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„Energiesprong“ soll die Sanierung im Gebäudesektor ankurbeln
Tuttlingen/Tübingen. Die Chiron-Siedlung in Tuttlingen gilt als ein Vorzeige-Projekt, das über die Landesgrenzen hinaus auf Interesse stößt. Die Tuttlinger Wohnbau hat dort in den vergangenen Monaten eines der ersten Projekte zum seriellen Sanieren in Baden-Württemberg umgesetzt. Zehn Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 55 Wohnungen bekamen neue Holzfassaden, die in einer Fabrik vorgefertigt wurden. Ein ähnliches Projekt, allerdings nur mit einem Wohnhaus, hatte im vergangenen Jahr die Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Tübingen abgeschlossen.
Digitale Planung wird mit industrieller Fertigung kombiniert
In Tuttlingen wird durch die serielle Sanierung, in deren Rahmen auch Wärmepumpenheizungen und Solaranlagen installiert wurden, der Energieverbrauch der Häuser um 60 Prozent und der CO 2 -Ausstoß um 70 Prozent reduziert. Das Wohnungsunternehmen, an dem neben der Stadt auch mehrere ortsansässige Unternehmen beteiligt sind, sieht in der Chiron-Siedlung ein „wegweisendes Modell für zukünftige Sanierungsprojekte“, wie es in einem Beitrag auf der Plattform LinkedIn heißt.
In Tuttlingen wurde die serielle Sanierung nach dem „Energiesprong-Prinzip“ geplant und umgesetzt. Das in den Niederlanden vor rund einem Jahrzehnt entwickelte Modell kombiniert digitale Planung mit Vorfertigung und standardisierten Prozessen.
Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat Energiesprong 2017 nach Deutschland gebracht und propagiert es als Mittel, um die Sanierungsquote in Deutschland zu erhöhen. Denn längerfristig erwarten Experten durch digitale Planung, die Vorfertigung der Bauelemente und die standardisierten Bauprozesse Kosteneinsparungen. Zudem könne damit der Fachkräftemangel am Bau ein Stück weit kompensiert werden, heißt es bei der Dena.
Verfahren spiel im Südwesten noch keine große Rolle
Nach Einschätzung des Verbandes baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (VBW), der die meisten kommunalen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften vertritt, spielt die serielle Sanierung momentan noch keine entscheidende Rolle. „Das liegt auch daran, dass die Sanierungskosten bei der seriellen Sanierung noch hoch sind und der Zeitvorteil nur dann zum Tragen kommt, wenn nicht gleichzeitig auch Badsanierungen, Strangsanierungen oder Zentralisierung anstehen“, erklärt eine Verbandssprecherin auf Anfrage.
Es gebe zwar eine Reihe von Bauunternehmen, die serielle Sanierungen anbieten, aber die Nachfrage danach sei nur gering. Beim VBW geht man davon aus, dass sich das nach Abschluss der derzeit laufenden Pilotprojekte ändern dürfte und dann auch die von der Dena prognostizierten Vorteile bei Kosten und Sanierungsdauer zum Tragen kommen.
Ein Drittel aller Gebäude für serielle Sanierung geeignet
Die Bundesregierung sieht serielles Sanieren als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz im Gebäudesektor. Seit 2023 gibt es über die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) einen Bonus für serielles Sanieren. Danach werden 15 Prozent der Baukosten durch einen Tilgungszuschuss oder einen direkt ausgezahlten Zuschuss von der KfW gedeckt.
Und der Bonus hat laut Dena rasch gewirkt. Der Anteil serieller Sanierungen sei in den ersten Monaten des vergangenen Jahres von zwei auf 16 Prozent gestiegen. In den ersten vier Monaten seien bundesweit über 100 Projekte mit einer Fördersumme von rund 80 Millionen Euro beantragt worden.
Das Konzept passt allerdings nicht für jedes Gebäude. „Geeignet sind Gebäude mit einfacher Kubatur, zwei- bis dreigeschossiger Höhe, mit gut zugänglichen Grundstücken, idealerweise noch ohne Wärmedämmverbundsystem“, erklärt die VBW-Sprecherin. Denn Fassaden mit vielen Vor- und Rücksprüngen erschweren die Vorfertigung, weil dadurch viele unterschiedliche Fassadenelemente benötigt würden. Die Dena geht davon aus, dass etwa 30 Prozent der Gebäude in Deutschland für eine serielle Sanierung mit vorgefertigten Fassadenelementen in frage kommen.