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Teuere Energie treibt Unternehmen ins Ausland
Stuttgart . Der mangelhafte Zustand der deutschen Energieversorgung zählt zu den größten unternehmerischen Hemmnissen. Das hat drastische Folgen, wie eine Umfrage im Auftrag der Landesbank Baden-Württemberg unter mehr als 355 regionalen Unternehmen zeigt: So hat rund ein Viertel der befragten Firmen deswegen bereits Kapazitäten ins Ausland verlagert. Und es könnte noch schlimmer kommen. Denn weitere 38 Prozent erwägen diesen Schritt. In dieser Gemengelage bröckelt auch die Akzeptanz für die Energiewende. Denn die Skepsis wächst. 78 Prozent der befragten Unternehmen halten das Projekt für gefährdet.
Politik muss Strukturen für Energiewende schaffen
„Die größte Herausforderung haben die Unternehmen nicht mit dem Wettbewerb, sondern mit den Zuständen zu Hause, in ihrem Heimatmarkt Deutschland“, sagt Thorsten Schönenberger, Vorstand für Immobilien und Projektfinanzierung der LBBW. „Bürokratie, Fachkräftemangel und die veraltete Infrastruktur lähmen dieses Land.“
Der Zustand der Energieversorgung zählt aber zu den größten unternehmerischen Herausforderungen, so das Ergebnis der Studie. Schönenberger pocht auf verlässlichere Rahmenbedingungen und die nötige Freiheit, damit die Energiewende gelingen kann. „Es liegt an der Politik, die entsprechenden Strukturen zu schaffen, und an Banken wie der LBBW, sie finanziell zu begleiten.“
Unternehmen müssen Energie meist über Drittanbieter beziehen und sind damit von ihnen abhängig. Um unabhängiger von Energielieferungen zu werden, generiert mittlerweile ein Viertel der Unternehmen selbst Strom und/oder Wärme. Die Gaskrise hat diesen Trend noch beschleunigt. Und obwohl seither Einsparungen erfolgten, haben Unternehmen hier weiterhin ambitionierte Ziele: So planen die Befragten für die kommende Dekade, ihren Energieverbrauch im Mittel um rund ein Viertel zu reduzieren.
Im Vordergrund steht dabei die Erhöhung der Energieeffizienz sowie der Ankauf grüner Energie. Beachtlich ist: Neun von zehn Unternehmen wollen mittelfristig in die eigene Energieversorgung investieren. Doch auch hier stoßen sie auf Hürden.
Joachim Erdle, Unternehmenskundenvorstand der LBBW, spricht von „Unsicherheiten“, die Unternehmen in der Planung für Projekte in der Energie- und digitalen Infrastruktur hätten. Diese würden Investitionsvorhaben in den Wirtschaftsstandort Deutschland bremsen. Erdle plädiert dafür, „überflüssige Bürokratie und Regulatorik“ zu reduzieren. „Es muss ein Rahmen geschaffen werden, in dem Unternehmen mit größerer Flexibilität investieren und ihre Wachstumschancen optimal nutzen können“, so der Banker.
Trotzdem sind die Investitionen der Südwestindustrie in die Energiewende deutlich gestiegen. Allein im Produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) waren es im Jahr 2022 rund 630 Millionen Euro, wie das Statistische Landesamt feststellt. Fast die Hälfte davon sei in Maßnahmen zur Energieeinsparung mithilfe von Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmedämmung von Gebäuden geflossen. Die Industrie investierte zudem knapp 230 Millionen Euro in erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraftanlagen.
Energieintensive Industrie meidet Deutschland als Standort
„Was für größere Unsicherheit bei den Unternehmen sorgt, ist das Kostenthema“, sagt Marcel Zürn, LBBW-Experte für Energie und Versorger. Er verweist auf die insgesamt 450 Milliarden Euro, die bis 2037 in den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze fließen sollen. „Unternehmen fragen sich natürlich, wie diese Beträge finanziert werden und welche Auswirkungen das auf zukünftige Energiepreise haben wird. Viele Investitionsentscheidungen bei energieintensiven Prozessen werden aus diesem Grund nicht mehr zugunsten Deutschlands getroffen“, sagt er.
Eine Senkung der Netzentgelte kommt vorerst nicht
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Wirtschaft bei den Stromkosten rasch entlasten. Dafür will er die Netzentgelte, die rund ein Viertel des Strompreises ausmachen, noch vor der Bundestagswahl mittels Bundeszuschuss senken. Dem hat Unionsfraktionsvize Jens Spahn eine Absage erteilt: „Wir werden nicht in den nächsten drei, vier Wochen das alles sortieren und aufräumen können, was in den letzten drei Jahren liegen geblieben ist.“