Projektsteuerer Hans Sommer

Ein halbes Jahrhundert lang prägte er Deutschlands bekannteste Bauprojekte

Mit drei Ingenieuren fing alles an. Mittlerweile arbeiten 6500 Mitarbeiter beim Stuttgarter Planungs-, Beratungs- und Managementunternehmen Drees & Sommer. Heute betreuen sie an 63 Standorten ein Bauvolumen von über 100 Milliarden Euro jährlich. Hans Sommer, einer der drei Männer der ersten Stunde, ist ein Tüftler, Optimierer und Pionier wie er im Buche steht. Am Mittwoch wurde er für sein Lebenswerk mit dem Gründerpreis der Sparkassen ausgezeichnet. 

Mit 82 Jahren weiß Hans Sommer immer noch, was in seinem Unternehmen läuft. Mittlerweile kann er auf rund 6500 Projekte zurückblicken, die seit den Anfängen des Ingenieurbüros im Jahr 1971 umgesetzt wurden.

TOM MAURER PHOTOGRAPHY)

Stuttgart . „Von der Neigung her hätte ich auch gut eine Laufbahn als Hippie machen können“, sagt Hans Sommer und lacht. Er sitzt im OWP13, einem der Bürogebäude in Stuttgart-Vaihingen, das er 1990 entwickelt und gebaut hat. „Aber auf der anderen Seite hat es mir immer Spaß gemacht, neue Sachen anzugehen“, sagt er.

Sommer ist ein Tüftler und Optimierer par excellence. Ein Mann, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang die prominentesten Bauprojekte in Deutschland mitgeprägt hat: Der Potsdamer Platz in Berlin, das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart, die Daimler Zentrale in Möhringen oder die Trassenplanung für Stuttgart 21 tragen seine Handschrift.

Sparkassenpräsident Matthias Neth würdigte bei der Verleihung des Gründerpreises am Mittwoch den Einsatz Sommers für eine nachhaltigere Bauweise: „Als Ingenieur waren Sie früh auf der Suche nach ganzheitlichen Lösungen“, sagte Neth. „Sie haben Gebäude geschaffen, die architektonisch begeistern, aber auch energieeffizient und funktional sind – Räume, in denen Menschen gerne zusammenarbeiten und in denen also im doppelten Sinne das Klima stimmt.“ Auch für die Sparkassen im Land hat Sommer zahlreiche Bauvorhaben begleitet.

Angefangen hat alles im Jahr 1971. Damals stieß Sommer mit 30 Jahren zum Ingenieurbüro Drees, Kuhne und Partner hinzu. Drei Einzelkämpfer. Jeder wickelt seine Projekte ab. Über 50 Jahre später ist daraus ein Flaggschiff der deutschen Ingenieurlandschaft geworden. Die 900-Millionen-Euro–Grenze beim Umsatz ist längst gerissen.

Sommer ist dieser Erfolg nicht zu Kopf gestiegen. Unter seinen Mitarbeitern gilt er als nahbar, ohne Allüren oder Arroganz, aber stets neugierig. „Geld ist für mich keine Motivation. Das hat mich noch nie interessiert“, sagt er. „Es war auch nie mein Ansatz, viele Milliarden Umsatz machen zu wollen. Im Gegenteil, ich wollte ursprünglich gar nicht, dass wir schnell wachsen, weil mir klar war, dass man dann selbst nicht mehr das machen kann, was man gerne machen möchte.“ Nämlich tüfteln, nach besseren Lösungen zu suchen, um jedes Bauprojekt zu optimieren.

Die Gründer steuern Terminabläufe wie bei der Mondlandung

Anfang der siebziger Jahre sorgt die Netzplantechnik für Furore. „Die hatten die Amerikaner für ihre erste Mondlandung erfunden“, erzählt Sommer. „Damit war es möglich, komplexe und in sich verschachtelte Terminabläufe zu berechnen.“ Sein Büropartner, Gerhard Drees, Professor an der Universität Stuttgart, wollte die Idee nutzen, um die Projekte zu steuern. „Ich habe früh erkannt, dass wir daraus die üblichen Balkenpläne machen müssen. Das Problem war nur, anfangs wollten die Bauherren für die Projektsteuerung nicht extra bezahlen“, berichtet er. Erst beim Rundfunk klappte es. Die Ingenieure bekamen den Auftrag, den Bau des neuen SDR-Funkhauses in Stuttgart zu steuern. Dabei gelang ihnen eine Punktlandung.

