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Startschuss für die erste Wasserstoff-Pipeline
Stuttgart . Rund 300 Mitarbeiter arbeiten für Terranets BW in Stuttgart. Die Tochter des Karlsruher Energiekonzerns EnBW betreibt das Gastransportnetz in Baden-Württemberg und Hessen und steht nun vor einer nicht alltäglichen Aufgabe: Der Bund hat Terranets BW beauftragt, eine 250 Kilometer lange Gaspipeline zu bauen, die von Lampertheim in Hessen über Heidelberg, Heilbronn, Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen, Heidenheim bis nach Bissingen in Bayern führen soll. Rund eine Milliarde Euro wird sie kosten.
Die Netzinfrastruktur ist das Rückgrat der Energiewende
Am Freitag erfolgte in Lauffen am Neckar der Spatenstich. „Wir investieren in den Ausbau und die Transformation der Netzinfrastruktur, weil sie das Rückgrat der Energiewende ist“, erklärt EnBW-Vorstand Dirk Güsewell, der zugleich Aufsichtsratschef von Terranets BW ist. „Die Süddeutsche Erdgasleitung stärkt die Versorgungssicherheit und ist ein echtes Energiewendeprojekt, das die Kunden der Terranets BW bei ihrer Dekarbonisierungsstrategie unterstützen wird“, sagt Güsewell.
Erdgas soll – als Brückentechnologie – die Versorgung während des Ausstiegs aus der Kohleenergie absichern, bis die erneuerbaren Energien ausreichend ausgebaut sind. Aber bereits ab 2030, so plant es Terranets BW, soll das Erdgas zunehmend durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzt werden. „Neben Strom aus erneuerbaren Energien wird CO 2 -neutraler Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und zur Klimaneutralität leisten – in Kraftwerken zur Stromerzeugung, in der Industrie, aber auch im Verkehrssektor und im Wärmemarkt“, erwartet Katrin Flinspach, die Geschäftsführerin von Terranets BW.
Energieministerin Thekla Walker (Grüne) sieht Baden-Württemberg trotz des massiven Ausbaus der erneuerbaren Energien weiterhin auf Energieimporte aus anderen Regionen und Staaten angewiesen. Dazu zähle auch der Import von grünem Wasserstoff aus europa- und weltweiten Partnerschaften, so Walker. „Für den Import von grünem Wasserstoff habe ich Absichtserklärungen mit Partnern im spanischen Andalusien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet“, sagt sie.
Importe werden nötig sein, denn in vielen Regionen Baden-Württembergs werden absehbar große Mengen an Wasserstoff benötigt. Das hat eine Abfrage der künftigen Bedarfe unter knapp 500 Unternehmen und regionalen Netzbetreibern im vergangenen Sommer gezeigt. Danach rechnen die Kunden ab 2040 allein in der Region Rhein-Neckar und dem Großraum Stuttgart mit einem aufsummierten Wasserstoffbedarf von mehr als 28 Terrawattstunden pro Jahr.
„Diese Meldungen bestätigen unsere Planungen für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes“, sagt Flinspach. „Als Pipelinebetreiber arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Anbindung von Baden-Württemberg an das Backbone-Netz sicherzustellen.“ Damit meint die Terranets BW-Chefin das 9700 Kilometer lange Wasserstoff-Kernnetz, das die Bundesregierung für den Wasserstoffhochlauf plant. „Es wird Anfang der 2030er-Jahre die zentrale Versorgungsader für Wasserstoff in Baden-Württemberg sein“, sagt Flinspach.
Freilich dürfte die geplante Wasserstoffinfrastruktur viele Milliarden Euro kosten. Die Investitionen werden über Netzentgelte finanziert, bestätigt eine Sprecherin von Transnet BW. Damit bezahlen letztlich die Nutzer den Bau der Infrastruktur. Doch das dürfte angesichts der jetzt schon hohen Energiepreise auf lange Sicht kaum durchsetzbar sein. So drängen die bundesweit elf Fernleitungsnetzbetreiber die Bundesregierung, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich private Investoren am Infrastrukturausbau beteiligen können.
Staat muss Risiken absichern, um private Investoren zu gewinnen
Doch dafür gibt es Hürden: Private Investoren springen nur auf, wenn sie Rendite erwarten dürfen und das Risiko abschätzen können. Vor dem Hintergrund eines noch nicht existierenden Wasserstoffmarkts und einer neuen zur Anwendung kommenden Technologie seien diese Risiken aber erheblich, heißt es in einer Stellungnahme der Netzbetreiber. Sie fordern daher, dass der Staat die Risiken absichern müsse, damit Investoren aufspringen könnten.
Diese Diskussionen tangieren den Bau der SEL aktuell noch nicht. Der erste Bauabschnitt wurde an eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus den Unternehmen Vorwerk, PPS (Pipelinesystems), Habau und Bohlen und Doyen vergeben. Ein Teil der Rohre wurde bereits von Europipe und Mannesmann Großrohr geliefert. Im Werk der nordrhein-westfälischen Europipe GmbH in Mülheim an der Ruhr werden sie produziert.
Die Spezialisten für geschweißte Stahlrohre und extreme Beanspruchungen und Längen von bis zu 24 Metern haben dafür eine besondere Metallurgie entwickelt. „Die Zusammensetzung des Stahls muss gewährleisten, dass die Gasleitungen H 2 -ready und damit auch für den Transport von Wasserstoff geeignet sind“, erklärt Roger Menneking, Geschäftsführer des Unternehmens.