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S 21: Sieben Partner für den Milliarden-Tunnel

Der geplante nördliche Abschnitt des Gäubahnausbaus soll einmal die Bahnstrecke Böblingen – Stuttgart über den Flughafen-Fernbahnhof mit dem künftigen Hauptbahnhof Stuttgart verbinden. Ein wesentlicher Teil davon wird der gut elf Kilometer lange Pfaffensteigtunnel sein, der eine Milliarde Euro kosten soll. Bahn und Bauwirtschaft wollen mit einem Partnerschaftsmodell zeigen, dass Kosten und Termine beherrschbar sind.

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Stuttgart . Seit rund fünf Jahren ist Robert Berghorn als technischer Projektleiter für die Anbindung des Flughafens an die Schnellfahrstrecke Stuttgart – Ulm zuständig. Da es mit dem Bau des Flughafen-Tunnels eine Schnittstelle zur Gäubahn gibt, ist er auch für den Streckenabschnitt von Böblingen-Goldberg bis zum Flughafen verantwortlich. „Der Bund hat das Projekt Gäubahn Nord in seiner Nutzen-/Kosten-Untersuchung mit einer Milliarde Euro kalkuliert“, sagt der Bauingenieur.

Um bestmögliche Kosten- und Terminsicherheit zu haben, setzt die Bahn erstmals bei einem ihrer Großprojekte auf das „Partnerschaftsmodell Schiene“. Die Kernidee dabei: Alle an Planung und Bau beteiligten Unternehmen sind bereits in die Entwurfsplanung eingebunden. Die Bauleistungen werden dabei zunächst nur optional beauftragt. „2022 haben wir das Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb vorbereitet. 2023 wurden dann die Leistungen vergeben“, berichtet Berghorn. Im November hat die Bahn mit den sechs erfolgreichen Bewerbern einen Vertrag geschlossen. Keine Einzelverträge wie üblich, sondern ein Mehrparteienvertrag: die Grundlage für das Partnering-Modell.

„Es ist seit Langem ein Bestreben von Auftraggebern und Bauwirtschaft, dass Projekte anders angegangen werden müssen“, erklärt Berghorn. „Bei der Vergabe dürfen nicht immer nur der Preis und unternehmensbezogene Referenzen der Bieter dominieren.“

Dem will die Bahn beim Pfaffensteigtunnel Rechnung tragen. So wurden die Vergabekriterien diesmal anders gewichtet. „Ganz wesentlich sind die Menschen, die Teil des Teams sind, und deswegen richtet sich der Fokus besonders auf personenbezogene Referenzen und Qualifikationen“, erklärt Berghorn. „Aspekte wie Fachexpertise, Teamfähigkeit, Lösungsfähigkeit und Kommunikation sind vergaberelevant“, sagt er. „Diese werden in einem Assessment im Zuge des Vergabeverfahrens abgeprüft.“

Bahn, Planer und bauausführende Firmen teilen sich ein Allianz Büro

D er partnerschaftliche Umgang soll im Vordergrund stehen. Das macht sich auch an einer neuen Art der Zusammenarbeit fest. So teilen sich Bahn, Planer und bauausführende Firmen ein „Allianz Büro“. Man arbeitet in Rufweite. Alle sitzen nahe beisammen, um Schnittstellen abzustimmen. Mögliche Konflikte im Bauvollzug lassen sich so frühzeitig vermeiden.

Wenn alles gut läuft, will die Bahn mit dem Partnerschaftsmodell vier bis fünf Jahre Planungs- und Bauzeit gegenüber dem konventionellen Vorgehen sparen. Das fängt an beim Vergabeprozess. Denn mit der frühen Einbindung der Partner kann sich die Bahn Ausschreibungen für weitere Leistungsphasen ersparen.

Und weil alle Partner frühzeitig ihre Expertise einbringen, erhoffen sich die Ingenieure eine höhere Qualität in der Entwurfs- und Genehmigungsphase. „Dadurch vermeiden wir die üblichen Überarbeitungsschleifen“, sagt Berghorn. Diese entstehen, wenn Entwurfsplaner ihre Ergebnisse an den Ausführungsplaner und diese dann an die ausführenden Firmen übergeben. Und stimmt am Ende die Qualität der Genehmigungsplanung, soll das das Planfeststellungsverfahren verkürzen.

Berghorn nennt einen weiteren Vorteil: „Dadurch, dass sich alle Partner, was Kosten, Risiken und die Planung anbetrifft, sehr früh eingebracht haben, erwarten wir, dass wir später in der Ausführungsphase Konflikte vermeiden können.“ Der oft übliche Bauverzug, wenn sich mehrere Parteien untereinander verhaken, lässt sich verhindern.

„Streit entsteht bei konventionellen Verträgen ja häufig schon in der vom Auftraggeber beauftragten Planung“, sagt Berghorn. Etwaige Mängel in der Planung, die nicht ausführbar sind, führen dann zu den Konflikten wie Bedenkenanzeigen und Behinderungsanzeigen durch die Bauausführenden. „All das vermeiden wir hier, denn das, was am Ende der zweijährigen Planungsphase erarbeitet worden ist, ist die gemeinsame Planung, das Know-how aller, das da eingeflossen ist.“

Im Partnerschaftsmodell arbeiten alle gegen den Zielpreis

Neu ist auch, dass die Partner am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren. Dazu dient der Zielpreis. Er wird im Zuge der Planungen festgelegt und taxiert die Projektkosten und -risiken. „Wenn der Zielpreis ermittelt ist, gemeinsame Risiken identifiziert worden sind, dann gibt es nur noch ein Interesse, und das ist, die gemeinsam vereinbarten Termine und Kosten einzuhalten“, erklärt Berghorn.

Genau genommen geht dies noch weiter. „Denn im Partnerschaftsmodell arbeiten alle gegen den Zielpreis“, erklärt der Ingenieur. Wenn die Partner ihre Prozesse stetig optimieren, führt das wiederum zu Termin- und Kostenvorteilen. Davon profitieren alle Partner. „,Best for project‘ ist hier das Motto.“ Das schafft Anreize, die gesetzten Ziele zu unterschreiten.

Das erste gemeinsame Etappenziel ist es, die Planfeststellung für den Pfaffensteigtunnel im kommenden April einzureichen. Den Planfeststellungsbeschluss für den Tunnel erwarten Berghorn und sein Team dann Anfang 2026, sodass die Bauarbeiten noch im Jahr 2026 starten könnten.

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