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Konferenz Baukultur

Rückkehr zur Platte oder völliger Verzicht auf Neubau?

Mehr Bauteile und Module aus der Fabrik oder fast nur noch Umnutzung und Sanierung bestehender Gebäude, weil Neubau nicht nachhaltig ist. Die Vorschläge für bezahlbares Bauen gingen bei der Netzwerkkonferenz Baukultur weit auseinander. Doch weitgehend Einigkeit bestand darüber, dass sich viel ändern muss, um schneller und preiswerter bauen zu können.

Die Vorfertigung von Bauteilen in der Fabrik könnte bauen schneller und billiger machen. Doch als alleinigen Weg zum preiswerteren Bauen ist das umstritten.

dpa/Rolf Vennenbernd)

Stuttgart. Für Michael Voigtländer, oberster Immobilienökonom des Instituts der Deutschen Wirtschaft ist klar, dass sich am Bau grundlegendes ändern muss, damit mehr und billiger gebaut werden kann. Denn an den wirtschaftlichen Bedingungen, vor allem den Zinsen, werde sich auf absehbare Zeit nichts zum Besseren entwickeln. Für den IW-Forscher ist klar: „Wir müssen Strukturreformen angehen, um das Bauen billiger zu machen.“

Eine Lösung sieht er darin, dass sich die Baubranche stärker an der Industrie orientieren sollte. „Wir brauchen eine höhere Produktivität in der Bauwirtschaft“, betonte der Wirtschaftswissenschaftler beim Baukultur-Kongress im Stuttgarter Haus der Wirtschaft vor rund 370 Fachbesuchern. Denn diese stagniere seit den 1990er-Jahren.

Standardisierung von Brücken und Sporthallen gefordert

Als Hauptgründe nennt Voigtländer die fehlende Standardisierung am Bau, die zu wenig Skaleneffekte erzeuge und die große Bürokratie, mit zahllosen Normen. Er schlägt deshalb sowohl für Brücken wie auch für öffentliche Gebäude wie Sporthallen eine weitgehende Standardisierung vor. Und auch im Wohnungsbau plädiert Voigtländer für mehr Modul- und Fertigteilbauweise.

Das stößt allerdings vor allem bei Architekten auf Vorbehalte. So verwies die Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg , Susanne Dürr, auf die sozialen Probleme in einheitlich gebauten Großsiedlungen, wie den Vororten von Paris. Solche Fehler dürfe man nicht wiederholen. Und Bezahlbarkeit dürfe nicht das einzige Ziel für den Wandel beim Bauen sein, forderte Dürr. Auch die von Voigtländer vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen, um das Baugeschehen anzukurbeln, stießen im Fachpublikum nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der Immobilienwirtschaftsexperte schlägt etwa vor, die Grunderwerbssteuer zu halbieren. Das könne das Neubauvolumen um zehn Prozent erhöhen.

Zudem sollten von den Förderbanken verstärkt Nachrangdarlehen für Bauherren ausgereicht werden, die ihre Immobilie selbst nutzen. Die könnten als Eigenkapitalersatz dienen, denn daran fehle es vielen Bauwilligen derzeit.

IBA-Intendant will Eigenkapitalzuschuss für gute Ideen

Der Intendant der Internationalen Bauausstellung IBA 27 Region Stuttgart hält eine Förderung mit der Gießkanne allerdings für wenig geeignet, um den Bausektor innovativer zu machen und voranzubringen. „Gebt die 15 Prozent Eigenkapital doch denen, die eine gute Idee haben“, schlug der Schweizer Architekt vor. 15 Prozent Eigenkapital gelten häufig als Untergrenze, um als Bauherr eine Baufinanzierung zu bekommen.

Und manche Projektentwickler und Planer stellen den Neubau als Lösung für Probleme wie den Wohnungsmangel generell infrage. „Ein Neubau kann nie nachhaltig sein“, postulierte Sarah Dungs, Vorsitzende des Verbands für Bauen im Bestand und Geschäftsführerin der Essener Greyfield Group. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Bestandsgebäude in Mittel- und Großstädten zu sanieren und für andere Nutzungen umzubauen.

Bauministerium: Einfamilienhaus hat weiter seine Berechtigung

„Wenn wir eine enkeltaugliche Welt hinterlassen wollen, müssen wir die Transformation weg vom Neubau, hin zum Bauen im Bestand akzeptieren,“ formuliert Dungs ihr Credo. Sie spricht sich klar gegen weitere Flächenversiegelungen durch Baumaßnahmen aus.

So weit will man im baden-württembergischen Bauministerium nicht gehen. Sowohl Ministerin Nicole Razavi (CDU) wie auch ihr Amtschef Christian Schneider plädierten für Neubau und Bestandserhaltung. Und Schneider betonte: „Auch das Einfamilienhaus hat seine Berechtigung.“ Das war in der abschließenden Podiumsdiskussion wegen des Ressourcen- und Energieverbrauchs von Eigenheimen im Vergleich zu Wohnungen in Mehrfamilienhäusern von einigen Teilnehmern durchaus kritisch gesehen worden.

Zehn Jahre Initiative Baukultur

Die Landesinitiative Baukultur wurde vor zehn Jahren gegründet. Die Landesregierung wollte damit eine Plattform für das Thema Baukultur schaffen und den Austausch über die Fachgrenzen hinweg anregen. Zu den wichtigsten Formaten zählt das Netzwerk Baukultur mit den jährlichen Netzwerkkonferenzen, der Staatspreis Baukultur, die Förderung von Gestaltungsbeiräten auf kommunaler Ebene und die Unterstützung regionaler Baukulturinitiativen. Angesiedelt ist die Initiative beim Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen.

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