Energieintensive Industrie hadert mit Strompreisen

Die Netzbetreiber haben ihre Netzentgelte erhöht. Das trifft die energieintensive Industrie. Etwa die Badischen Stahlwerke in Kehl. Sie rechnen mit Mehrkosten in Millionenhöhe. Die hohen Strompreise sind nicht nur ein Nachteil im internationalen Wettbewerb. Sie könnten auch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft bremsen.

Für die Industrie sind die hohen Stromkosten im internationalen Wettbewerb eine große Belastung.

Kehl . Markus Menges, der Chef der Badischen Stahlwerke, ist enttäuscht: Sein Unternehmen, das die Bauwirtschaft mit Betonstahl versorgt, hat viel Geld in die grüne Transformation investiert. „Dafür werden wir jetzt doppelt bestraft: Wir bekommen keine Subventionen, weil wir den Betonstahl mit Strom produzieren und müssen gleichzeitig höhere Stromkosten zahlen“, kritisiert er.

Das Werk in Kehl gilt als eines der größten Elektrostahlwerke Deutschlands. Dort wird Stahl nicht wie üblich aus Eisenerz und Koks hergestellt, sondern aus Stahlschrott. Der wird recycelt und im Elektroofen mithilfe von Strom zu neuem Stahl eingeschmolzen. Dadurch emittieren die Badischen Stahlwerke nach eigenen Angaben rund 80 Prozent weniger CO 2 pro Tonne produziertem Stahl als klassische Betriebe mit Hochofen.

Entgelte für die Netznutzung verdoppeln sich

Der Nachteil: Es braucht viel Strom. Da die Bundesregierung jedoch den Zuschuss zur Stützung der Netzentgelte in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gestrichen hat, wird der teurer. Laut Menges führt dies zu einer Verdoppelung der Netzentgelte von im Schnitt 3,12 Cent auf 6,43 Cent je Kilowattstunde. Die Stahlwerke rechnen so mit Mehrkosten von rund 18 Millionen Euro. „Wogegen wir uns wehren, ist, dass herkömmliche Stahlwerke mit hohen Subventionen auf eine klimafreundlichere Produktion umgerüstet werden – wir dagegen mit hohen Zusatzkosten für die strombasierte Stahlproduktion bestraft werden“, sagt Menges.

Jürgen Udwari , Sprecher der Energieintensiven Industrien Deutschlands, sieht die höheren Netzentgelte kritisch. „Unsere Unternehmen halten das – ein wenig überspitzt formuliert – für einen weiteren Sargnagel.“ Die Strompreise für Branchen wie Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl seien aktuell um ein Mehrfaches höher als vor Beginn des Ukrainekriegs. Während sie für Industriebetriebe mit geringem Verbrauch nur moderat stiegen (siehe Grafik), sind energieintensive Betriebe viel härter getroffen. Der Preis hänge sehr stark vom Jahresverbrauch ab. Und der liege bei Energieintensiven bei über 20 Millionen Kilowattstunden, sagt Udwari .

Eigentlich hatte die Bundesregierung für Entlastung sorgen wollen und die Stromsteuern um rund drei Milliarden Euro gesenkt. „Das hilft uns aber nicht“, sagt Udwari . „Wir waren bisher schon mehr oder weniger von der Stromsteuer ausgenommen.“ So machen die hohen deutschen Strompreise den hiesigen Unternehmen gerade im internationalen Wettbewerb zu schaffen. „Sie sind vier bis fünfmal so hoch wie in den USA, sagt Udwari . Selbst Belgien und Frankreich hätten deutlich günstigere Industriestrompreise.

„Unsere Unternehmen sind da schon sehr im Blues“

Doch Besserung ist nicht in Sicht. „Das Vertrauen, dass die Strompreise in den nächsten Jahren sinken, ist verschwunden. Unsere Unternehmen sind da schon sehr im Blues“, sagt Udwari . Der Ausbau der Erneuerbaren habe zwar an Tempo gewonnen, aber man sei immer noch nicht auf dem Pfad, den man eigentlich erreichen müsste. Den Atomausstieg halten die energieintensiven Unternehmen daher für einen Fehler. „Wir hätten uns gewünscht, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, bis ausreichend Angebot im Markt ist.“

Zumal die Stahlindustrie für ihre Transformation hin zu grünem Stahl wesentlich mehr Strom brauchen wird. Nun wackeln auch diese Pläne. „Ohne wettbewerbsfähige Strompreise werden die Unternehmen nicht das Geld verdienen können, das sie brauchen, um die dafür nötigen Investitionen zu stemmen“, sagt Udwari .

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