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Pilotprojekt der Energiewende

Billige Batterien stoppen Naturstromspeicher Gaildorf

Beim Baustart vor knapp neun Jahren galt der Naturstromspeicher Gaildorf als Vorzeigeprojekt der Energiewende. Nach immer weiteren Verzögerungen ist nun klar, dass die Kombination aus Pumpspeicherkraftwerk und Windenergieanlagen nie verwirklicht wird.

Die Windräder im Hintergrund laufen seit 2017, doch das Unterbecken im Kochertal bei Gaildorf wird nie für ein Pumpspeicherwerk genutzt.

Naturstromspeicher Gaildorf)

Gaildorf. „Energie zu gewinnen, ist relativ einfach, sie flexibel zu speichern, schon schwieriger“, hatte der bayerische Baukonzern Max Bögl 2016 in einer Pressemitteilung zu seinem Pilotprojekt Naturstromspeicher Gaildorf formuliert. Wie schwierig es ist, Pumpspeichertechnologie mit Windkraft zu kombinieren, hatte damals wohl niemand der Projektbeteiligten erwartet. Kurz vor Weihnachten hat das Familienunternehmen aus der Oberpfalz die Notbremse gezogen und das Vorhaben eingestellt, nachdem es sich zuvor immer mehr verzögert hatte.

„Durch die technischen Veränderungen der Batterietechnologie in den letzten Jahren hat sich der Markt für Energiespeicher und seine Rahmenbedingungen fundamental verändert“, nennt Jörg Zinner, Geschäftsführer der Naturstromspeicher Gaildorf GmbH & Co. KG, einer Tochterfirma der Bögl-Gruppe, in einer schriftlichen Stellungnahme den Grund für das Aus. Als das Projekt 2011 gestartet wurde, seien Prognosen von der „Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit von Pumpspeichern“ ausgegangen. Doch diese sei heute nicht mehr gegeben. „Das Projekt würde nur Verluste bringen“, schreibt Zinner. Dass Bögl das Vorhaben jetzt stoppt, hat nach Aussage von Zinner damit zu tun, dass in den nächsten Monaten über weitere hohe Investitionssummen hätte entschieden werden müssen.

Baukonzern will Verluste durch das Projekt nicht beziffern

Wie viele Millionen das Bauunternehmen, das dem Verband der Bauindustrie zufolge die Nummer sieben in Deutschland ist, für die Windturbinen und die Wasserbatterie ausgegeben hat, bleibt offen. „Summen zum Projekt möchten wir nicht kommunizieren“, erklärt Bögl-Sprecher Jürgen Kotzbauer auf Anfrage. Im Jahr des Baustarts, 2016, hatte der Konzern von 75 Millionen Euro gesprochen. Doch diese Zahl dürfte nicht nur durch die Preissteigerungen am Bau in den folgenden Jahren weit überschritten worden sein. Auch die Entwicklung der Druckrohrleitung, die die Oberbecken in den Fundamenten der Windräder mit dem Unterbecken im Kochertal verbinden sollte, hat laut Zinner die Kosten des Projekts drastisch erhöht. Der Bau der Druckleitung hatte den Abschluss der Arbeiten immer wieder verzögert.

Über Fördermittelrückzahlung wird noch verhandelt

Die Grundidee der Wasserbatterie hatte Alexander Schechner entwickelt, ein Ingenieur, der aus dem Großturbinengeschäft kam. Er überzeugte damit nicht nur die Bögl-Gruppe als Mitgesellschafter und Lieferanten der Betonfertigteile, sondern auch das Bundesumweltministerium. Das förderte das Vorhaben mit über sieben Millionen Euro. Das Geld ist aber nach Angaben von Zinner nicht vollständig abgerufen worden. Ob die Zuschüsse ganz oder teilweise zurückgezahlt werden müssen, ist derzeit noch offen. Dazu würden derzeit Gespräche geführt, erklärt Kotzbauer.

Das Prinzip der Wasserbatterie sollte die Stromproduktion aus Windkraft mit einem Pumpspeicherwerk im Mikroformat vereinen und damit zu einer Stabilisierung der schwankenden Stromversorgung aus erneuerbaren Energien beitragen. Weil das Pumpspeicherwerk nur auf eine Leistung von 16 Megawatt ausgelegt war, hätte es sehr flexibel eingesetzt werden können. „Andernorts wird das Wasser stundenlang hochgepumpt, wir können die Richtung innerhalb von 30 Sekunden wechseln“, hatte Schechner, der schon vor Jahren aus dem Projekt ausgeschieden ist, 2016 erklärt.

Konzept soll auch in aderen Ländern nicht umgesetzt werden

Zudem sollte der Eingriff in die Natur deutlich geringer ausfallen als bei konventionellen Pumpspeicheranlagen, weil das nach oben gepumpte Wasser nicht in einem offenen Oberbecken, sondern in den Sockeln der Windkraftanlagen vorgesehen war. Die vier Windräder liefern seit 2017 Strom. Ihr Betrieb sei vom Verzicht auf das Pumpspeicherwerk nicht beeinträchtigt, so Kotzbauer.

Mit dem Leuchtturmprojekt hat der 6500-Mitarbeiter-Konzern auch die Idee beerdigt, solche Anlagen in Serie zu produzieren. Diese ließen sich auch im Ausland nicht mehr wirtschaftlich errichten und betreiben, erklärt der Konzernsprecher.

Batteriepreise um 90 Prozent gesunken

Die Preise für Lithium-Ionen-Batterien, die sowohl in Elektroautos, aber auch in Eigenheimen, Gewerbebetrieben oder Großspeichern eingesetzt werden, sind zuletzt drastisch gesunken. Lag der Preis pro Kilowattstunde bei kleineren Batterien für den Heimgebrauch 2010 noch bei rund 4000 Euro, ist er im vergangenen Jahr auf etwas mehr als 400 Euro gefallen. Und Großbatterien lassen sich schneller und leichter errichten als Pumpspeicher.

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