soforthilfe des Landes, doch ein erheblicher Teil der Empfänger musste die staatliche Unterstützung später ganz oder teilweise zurückzahlen.

Zu Unrecht, hatte schon im Juli das Verwaltungsgericht Freiburg geurteilt. Und nun kam auch die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu der Auffassung, dass die Rückforderung der Soforthilfe durch die L-Bank wohl rechtswidrig war. Ein Urteil steht zwar noch aus, doch die rechtliche Würdigung im Zuge der mündlichen Verhandlung am Mittwoch fiel eindeutig aus.

Richterin: Ausgestaltung macht aus der Soforthilfe ein Darlehen

Die Richter stützen sich bei ihrer Bewertung vor allem auf zwei Aspekte: die Kriterien, nach denen die Soforthilfe gewährt wurde, und die Abläufe der Rückforderungs- und Widerspruchsverfahren. Bei den Kriterien gibt es aus Sicht der Stuttgarter Verwaltungsrichter eine klare Diskrepanz zwischen dem, was in den Anträgen und den Ausfüllhilfen für das erste Hilfsprogramm aus dem März 2020 formuliert war, und dem, was die L-Bank für ihre Rückforderungen zum Maßstab erklärte.

Während in den Anträgen eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage, Liquiditätsengpässe oder massive Umsatzeinbrüche als Voraussetzungen genannt wurden, um Soforthilfe beantragen zu können, war sowohl in späteren Programmen, wie dem gemeinsamen von Bund und Land aus dem April 2020, und auch den Unterlagen zur Abrechnung der Soforthilfen nur noch von Liquiditätsengpässen als Kriterium die Rede. Das sei immer die Intention der Landesregierung und auch des Landtags gewesen, um insolvenzgefährdete Betriebe zu unterstützen und so einen Dominoeffekt in der Wirtschaft zu verhindern, erklärte der Leiter der L-Bank-Rechtsabteilung, Karsten Klein, vor dem Verwaltungsgericht.

L-Bank: Vorschriften für jeden Kaufmann klar erkennbar

Das sei, so der Jurist, für „jeden Kaufmann“ klar erkennbar gewesen. Doch dieser Ansicht wollte sich das Gericht nicht anschließen. Erst beim Bund-Länder-Programm vom April 2020 sei die Fokussierung auf die Liquidität als ausschlaggebendes Kriterium für die Unterstützung klar geregelt und für die Antragsteller erkennbar.

Und für die Kläger und viele andere Empfänger wirkte sich ungünstig aus, dass die L-Bank die Liquidität nicht monatsweise, sondern über einen Drei-Monats-Zeitraum ab der Antragstellung ansetzte. Das hatte beispielsweise zur Folge, dass bei dem klagenden Friseur aus Heidenheim seine Einnahmeausfälle während des Lockdowns mit dem kurzzeitigen Rekordumsatz nach dessen Ende im Mai verrechnet wurden. Aufgrund dessen sollte er mehr als zwei Drittel der Soforthilfe von 15.000 Euro zurückzahlen, der klagende Gasthof aus Lauchheim auf der Ostalb sogar die komplette Förderung in gleicher Höhe.

Nur vier von 23.000 Widersprüchen haben Erfolg

Die Anwälte beider Kläger verwiesen zudem darauf, dass in den Antragsunterlagen nie von einer Rückzahlung die Rede gewesen sei. Zudem habe es sowohl von Bundes- wie Landespolitikern die klare Aussage gegeben, dass die Soforthilfen nicht zurückgezahlt werden müssten. Das stritt L-Bank-Jurist Klein aber mit Verweis auf das Beihilferecht, wonach Zuschüsse generell abgerechnet werden müssen, ab. Die Vorsitzende Richterin Ulrike Göppl kommentierte das Vorgehen der L-Bank an Klein gerichtet so: „Durch die Ausgestaltung haben sie aus der Soforthilfe ein Darlehen gemacht.“

Erhebliche rechtliche Vorbehalte haben die Verwaltungsrichter zudem am Prozedere, dass die L-Bank für die Rückforderungen und Bearbeitung der Widersprüche angewandt hatte. Im Kern sehen sie die Verfahren als zu automatisiert an, als dass in jedem Fall die Einzelfallprüfung erfolgt ist. Gegen die Rückforderungsbescheide der L-Bank gab es laut Klein 23.000 Widersprüche. Nur vier waren bislang erfolgreich.

Ob das Gericht eine Berufung zulässt, bleibt offen

Zur Überraschung von Prozessbeteiligten ist nicht sicher, ob das Verwaltungsgericht Stuttgart eine Berufung gegen sein Urteil zulassen wird. Obwohl es sich um ein Musterverfahren handelt, sei es auch denkbar, dass man die beiden Fälle in der ersten Instanz final entscheide, sagte die Vorsitzende der 17. Kammer, Ulrike Göppl. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte bei seinen Urteilen im Juli Berufungen zum Verwaltungsgerichtshof zugelassen.

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