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„Unsere Vision ist ein echter Kreislauf der Baustoffe“
Blaufelden. „Das ist jetzt nicht eine Idee, die da über Nacht gewachsen ist“, sagt Matthias Götz, Geschäftsführer von Schneider & Sohn. Seit über 30 Jahren ist er bei dem Mittelständler. Im angrenzenden Rot am See investiert das Unternehmen aus dem hohenlohischen Blaufelden – Gammesfeld ( Landkreis Schwäbisch Hall ) elf Millionen Euro in eine Upcycling-Anlage. Upcycling meint Aufwertung. Baurestmassen, die normalerweise entsorgt oder für minderwertige Zwecke genutzt werden, werden darin so aufbereitet, dass sie wieder in den Baustoff-Kreislauf zurückgeführt werden können.
Täglich landen große Mengen kostbarer Materialien auf Deponien
Vor über 90 Jahren hat der Betrieb im Steinbruchgeschäft angefangen. Heute ist Schneider & Sohn mit 130 Mitarbeitern im Tiefbau, im Abbruchgeschäft, als Entsorger und eben auch als Recycler tätig. „Wir erleben täglich, wie kostbare Materialien auf Deponien landen. Und statt Beton, Mauerwerk und Ziegel wiederzuverwenden, kippt man das Material für Auffüllungen unter die Straße“, erzählt Götz, der im Betrieb für den kaufmännischen Part zuständig ist.
Geht es nach dem dreiköpfigen Führungsteam von Schneider & Sohn, soll das anders werden. „Das Kreislaufwirtschaftsgesetz gibt unmissverständlich vor, dass Bauschutt, soweit technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar, verwertet werden muss“, erklärt Götz. „Wenn man die erste Stufe, die Vermeidung nicht erreichen kann, muss man wenigstens die zweite Stufe der Abfallhierarchie, eine Wiederverwendung, anstreben“, sagt er. Und das heißt: Gleiches zu Gleichem. Also Beton zu Beton und Ziegel zu Ziegel.
Dass das geht, wollen die Tüftler in ihrer neuen Anlage beweisen. Dort sollen die Baureste nicht nur grob getrennt, sondern mittels einer innovativen Farb- und Infrarottechnik feinsäuberlich in materialspezifische Einzelfraktionen entsprechend ihrer Farbe und ihrer Beschaffenheit sortiert werden. Und das in großen Mengen.
So soll die vollautomatische und computergesteuerte Anlage einen jährlichen Durchsatz von rund 100 000 Tonnen Bauschutt und Altschotter haben. Damit wäre sie bundesweit die erste in solch einem großtechnischen Maßstab. Einen Partner haben die Recycler aus Blaufelden dafür bereits überzeugt: Das Bundesumweltministerium. Es fördert das Pilotprojekt mit knapp zwei Millionen Euro.
„Wir haben uns viel Inspiration gesucht“, erzählt Götz. Etwa beim Betonrecycling-Pionier Walter Fees, der in Kirchheim unter Teck eine Nassklassierungsaufbereitung betreibt. Bei dieser Technik werden Bau- und Abbruchabfälle durch Wasserströmungen und Zentrifugalkräfte getrennt. Leichte Materialien wie etwa Holz und Styropor schwimmen oben auf der Wasseroberfläche auf und werden dann abgeschöpft. Der Umweltpreisträger Fees verfeinerte das Verfahren, bei dem alter Beton zerkleinert und zu hochwertigem Material verarbeitet wird, das in Betonwerken zu neuem Beton verarbeitet werden kann.
„Fees ist ein Vorbild für uns“, sagt Götz. „Wir waren aber auch in der Schweiz, in Lichtenstein und Österreich, die sind um einiges weiter als wir in der Bundesrepublik.“ Heraus kam die Idee, eine ausgeklügelte Sensortechnik einzusetzen. „Wir setzen auf die Nassklassierung eine Farb- und Nahinfrarotsortierung auf“, erklärt Götz. Nach ihrer Sortierung passieren die Reststoffe zwei Kameras. Dabei wird das Material mit Druckluft in den jeweiligen Stoffstrom ausgeleitet. Ziegel und Klinker lassen sich so sortenrein von roten Betonsteinen trennen. „Das Material kann dann anstelle von Primärrohstoffen erneut in den Baukreislauf eingespeist werden kann“, erklärt Götz.
98 Prozent des Input-Materials soll wiederverwertet werden
Klappt alles, ist das Ergebnis beachtlich. „Wir wollen 98 Prozent des Input-Materials der Wiederverwertung zuführen“, sagt Götz. Vor allem: Das Material ist von hoher Güte. „Recycling-Baustoffe unterliegen viel stärkeren Kontrollen“, sagt Götz. Die Recycler müssen neben seinen technischen Eigenschaften auch die chemische Unbedenklichkeit des Materials nachweisen. Allerdings, so räumt Götz ein, erschwert die bisherige Praxis das Geschäft. Bauschutt zu deponieren oder ihn zur Verfüllung zu nutzen, ist oft günstiger. „Da ist die Politik gefordert. Sie muss eine echte Kreislaufwirtschaft fördern“, findet Götz. Dann könnten die Tüftler an ihr Ziel kommen: „Unsere Vision ist ein unendlicher Kreislauf der Baustoffe.“
Rohstoffe eingespart
Bei einem geplanten Einsatz von 100 000 Tonnen an mineralischen Baurestmassen jährlich können davon bis zu 96 400 Tonnen als Sekundärrohstoffe zurückgewonnen und in diesem Umfang Primärrohstoffe eingespart werden. Für den Bauschuttbereich ist diese Rückgewinnungsrate sehr anspruchsvoll (ca. 30 bis 40 Prozent höher als bei einer konventionellen Trockenaufbereitungsanlage). Zudem werden sowohl Rohstoffabbauflächen als auch in ähnlicher Größenordnung Deponievolumina für diese Materialmengen eingespart.