Interview: Stuttgarter Flughafenchef Ulrich Heppe

„Es gibt eine Chance auf Direktflüge in die USA“

Ulrich Heppe ist seit Februar 2023 Geschäftsführer des Stuttgarter Flughafens. Im Interview spricht er über mehr Direktverbindungen, die Flugverkehrssteuer und wie das Unternehmen bis 250 klimaneutral werden will.

Ulrich Heppe leitet seit 2023 den Stuttgarter Flughafen und will ihn 2026 wieder in die Schwarzen Zahlen bringen.

Achim Zweygarth)

Der Flughafen Stuttgart hat mal 12,7 Mio Fluggäste gehabt, dann kam der Einbruch mit Corona, 2023 lag man bei 8,2 Millionen, wohin geht der Trend?

Es werden in 2024 mehr als neun Millionen Fluggäste sein, das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ist das beachtlich. Das Mobilitätsbedürfnis ist im Wandel. Was im Flugplan fehlt, sind die innerdeutschen Verbindungen. Dieser Verkehr verlagert sich auf die Schiene. Nur sind Bahnfahrten nach Berlin oder Hamburg für Geschäftsreisen zu lang. Darüber hinaus haben wir die Anbindungen an die großen Drehkreuze in Frankfurt und München.

Stuttgart war eine Zeit lang ein Drehkreuz für Billigflieger, wird des diese Entwicklung wieder geben?

Der Low-Cost-Traffic mit Lauda Air, Ryanair oder EasyJet ist schon unabhängig von Corona vorher verschwunden, weil ihnen die Kosten in Deutschland zu hoch waren. Stuttgart hat aber die Wizz Air zurückgewonnen, die ein großartiges Netz vor allem nach Osteuropa hat. Das Billigfliegen wie in den 2000er-Jahren gibt es nicht mehr. Und das ist auch gut so, nicht zuletzt auch aus ökologischen Gründen.

Verdient ein Flughafen an eine Fluglinie wie Ryanair überhaupt etwas?

Als wirtschaftliches Unternehmen müssen wir natürlich profitabel sein. Wir können es uns nicht leisten, Verkehr zu kaufen. Wenn Airlines starten und landen, müssen wir die Kosten für unsere Infrastruktur erlösen.

Früher konnte man von Stuttgart aus nach New York fliegen. Jetzt ist sogar Delta Air mit Atlanta nicht mehr da. Kommt die USA als Zielort für Flüge von Stuttgart wieder ins Programm?

Mit Sicherheit. Wir waren sehr froh über den Direktflug, der stark von der US-Community in der Region und aus der Wirtschaft nachgefragt wurde. Ich habe persönlich in den USA mit dem Senior Management von Delta gesprochen. Der Flug war profitabel, aber Delta kann mit einem Flugzeug in Südeuropa aktuell 30 Prozent mehr verdienen. Das hat nichts mit Stuttgart zu tun, aber die Airlines wollen in dem Markt wachsen, in dem sie mehr verdienen.

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Gibt es eine Chance auf einen USA-Direktflug von Stuttgart aus?

Die gibt es. Es mangelt derzeit an Flugzeugen, wegen Lieferschwierigkeiten bei den Herstellern. Wenn wieder ausreichend Fluggerät vorhanden ist, wird Stuttgart auch wieder in den Fokus kommen. Die Nachfrage ist da. Der Gamechanger wird der Airbus 321 XLR, ein Schmalrumpf-Flieger mit extra hoher Reichweite. Spätestens wenn die entsprechenden Airlines diese Flugzeuge bekommen, wird Langstrecke ab Stuttgart wieder ein Thema sein.

Sie waren vor Ihrem Job hier in Stuttgart bei Fraport in Frankfurt, aber auch in Indien bei Adani. Was können wir von den Indern lernen?

In Indien ist man extrem schnell in der Planung und in der Umsetzung. Die Mitarbeiter sind unwahrscheinlich fleißig, auch am Wochenende, vom Management bis zum einfachen Arbeiter. Einfach mal machen, nicht immer alles zu Tode analysieren, das war schon beeindruckend.

Es gibt politische Bestrebungen, mit Abgaben und Steuern Flüge zu verteuern, spielt das eine Rolle?