Sommer ließ nicht locker. Inspiriert von Wettbewerbern aus England, beginnt er die Baukosten von Gebäuden zu zerlegen. „Wir hatten eine Systematik entwickelt, die es uns erlaubte, Kostenalternativen zu berechnen, indem man einzelne Elemente wie unterschiedliche Fenstertypen austauscht. Damals habe ich begriffen, dass dies maßgeblichen Einfluss auch auf den Energieverbrauch und die Betriebskosten hat.“

Die Terminplanungs-, Forschungs- und Beratungsaufträge entwickelten eine unerwartete Eigendynamik: Ende der siebziger Jahre wächst das Büro auf 30 Mitarbeiter. Noch arbeiten diese mit elektrischen Schreibmaschinen, Kopierern, Taschenrechnern und Diktiergeräten. Doch schon bald sorgt die Digitalisierung für einen kräftigen Schub. „Wir haben angefangen, mit Basic Kalkulationsprogramme zu erstellen. Die Computer waren unser Durchbruch, weil wir den Bauherrn jetzt schnell und genau sagen konnten, was es ausmacht, wenn wir das und jenes im Bauprojekt ändern.“

Erstmals lassen sich  die künftigen Betriebskosten eines Gebäudes berechnen

In den 1980er-Jahren entwickeln die Ingenieure ihre Simulationsprogramme zur Kostenoptimierung weiter. Erstmals lassen sich damit die künftigen Betriebskosten eines Gebäudes berechnen. Dabei gerät der Energieverbrauch ins Visier. „Das war wie eine Revolution“, erinnert sich Sommer. „Unsere Kunden erkannten durch unsere Simulationen, etwa welch ein gigantischer Stromverbrauch für die damals verwendeten Zwei-Kanal-Klimaanlagen im Sommer erforderlich war“, erzählt er.

Dabei gelangt er zu einer entscheidenden Erkenntnis. „Da die Bauherren damals meist auch die Nutzer der Gebäude waren, waren sie vor allem an der Energieeinsparung interessiert, da sie die zuvor hohen Betriebskosten deutlich reduzierte.“ Sommer folgerte, dass man Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen müsse. „Ohne Wirtschaftlichkeit wird es keinen ökologischen Fortschritt geben“, sagt Sommer. „Es muss auch bezahlbar sein.“ Der Ingenieur entwickelte daraus den „Blue Way“, der zum Markenkern des Unternehmens werden sollte. Ein Paket für Bauherren, das den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes im Blick hat: von der Schonung der Energie- und Materialressourcen über die Funktionalität der Räume bis hin zu Gesundheitsthemen und der Prozessabwicklung.

Besonders geprägt haben Sommer seine Kindheit und die Wehrpflicht. „Als Kind wuchs ich in einem evangelischen, pietistischen Internat auf. Ich hatte sehr früh meine Eltern verloren“, erzählt er. Das und seine Zeit als Soldat schärften sein Bewusstsein für das Kollektiv. Mitte der 80er Jahre hat das einen Schritt beeinflusst, der maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beitragen sollte: Die Partnerschaftsidee − eine Organisationsform, die das unternehmerische Denken der Mitarbeiter entfacht.

„Ich kann nicht mehr allen Mitarbeitern hinterherlaufen.“

Die Idee wurde aus der Not geboren, erinnert sich Sommer: „Die Projekte wurden immer größer, damals hatten wir schon sechs- bis siebenhundert Mitarbeiter. Wir hatten Büros in Köln, Düsseldorf und München. Da sagte ich zu meinem Partner, Gerhard Drees, ich kann nicht mehr allen Mitarbeitern hinterherlaufen, die müssen selbst Verantwortung übernehmen. Das war mein Zauberlehrlingserlebnis“, sagt Sommer in Anlehnung an Goethes Gedicht.

Mit der Erfolgsbeteiligung akquirierten die Mitarbeiter auch selbst Aufträge. „Bei den meisten Menschen ist es ja so, dass sie gerne mehr Geld verdienen“, sagt Sommer. Heute noch besteht die Drees & Sommer-Gruppe aus selbstständigen operativen Organisationseinheiten, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet sind, so, dass sie sich selbst steuern können.

Sommer ist inzwischen 82 Jahre alt. Und er weiß immer noch, was in seinem Unternehmen läuft. Ins tägliche Geschäft ist er nicht mehr eingebunden. Die Geschäftsführung, den Vorstandsposten und den Vorsitz im Aufsichtsrat hat er abgegeben. Aber er ist immer noch Vorsitzender der Gesellschafterversammlung.

Blickt er auf sein Unternehmen, kann er heute rund 6500 umgesetzte Projekte zählen. Seit jeher ist ihm dabei eines wichtig: Die Kundenorientierung. „Wir müssen unsere Bauherren beraten, wie sie am besten zum Ziel kommen. Ich sage meinen Leuten immer, ihr müsst denken, es wäre euer Gebäude, das da gebaut wird. Versetzt euch in die Situation des Kunden und denkt darüber nach, wie ihr an seiner Stelle agieren würdet.“

Der Bauingenieur

Hans Sommer, geboren 1941, studierte Bauingenieurwesen und Architektur an der Universität Stuttgart. Nach seiner Tätigkeit als Statiker und Konstrukteur bei der Baresel AG in Stuttgart trat er 1971 in das Ingenieurbüro Drees, Kuhne und Partner ein. 1976 wurde daraus die Drees & Sommer GBR, bei der er ab 1984 Hauptgesellschafter war. 1986 ernannte ihn die Universität Stuttgart zum Honorarprofessor. Nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft im Jahr 1992 übernahm er den Vorsitz des Vorstands. Bis 2008 leitete er das Unternehmen und brachte das Projektmanagement auf ein neues Niveau.

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