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„Die Stimmung hat sich über Jahre aufgestaut“
Peter Haas: Der Frust über die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist groß. Das ist aber nicht über Nacht gekommen, sondern eine Stimmung, die sich über Jahre aufgestaut hat. Und jetzt hat sich das vor dem Hintergrund der Bauernproteste Bahn gebrochen. Auch wenn die Betriebe meist noch gut zu tun haben, ist das Bauchgefühl ähnlich. Viele unserer Betriebe empfinden: Es ist richtig, dass mal jemand laut wird und sagt, so geht es nicht weiter.
Sie sagen Bauchgefühl, was heißt das konkret?Ich habe mit einem sehr erfolgreichen Handwerksunternehmer gesprochen, der eine tolle Arbeitgebermarke aufgebaut hat, der ausgelastet ist auf Monate. Sogar er fragt sich jetzt, was der Preis dafür ist. Er arbeite sieben Tage die Woche. Er habe kein Familienleben, er mache alles für die Firma. Seine Kinder sagen, das werde ich bestimmt nicht machen, das heißt, auch die Nachfolgefrage stellt sich. Ihm werden als Chef so viele bürokratische Pflichten, komplizierte Steuergesetzgebungen und Kostenentwicklungen auferlegt, dass unter dem Strich nicht viel übrig bleibt, wie man bei so viel Fleiß verdient hätte. Da ist es schon nachvollziehbar, wenn er sich nun fragt, warum er sich das antut.
Der Frust scheint sich offenbar an einer verfehlten Politik festzumachen?Es fehlt an Wertschätzung für das Unternehmertum. Wir beklagen seit vielen Jahren, dass politische Mandatsträger nicht mehr so viel Kompetenz im Bereich Wirtschaft haben, sodass sie kaum einschätzen können, was es bedeutet, ein Unternehmen zu gründen und zu führen. Vieles, was in der Wirtschaft passiert, wird als selbstverständlich angesehen. Nach dem Motto: „Diejenigen, die arbeiten, die verdienen das Geld, und wir Politiker können ihnen dann nach und nach alles auferlegen, was wir für richtig halten, um die Welt zu verbessern. Die geringe Wertschätzung zeigt sich auch in einem mangelhaften Dialog. Es wird reguliert, ohne die Betroffenen zu fragen. Wenn man Lieferkettengesetze erlässt und sagt, das gilt nur für Großunternehmen, ohne zu wissen, dass die Pflichten dann aber an die Kleinen durchgereicht werden, dann führt das zu eben diesem Gefühl, nicht mehr verstanden und gehört zu werden.
Technologiekonzerne wie Bosch bauen plötzlich in großem Stil Arbeitsplätze ab. Sie warnen, dass die Deindustrialisierung auch im Handwerk spürbar ist.Wir haben im Metallgewerbe eine ganze Reihe von Betrieben in der Zulieferkette für die Automobilindustrie und den Maschinenbau. Die spüren die Transformation im Auftragsbestand unmittelbar. Es gibt aber auch indirekte Auswirkungen. Wenn die großen Automobilisten und Maschinenbauer im Land zu Tausenden Beschäftigte entlassen, dann drückt das auf den Konsum und auf die Investitionen ins eigene Häusle. Also vom Bäckerbrötchen übers Grillfleisch bis hin zur Heizungserneuerung – wenn es der Industrie nicht gut geht, sind immer auch alle anderen Wirtschaftszweige betroffen.
Was müsste man anpacken, um für den Standort neue Impulse zu setzen?Im Wohnungsbau haben wir mit sieben weiteren Organisationen gemahnt, dass das Land die Grunderwerbsteuer absenken oder für eine Zeit aussetzen müsste. Auch, wenn der Finanzminister Angst um sein Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer hat – die Steuer bekommt er ja ohnehin nur, wenn gebaut oder verkauft wird. Wenn nichts passiert, gibts auch keine Einnahmen. Impulse könnten auch Förderprogramme setzen. Nehmen wir nur mal die Elektromobilitätsförderung, die wurde kurz vor Weihnachten gestrichen. Das wieder auf den Weg zu bringen, wären kurzfristige Maßnahmen. Längerfristig wirkt das, was wir gerade in der Entlastungsallianz versuchen, nämlich Bürokratie abzubauen.
Bürokratie abzubauen, das ist ja mittlerweile eine alte Forderung.Über ein Jahr ist es her, dass wir einen offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann geschrieben haben. Im letzten Sommer haben wir dann die Entlastungsallianz unterschrieben und im Dezember haben wir mit der konkreten Arbeit begonnen. Wir sammeln jetzt Maßnahmen, die Anfang Februar von der Landesregierung beschlossen werden sollen.
Sie fordern, auch beim Staatsapparat selbst müsse man sparen. Was steckt dahinter?Es gibt Zahlen, die zeigen, dass die Stellen in den Ministerien allein in den beiden Legislaturperioden 2011 bis 2021 um über 1000 Stellen angewachsen sind. Ich stelle infrage, dass das in dem Maße geschehen ist, wie es notwendig war, um entsprechend Staatsaufgaben zu übernehmen. Der Staat ist sehr auskömmlich mit Personal versorgt. Und ich rede nicht über Lehrerstellen, Polizisten oder Bauämter in den Rathäusern, sondern von Bürotätigkeiten im Apparat der Landesinstitutionen. Wenn es ans Sparen gehen muss, würden wir auch da mal klare Zeichen erwarten.
Das Gespräch führte
Wolfgang Leja