Das ist ein großer Standortnachteil für Deutschland. Bei den Flughafenentgelten sind wir wettbewerbsfähig. Stuttgart ist ohnehin sehr preiswert. Auch im Vergleich in Europa. Der große Unterschied sind die staatlich indizierten Kosten wie die Luftverkehrssteuer. Wir haben hier in Deutschland die höchsten Abgaben, viele Länder haben diese überhaupt nicht. Auch die Gebühr für die Flugsicherung ist deutlich höher. Und die Luftsicherheitsgebühren der Bundespolizei für die Sicherheitskontrollen sind um über 100 Prozent gestiegen seit dem Jahr 2019.

Was wäre Ihre Forderung an die Politik, vielleicht auch schon an die neue Bundesregierung?

Schweden hatte bis vor Kurzem eine Luftverkehrsabgabe. Dort hat man gesehen, wie die Konnektivität des Landes dadurch abgenommen hat. Die neue Regierung hat sie wieder abgeschafft, weil die Wirtschaft darunter gelitten hat. Prompt gab es neues Fluggerät, neue Verbindungen, und die Wirtschaft profitiert davon.

Die Umsätze lagen zuletzt 269,5 Mio mit einem Verlust von 13,6 Mio Euro in 2023, kommt die Schwarze Null?

Ja, wir gehen in Richtung Profitabilität. In diesem Jahr wird es noch nicht ganz gelingen, aber spätestens 2026 werden wir wieder schwarze Zahlen schreiben.

Wo sind für den Stuttgarter Flughafen aktuell größere Investitionen geplant, braucht es eine zweite Landesbahn?

Die Infrastruktur ist ausreichend. Wir benötigen keine zweite Landebahn. Früher ging man von kleineren Flugzeugen und dadurch mehr Bewegungen aus. Die Flugzeuge werden aber immer größer, die Diskussion ist vom Tisch. In den nächsten Jahren werden wir viel Geld investieren, um unsere Betriebsgebäude energetisch zu sanieren, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Die größte Summe braucht es für die Terminals

Der Vorgänger Walter Schoefers hat tiefe Spuren hinterlassen. Was hat Sie motiviert, seine Nachfolge anzutreten?

Der Airport als „Fairport“, das finde ich spannend. Nachhaltigkeit und Fliegen zu vereinbaren, das ist eine tolle Herausforderung. Es hinzubekommen, 2040 komplett NetZero zu sein und 2050 klimaneutral, das reizt mich. Stuttgart ist auch ein hervorragender Standort mit einem Einzugsbereich von 19 Millionen Passagieren in einem wirtschaftsstarken Bundesland. Außerdem mag ich Baden-Württemberg

Was steht in diesem Jahr an Zielen und für den Flughafen an?

Wir sprechen mit allen Airlines, es gibt Destinationen wie Madrid, Brüssel oder Dublin, für die es hohe Nachfrage gibt, und die bislang noch nicht bedient werden. Unsere Klima-Stategie STRzero nimmt Fahrt auf. Neben der energetischen Sanierung wollen wir unsere Solarflächen mehr als verzehnfachen. Es geht auch um Unternehmenskultur, wir wollen einen „Great Place to Work“ schaffen. Bei den Ergebnissen unserer Mitarbeiterbefragungen verbessern wir uns kontinuierlich – gar nicht so einfach, wenn man auch morgens um 3 Uhr bei Schneefall arbeiten muss.

Das Gespräch führte Rafael Binkowski.

Zur Person

Ulrich Heppe ist seit Februar ist er Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH, nachdem er seit März 2022 als Geschäftsführer Aviation tätig war. Sein Mitgeschäftsführer Carsten Poralle leitet den Non-Aviation-Bereich. Zuvor sammelte Heppe Erfahrungen in leitenden Positionen bei Flughäfen und Flughafenbetreibern weltweit, darunter in Indien, Bulgarien, Senegal und Saudi-Arabien. Heppe studierte Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth.

Auf absehbare Zeit soll es von Stuttgart auch wieder Direktflüge in die USA geben.
Chefredakteur Rafael Binkowski im Gespräch mit dem Stuttgarter Flughafenchef Ulrich Heppe in seinem Büro im Verwaltungsgebäude auf den Fildern.

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