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Energiewende

Die Erdwärmebranche erwartet einen Boom im Südwesten

Tiefengeothermie könnte nach Ansicht von Vertretern der Branche eine wesentliche Rolle für die Wärmewende spielen. In Baden-Württemberg sind nach Jahren des Stillstands nun 16 neue Projekte in der Vorbereitung.

Bis die derzeit laufenden Untersuchungen für neue Tiefengeothermieanlagen in Bohrungen nach Thermalwasser münden, werden vielerorts noch mehrere Jahre vergehen.

IMAGO/Thorsten Gutschalk)

Karlsruhe/Freiburg. Das Wort Boom fällt derzeit im Wochentakt, wenn es um Geothermie geht. Vor einer Woche hatte der Mitgründer der Karlsruher Vulcan Energy, Horst Kreuter, bei einer Onlinekonferenz vor Medienvertretern von einer „exponentiellen Entwicklung“ in Deutschland und einem Boom speziell am Bodensee gesprochen. Am Wochenende schloss sich Bundeskanzler Olaf Scholz an. „Jetzt gibt es einen neuen Boom“, sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampfbesuch in einer Anlage von Vulcan in Landau (Rheinland-Pfalz).

In Baden-Württemberg gibt es tatsächlich ein deutlich gewachsenes Interesse daran tiefe Geothermie zu nutzen. Derzeit sind nach Angaben des Regierungspräsidiums Freiburg, bei dem das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau angesiedelt ist, 16 Erlaubnisse für die Erkundung von heißen Thermalwässern in Tiefen unterhalb von 400 Metern erteilt worden. Denn auch die vorbereitenden Untersuchungen für Erdwärmebohrungen müssen bergrechtlich genehmigt werden. Weitere Anträge liegen laut Regierungspräsidium aktuell nicht vor.

16 neue Projekte im Südwesten in der Vorbereitungsphase

Geografisch sind die Geothermieaktivitäten sehr ungleich im Land verteilt. Denn nur am Oberrhein und in Oberschwaben südöstlich der Donau sind die Voraussetzungen für die Nutzung von Erdwärme ideal, weil die Temperatur im Untergrund deutlich höher ist als im Landesdurchschnitt. 14 der bewilligten Projekte zur Aufsuchung liegen im Rheintal zwischen Basel und Mannheim, eines im Raum Ravensburg und eines in Biberach.

Alle neuen Tiefengeothermieprojekte im Südwesten sollen zur Wärmeversorgung genutzt werden. Die aus dem Thermalwasser gewonnene Heizenergie soll in Nah- und Fernwärmenetze benachbarter Kommunen eingespeist werden. Zum Teil werden regionale Energieversorger wie etwa die Badenova im Raum Freiburg oder die Technischen Werke Schussental in Ravensburg bei der Erdwärme selbst aktiv, zum Teil setzen Städte und Gemeinden oder Stadtwerke auf Kooperationen mit Geothermie-Spezialisten wie Vulcan oder der Deutschen Erdwärme oder mit der EnBW.

Stromerzeugung ist nur ein Nebenprodukt

Der Energiekonzern nahm 2009 in Bruchsal das erste Geothermiekraftwerk des Landes in Betrieb. Das dient zunächst ausschließlich der Produktion von Strom, versorgt aber seit 2019 das benachbarte Polizeipräsidium mit Nahwärme. Bruchsal ist auch die einzige Tiefengeothermieanlage, die im Südwesten derzeit in Betrieb ist.

Die Stromerzeugung ist aus Sicht der Geothermieexperten aber eher ein Nebenprodukt. Denn aus 10 Megawatt Wärme ließen sich nur 1,4 Megawatt Strom erzeugen, rechnete Kreuter vor. Bei Nutzung für das Heizen von Gebäuden stünden dagegen noch etwa 90 Prozent der Energie nach dem Abzug von Leitungsverlusten zur Verfügung. Daher sollte Strom vor allem aus überschüssiger Erdwärme gewonnen werden.

Große Konzerne wollen die Geothermie für Fabriken nutzen

Der Beitrag zur Wärmewende könnte riesig sein. „„Geothermie kann über die Hälfte des deutschen Wärme- und Kältebedarfs decken“, erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Geothermie Gregor Dilger. Und Tiefengeothermie sei anders als viele andere erneuerbare Energien grundlastfähig.

Inzwischen interessieren sich nicht nur Kommunen für die Wärme aus dem Erdinneren, sondern auch große Unternehmen. Daimler Truck hat mit der EnBW ein Joint Venture gegründet, um den Standort Wörth westlich von Karlsruhe künftig mit Erdwärme zu versorgen. Und Vulcan arbeitet mit dem Chemieriesen BASF zusammen, um für den Stammsitz in Ludwigshafen Dampf aus Geothermie zu liefern.

Doch der Boom hat noch einen anderen Grund. Aus den Thermalwässern aus der Tiefe soll Lithium gewonnen werden, Grundstoff für Batterien und Akkus. Für alle neuen Projekte, mit Ausnahme von Biberach, wurde die Förderung von Lithium beantragt.

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