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ESG-Richtlinien

Unternehmen wünschen sich Nachhaltigkeit ohne Bürokratie

Der Mittelstand in Baden-Württemberg nimmt das Thema Nachhaltigkeit ernst - doch die Berichtspflichten und weitere staatliche Regulierungen stoßen auf teils heftige Kritik. So mancher Betrieb fühlt sich überfordert. Dabei sieht man durchaus Chancen, wenn es um Umweltschutz und soziale Verantwortung geht.

Visualisierung des ESG-Konzepts.

IMAGO/Zoonar.com/Anastasiia Tori)

WALDKIRCH. „Das Thema ist extrem kleinteilig, unfassbar viele Zahlen, Daten, Fakten, unfassbar viele Regularien“, sagt Kerstin Löffler. Sie ist beim Verpackungshersteller Faller mit 1500 Beschäftigten und Hauptsitz in Waldkirch bei Freiburg fürs Marketing zuständig. Die Rede ist vom Themenkomplex ESG. Das englische Kürzel steht für „Environmental, Social and Governance“.

Gemeint ist damit, dass Umweltgesichtspunkte, soziale Aspekte und Elemente verantwortungsvoller Unternehmensführung als Kriterien für das Management eines Betriebs beachtet werden. Auf Deutsch wird das Ganze oftmals unter dem Begriff Nachhaltigkeit zusammengefasst. Relevant ist ESG für Unternehmen nicht zuletzt, weil die EU das Thema durch Verordnungen stark forciert. „Für uns ist Nachhaltigkeit sehr wichtig“, so Löffler, „aber die damit verbundenen Regularien belasten uns stark.“

Große Mehrheit der Firmen befürwortet mehr Umweltschutz

Was Kerstin Löffler in ihrem Unternehmen erlebt, deckt sich mit den Kernaussagen einer neuen Studie, die der Unternehmensberater und ESG-Experte Felix Zimmermann in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsverband industrieller Unternehmen in Baden veröffentlicht hat. Sie trägt den Titel „ESG Wo stehen wir BW?“ und basiert auf Angaben von mehr als 100 mittelständischen Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Größenklassen.

Die Studie zeigt, dass die Unternehmen die ökologische Transformation, also mehr Umweltschutz, weit überwiegend grundsätzlich positiv bewerten: 55 Prozent der befragten Betriebe sehen diese als zwingend notwendig, weitere 40 Prozent als grundsätzlich sinnvoll an. Allerdings ist die Zustimmung zu den konkreten Regeln, die diese Transformation fördern sollen, erheblich geringer: Nur sieben Prozent der Unternehmen halten die bestehenden Regelungen für zwingend notwendig. Immerhin 61 Prozent halten sie wenigstens für grundsätzlich sinnvoll.

Regulierung belastet stärker als Nachhaltigkeitsmaßnahmen

„Besonders fällt auf, dass sich die Unternehmen durch die Regulierung und bürokratischen Formalitäten stärker herausgefordert fühlen, als durch die Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit selbst“, sagt Zimmermann. Das größte Problem im Zusammenhang mit ESG ist für die Unternehmen nämlich nach eigenen Angaben die Erfüllung der Berichtspflichten gemäß der CSRD-Richtlinie der EU. 65 Prozent der Unternehmen nennen diesen Aspekt. Größere Betriebe sind davon vermehrt direkt betroffen und müssen entsprechende Berichte erstellen und veröffentlichen, kleinere oftmals mittelbar, weil sie den größeren Kunden entsprechende Daten und Informationen zuliefern müssen. Auf Rang zwei der größten Herausforderungen folgt die sogenannte EU-Taxonomie, welche bestimmte Standards bezüglich Nachhaltigkeit vorgibt, aber als verhältnismäßig komplex und schwierig in der Anwendung gilt. Erst auf Platz drei folgt mit der Erreichung der staatlicherseits definierten Klimaziele eine Aufgabe, die einen konkreten Effekt auf die Nachhaltigkeit von Firmen hat.

Was die organisatorische Umsetzung betrifft, setzen 73 Prozent der Unternehmen noch auf Excel, um die nötigen Daten aus den verschiedenen Quellen zusammenzutragen. „Alles in allem fühlen sich, so der Eindruck aus meinen Gesprächen, einige Unternehmen am Rand der Belastbarkeitsgrenze“, so Zimmermann. Es drohe teils „organisatorischer Burn-out“, so sein zugespitztes Fazit.

Firmen sehen Nachhaltigkeit als Chance zur Kostensenkung

Der Berater empfiehlt, möglichst stringent auf Automatisierung und Digitalisierung zu setzen. Im Kern gehe es um effizientes Daten-Handling. Entsprechende IT-Unterstützung könne Entlastung schaffen. „Gewürzt mit KI kann der Aufwand so deutlich reduziert werden“, so Zimmermann. Auffallend sei, dass Verbände und Kammern für viele Betriebe beim Thema ESG ein wichtige Ansprechpartner sind, oft wichtiger als Steuerberater.

Generell wird Nachhaltigkeit indes von Unternehmen weiterhin als Chance begriffen etwa im Hinblick auf den sparsamen Umgang mit Ressourcen und Kostensenkungen sowie auf den Imageeffekt, speziell beim Thema Arbeitgeberattraktivität.

Außerdem kann ESG-Engagement die Finanzierung erleichtern. Steffi Klasser, beim Automobilzulieferer Eto mit Hauptsitz in Stockach und mehr 2100 Beschäftigten fürs Thema Nachhaltigkeit zuständig, berichtet: “Wir haben auf Basis unserer ESG- Anstrengungen und Berichte unseren Bankkredit zu günstigeren Konditionen erhalten.

EU-Richtlinie verpflichtet zu Nachhaltigkeitsberichten

 Die EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive“, kurz CSRD, verpflichtet Unternehmen in der EU, detaillierte Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Zunächst gilt sie für große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, 40 Millionen Euro Umsatz oder 20 Millionen Euro Bilanzsumme. Ab 2026 kommen kleinere börsennotierte Firmen hinzu. Insgesamt sind rund 15.000 Betriebe direkt betroffen. Indirekt betroffen sind auch Zulieferer, da sie zunehmend ESG-Daten liefern müssen, damit ihre berichtspflichtigen Kunden die Anforderungen erfüllen können.

Broschüre zu Berichtspflichten

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