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Der Optikkonzern Zeiss steigt groß in die Windstromproduktion ein

Auf der Ostalb bei Aalen und Oberkochen sollen zehn Windkraftanlagen gebaut werden, um die dortigen Standorte von Zeiss mit Strom zu versorgen.
IMAGO/imageBROKER/Manuel Kamuf)Oberkochen/Stuttgart. Vor zwei Jahren war mit der Fischer-Group aus Achern ein Mittelständler mit dem Plan an die Öffentlichkeit gegangen, seine Stromversorgung mit dem Bau eigener Windräder selbst in die Hand zu nehmen, nun geht ein weltweit tätiger Konzern den gleichen Weg. Die Carl Zeiss AG kündigte in dieser Woche an, in großem Stil in die Produktion von erneuerbaren Energien einsteigen zu wollen.
Der Hersteller von Brillengläsern, Kameraobjektiven, optischen und optoelektronischen Geräten für Forschung, Medizin und die Halbleiterindustrie plant in der Nähe seine zentralen deutschen Standorte in Oberkochen und Aalen einen Windpark mit zehn Anlagen und einen großen Solarpark. Die Windräder sollen eine Leistung von knapp 68 Megawatt haben, die Freiflächensolaranlage 40 Megawatt, erklärt Felix Neuschwander, Geschäftsführer der Carl Zeiss Energie.
Das Tochterunternehmen betreibt als „Stadtwerk“ des Konzerns, wie es Neuschwander sagt, die energietechnischen Anlagen, kümmert sich um die Stromversorgung, die Heizung, die Klimatisierung der Reinräume und die Versorgung mit Wasser und technischen Gasen. Und es soll die Dekarbonisierung bei Zeiss vorantreiben. Denn noch in diesem Jahr will der Konzern bei seinen eigenen Tätigkeiten klimaneutral werden, wie die Leiterin des Nachhaltigkeitsbereichs, Nicole Ziegler betont.
Eigene Anlagen sollen die Hälfte des Strombedarfs decken
Der Klimaschutz treibt bei Carl Zeiss den Strombedarf in die Höhe. Denn die Wärmeerzeugung soll künftig an allen drei großen Produktionsstandorten auf der Ostalb mit Wärmepumpen erfolgen, wie Neuschwander sagt.
Hinzu kommt, dass der Technologiekonzern einen komplett neuen Standort in Aalen-Ebnat plant. Auf dem Areal, das zwischen dem künftigen Windpark und dem Solarpark liegt, soll die Entwicklungs- und Produktion für die Mikroskopie und die Messtechnik angesiedelt werden. 2500 Arbeitsplätze sollen dort entstehen. Schon heute arbeiten rund ein Drittel der weltweit 46 000 Zeiss-Beschäftigten in Aalen und Oberkochen.
Dekarbonisierung und das Wachstum des Konzerns auf der Ostalb führen nach Angaben von Felix Neuschwander dazu, dass sich der Strombedarf für die Standorte auf der Ostalb von derzeit rund 200 Gigawattstunden (GWh) auf 450 GWh mehr als verdoppeln wird. Rund die Hälfte soll künftig durch selbstproduzierten Wind- und Solarstrom gedeckt werden.
Investitionen von 100 Millionen Euro geplant
Für das gesamte Vorhaben, zu dem auch der Bau eines eigenen Umspannwerks gehört, will die Carl Zeiss AG rund 100 Millionen Euro investieren. „Das ist das bislang größte Projekt zur Eigenversorgung eines Industrieunternehmens“, sagt Matthias Pavel, vom Projektentwickler Uhl Windkraft aus Ellwangen.
Die Zeiss-Werke im Umkreis der Anlagen werden über Direktleitungen angeschlossen. Überschüssigen Strom will der Konzern ins Netz einspeisen. „Mittelfristig denken wir aber auch über Speicherlösungen nach“, erklärt Neuschwander. Konkrete Planungen gibt es dafür aber noch nicht.
Die gibt es aber für Wind- und Solarpark. Seit 2021 laufen Sondierungen mit den betroffenen Kommunen und Grundeigentümern. Gestattungsverträge mit Forst BW und Privatwaldbesitzern auf deren Flächen die Windräder gebaut werden sollen, sind laut Neuschwander bereits abgeschlossen. Und die Öffentlichkeit habe man frühzeitig in die Planungen einbezogen, betont er. Man habe dabei breite Unterstützung aus der Bevölkerung und aus den Kommunen erfahren, sagt der Carl-Zeiss-Energie-Chef. Regional verwurzelten Unternehmen falle es leichter, Akzeptanz für solche Projekte zu bekommen, weil die Menschen da wüssten, wofür die Anlagen und der Strom gebraucht würden.
Mittelständler will auch Wasserstoff selbst erzeugen
Projektentwickler Pavel geht davon aus, dass das Umspannwerk in zwei Jahren fertiggestellt werden kann. 2027 könne wohl auch der Solarpark ersten Strom liefern. Und ein Jahr später sollen die zehn Windkraftanlagen zur Zeiss-Stromversorgung beitragen. Früher als Zeiss dürfte die Fischer Group mit ihrer Eigenversorgung starten können. Die Genehmigung werde seitens des Landratsamts Ortenaukreis noch in diesem Monat erteilt, kündigt der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie (BWE) in Baden-Württemberg, Erhard Schulz, an.
Der Mittelständler, der für speziell gefertigte Edelstahlrohre und -komponenten nach eigenen Angaben Weltmarktführer ist, will in unmittelbarer Nähe zum Stammsitz im Rheintal zwei Windkraftanlagen bauen. Zudem soll mit einem eigenen Elektrolyseur an Wochenenden − wenn die Produktion ruht − Wasserstoff produziert werden.
Fischer und Zeiss sind nicht die einzigen Industrieunternehmen im Südwesten, die eine Eigenversorgung durch Windkraft planen. Es gebe mindestens zehn weitere Projekte, für die konkrete Planungen liefen, erklärt Schulz.
Aus Sicht der BWE-Landesvorsitzenden Julia Wolf sind die Aktivitäten der Unternehmen auch ein Beitrag zur Standortsicherung in Baden-Württemberg. „Windkraft sichert Wirtschaftskraft“, betont sie.
Schnellere Genehmigungsverfahren für Windräder
Die Arbeit der im Land eingerichteten Task Force für den Windkraftausbau zeigt nach Einschätzung der Branche erste Wirkungen. Die Genehmigungsverfahren in Baden-Württemberg seien schneller geworden, sagt die Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie, Julia Wolf. Beim Ausbau werde sich dies allerdings erst jetzt und in den folgenden Jahren zeigen. Laut Wolf sind im Südwesten derzeit rund 1000 neue Windkraftanlagen geplant.