Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Hinweisgeberschutzgesetz greift nicht bei falschen Anschuldigungen
STUTTGART. Wenn Arbeitnehmer Missstände bei ihrem Arbeitgeber öffentlich anprangern oder gar zur Anzeige bringen, sollen sie vor möglichen Repressalien geschützt sein. Dies ist die Grundidee beim Hinweisgeberschutzgesetz, das in Umsetzung einer EU-Richtlinie seit Juli 2023 in Kraft ist. Doch der Schutz hat klare Grenzen – insbesondere dann, wenn Strafanzeigen oder Offenlegungen wissentlich oder leichtfertig falsche Informationen enthalten oder unverhältnismäßig sind. Dann kann dies auch weiterhin zur Kündigung des Arbeitnehmers führen. „Das Gesetz verlangt einen hinreichenden Grund zur Annahme, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen“, erläutert Arbeitsrechtler Sebastian Verstege von der Düsseldorfer Arbeitsrechtskanzlei Kliemt.
Ehrverletzende Anschuldigungen gegen Kollegen und Vorgesetzte erhoben
Ein aktueller Fall am Landesarbeitsgericht Sachsen verdeutlicht dies. Ein Beschäftigter hatte mehrere haltlose Strafanzeigen gegen seinen Arbeitgeber sowie Vorgesetzte und Kolleginnen eingereicht. Die Vorwürfe reichten von Vorteilsnahme bis Körperverletzung, hatten jedoch nach Überzeugung des Gerichts keinerlei rechtliche oder tatsächliche Grundlage. Parallel dazu informierte der Arbeitnehmer Dritte, der in einem kommunalen Bäderbetrieb beschäftigt war, über die laufenden Strafanzeigen und erhob öffentlich ehrverletzende Anschuldigungen gegen Vorgesetzte und Kollegen.
Das Gericht entschied ( Aktenzeichen 4 Sa 245/23 ), dass der Arbeitgeber angesichts der Vielzahl und Schwere der Vorwürfe das Arbeitsverhältnis fristlos beenden durfte. „Kritik ist erlaubt, aber sie unterliegt der Rücksichtnahmepflicht“, betont Verstege. Der Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes greife in solchen Fällen nicht, da der Kläger keinen Grund zur Annahme hatte, dass seine Anschuldigungen der Wahrheit entsprachen.
Entscheidend bleibe bei der Beurteilung solcher Fälle eine sorgfältige Abwägung der Interessen, so der Jurist. Unverhältnismäßige Handlungen, die auf eine Schädigung des Arbeitgebers abzielen, können auch weiterhin als erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten gelten und eine Kündigung rechtfertigen.
Mitarbeiter, die mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit treten, müssen sich dessen bewusst sein. Unternehmen wiederum sollten Hinweise aus der Belegschaft gründlich und systematisch prüfen, um berechtigte Vorwürfe nicht pauschal abzuwehren.