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Nachgehakt

Alternative Wärmequellen: Rhein und Neckar können Gas und Öl beim Heizen ersetzen

Geothermie für die Wärmeversorgung sei es oberflächennah oder aus der Tiefe, erlebt derzeit einen großen Aufschwung. Doch es gibt auch andere Quellen, die im Zuge der Energiewende in den Fokus von Energieversorgern und Kommunen geraten, die ihre Wärmeplanung vorantreiben müssen. Die wichtigsten sind Flüsse und Seen, Abwasser und die Abluft aus Tunneln.

In Mannheim läuft die erste Flusswärmepumpe seit mehr als einem Jahr. Aus Gewässern lässt sich theoretisch ein großer Teil der benötigten Heizenergie gewinnen.

dpa/Uwe Anspach)

Welche alternativen Wärmequellen gelten als erfolgversprechend?

Da ist an erster Stelle die Nutzung von Flusswärme zu nennen. Denn Fließgewässer sind nahezu flächendeckend in Deutschland verfügbar, auch wenn das Potenzial sehr unterschiedlich ist. Auch große Seen wie der Bodensee könnten in erheblichem Umfang Wärme für die Anliegerkommunen liefern. Auch das Abwasser kann einen deutlichen Beitrag zur Deckung des Wärmebedarfs leisten. Die Technik gilt als erprobt.

Vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten kommt Abwärme aus U-Bahn-, Straßen- und Bahntunneln als Wärmequelle infrage. Hinzu kommt die Abwärme aus der Industrie und anderen Gewerbebetrieben.

Wie groß ist das Potenzial der verschiedenen Wärmequellen?

Mit der Nutzung von Wärme aus Fließgewässern lassen sich einer Studie der TU Braunschweig zufolge rein rechnerisch fast zwei Drittel des gesamten Wärmebedarfs in Deutschland decken. In Stuttgart könnten 82 Prozent des Bedarfs aus dem Neckar kommen, in Karlsruhe und Mannheim stünde dank Rhein und Neckar ein Vielfaches dessen zur Verfügung, was eigentlich benötigt würde. Für den Bodensee wurde das Potenzial bislang nur auf Schweizer Seite ermittelt. Dort wäre das Potenzial acht Mal so hoch wie der gesamte Wärmebedarf der 14 Anliegergemeinden.

Deutlich weniger ergiebig wäre die Nutzung von Abwärme aus Tunneln. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg hat für die Berliner U-Bahn errechnet, dass aus den dortigen Tunneln rund vier Prozent des Fernwärmbedarfs gedeckt werden könnten.

Mit Energie aus dem Abwasser ließen sich nach Angaben der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall zwischen fünf und zehn Prozent des Heizbedarfs decken. Und aus der Abwärme von Gewerbebetrieben könnten in Baden-Württemberg nach einer Studie im Auftrag des Umweltministeriums rund 74 000 Haushalte mit Wärme und Warmwasser versorgt werden.

Welche Projekte sind in Baden-Württemberg bereits verwirklicht oder im Entstehen?

Der Energieversorger MVV Energie hat in Mannheim im Oktober 2023 die erste Flusswärmepumpe am Rhein in Betrieb genommen, eine der größten in Europa. Sie kann rechnerisch 3500 Haushalte mit Fernwärme versorgen. Eine kleinere Anlage zur Versorgung eines neuen Quartiers in Kuppenheim (Kreis Rastatt) will der Karlsruher Energieversorger EnBW an der Murg, dem Fluss, der Kuppenheim durchfließt, voraussichtlich Ende des Jahres in Betrieb nehmen.

Am Bodensee wird derzeit noch geplant. Sowohl in Meersburg, wie auch in Konstanz soll das Seewasser Wärme für Nah- oder Fernwärmenetze liefern. Die Uni Konstanz will ab 2027 rund zwei Drittel ihres Wärmebedarfs mithilfe mehrerer großer Seewärmepumpen decken.

Für die Nutzung von Abwärme aus Tunneln gibt es in Baden-Württemberg aktuell keine Pläne. Ein Pilotprojekt in Stuttgart, das von 2010 bis 2015 lief, wurde nicht weitergeführt.

Auch die Nutzung von Abwasser als Wärmequelle ist im Südwesten noch wenig verbreitet. Die Stadt Tübingen hatte bereits 2008 ein Pilotprojekt gestartet, um eine Schule und ein benachbartes Kinderhaus mit Wärme aus dem Kanal zu versorgen. In Schallstadt (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) werden das Rathaus und ein neues Wohngebiet über ein kaltes Nahwärmenetz mit Wärme aus Abwasser geheizt.

Welche Technologie wird für die Nutzung alternativer Wärmequellen eingesetzt?

In Abwasserkanälen werden meist Wärmetauscher genutzt, doch bei den meisten anderen Wärmequellen kommt der Wärmepumpe eine Schlüsselrolle zu. Das sieht man auch in der Landespolitik so. „Wärmepumpen im XXL-Format werden eine wichtige Rolle spielen als Baustein der Wärmewende“, sagte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) bei der Einweihung der Flusswärmepumpe in Mannheim.

Ausbau der Fern- und Nahwärmenetze erforderlich

Egal welche der alternativen Energiequellen genutzt wird, ist damit stets der Auf- oder Ausbau eines Fern- oder Nahwärmenetzes verbunden. Das treibt die Investitionskosten für die Umstellung der Wärmeversorgung in die Höhe. Denn Fernwärme ist in Baden-Württemberg noch immer ein Nischenprodukt. 2023 wurden nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft nur 5,1 Prozent der Wohngebäude und 8,9 Prozent der Wohnungen mit Fernwärme versorgt. Dabei ist der Anteil der angeschlossenen Häuser gegenüber der letzten Erhebung 2019 sogar gefallen. Damals waren es noch 6,1 Prozent gewesen. Um die Netze so weit auszubauen, dass in 20 Jahren die Zahl der angeschlossenen Häuser in Deutschland verdreifacht werden kann, rechnet das Prognos-Institut mit Kosten von fast 75 Milliarden Euro.

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