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Die geplante Aufrüstung wirkt als Jobmotor nur begrenzt

Das Flugabwehr-System Iris-T wird von Diehl Defence am Bodensee produziert, einem der großen Rüstungsunternehmen in Baden-Württemberg.
dpa/Chris Emil Janssen)Stuttgart. „Das wird ein wichtiger Bereich werden, der an Volumen enorm zunimmt,“ hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor wenigen Tagen in der Landespressekonferenz auf die Frage nach dem künftigen Stellenwert der Rüstungsindustrie geantwortet. CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hofft, dass in der Industrie der Zuwachs bei der Rüstung den Jobabbau im Autobereich teilweise kompensieren könnte.
Auch wenn in Baden-Württemberg mit Heckler & Koch aus Oberndorf im Nordschwarzwald, Diehl Defence aus Überlingen am Bodensee oder dem französischen Technologiekonzern Thales mit Standorten in Ditzingen bei Stuttgart und Ulm einige bekannte Namen der Branche ansässig sind, ist der Beitrag zur Wertschöpfung und dem Arbeitsmarkt begrenzt. Das Wirtschaftsministerium spricht von 14.500 Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie. Mit allen Zulieferern sind es nach Schätzungen laut Hoffmeister-Kraut rund 42.000.
120 Unternehmen mit Rüstungsgeschäft erfasst
Wie viele Firmen sich im Südwesten direkt mit der Produktion von militärischem Gerät beschäftigen oder als Zulieferer tätig sind, ist statistisch nicht erfasst. Die in Tübingen ansässige Informationsstelle Militarisierung hat in ihrem Rüstungsatlas Baden-Württemberg 120 Unternehmen an 70 Standorten im Land erfasst. Die Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2017 und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Denn der aus der Friedensbewegung und dem linksalternativen Milieu entstandene Verein hat für den Atlas nur Firmen erfasst, „die aktiv mit ihrem militärischen Produktportfolio werben“.
De r Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) veröffentlicht keine Zahlen dazu, wie viele Unternehmen in der Branche tätig sind. Die Unklarheiten mögen auch damit zusammenhängen, dass die Definition, was ein Rüstungsunternehmen ist, unscharf ist, vor allem wenn es um Dual-Use-Produkte geht, die militärisch, aber auch zivil genutzt werden können. Kaum jemand würde etwa auf die Idee kommen, Daimler Truck als Rüstungskonzern zu bezeichnen, obwohl der „Defence Bereich“ nicht völlig unbedeutend im Portfolio ist und ausgebaut werden soll, wie der Konzern jüngst erklärte.
IG-Metall-Chefin sieht nur geringen Effekt am Arbeitsmarkt
Zur Frage, wie viele neue Jobs durch die geplante drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben entstehen könnten, gibt es ganz unterschiedliche Zahlen und Einschätzungen. Ein Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hatte kürzlich errechnet, dass bundesweit rund 200.000 neue Stellen entstehen könnten, wenn Deutschland seine Verteidigungsausgaben schuldenfinanziert von zwei auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern würde. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf die Bundeswehr selbst und die Bauwirtschaft. Armin Papperger, Chef des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, sieht seine Branche gar als „Jobmaschine.“
Doch Baden-Württembergs IG-Metall-Chefin Barbara Resch gibt sich eher zurückhaltend: „Durch den Hochlauf der Verteidigungsausgaben entstehen sicherlich neue Arbeitsplätze in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Doch ich halte es für illusorisch, dass dieser Aufbau den Abbau in der Automobilindustrie auffangen kann, denn die beiden Branchen sind von ihrer Größenordnung sehr verschieden.“
Rüstungsbranche in der Metallindustrie eher untergeordnet
Mit den geschätzt 14.500 Jobs, die in Baden-Württemberg der Rüstungsindustrie zugerechnet werden, spielt die Branche innerhalb der Metall- und Elektroindustrie nur eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben des Arbeitgeberverbands Südwestmetall beschäftigt die Branche im Südwesten rund 980 000 Mitarbeiter und ist damit der stärkste Industriezweig im Land. Alleine der Maschinenbau und die Autoindustrie stehen dabei für mehr als die Hälfte der Jobs.