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Gebäudetyp E

Vorschlag des Bauministeriums für Gebäudetyp E stößt auf Kritik

Der Gebäudetyp E steht für die einfache, experimentelle und effiziente Planung von Wohngebäuden. Damit sollen Freiräume erschlossen werden, um sich vom Korsett der rund 20 000 baurelevanten Normen zu befreien. Jetzt hat die Bundesregierung einen Vorschlag vorgelegt, wie sich das umsetzen lässt. Doch die Planer haben Bedenken.

Wie man den neuen Gebäudetyp E rechtssicher in der Praxis umsetzt, darüber gehen die Meinungen zwischen Bund und Planern auseinander.

dpa/Zoonar/Wosunan Photostory)

Stuttgart . Beim Bauen sind die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (aRdT) vertragsrechtlich relevant. Damit sind alle Regeln gemeint, die unter Baufachleuten als technisch geeignet, angemessen und notwendig erachtet werden, um gut und fehlerfrei zu bauen. Es handelt sich um Normen, die sich in der Praxis bewährt haben. Doch welche Normen genau zu den aRdT gehören, ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern folgt dem Branchenwissen und wird im Streitfall durch die Rechtsprechung ausgelegt.

Das hat in der Praxis dazu geführt, dass Bauvorhaben schon aus purer Vorsicht meist so ausgeführt werden, dass sie allen bautechnischen Normen entsprechen. Auch jenen Regeln, die nur dem Komfort dienen. Mit ungewollten Folgen: Die Normenflut hat den Neubau und die Sanierung von Wohnungen so verteuert, dass sie Investoren und Käufer gewaltig ausbremst.

Bund legt Leitlinie zum Gebäudetyp E vor

Abhilfe schaffen soll der neue Gebäudetyp E, der auf eine Initiative der Architektenschaft zurückgeht. Das Bundesbauministerium (BMWSB) will die Idee rechtssicher in der Praxis etablieren. Dafür hat es nun eine „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ vorgelegt. Sie gibt Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können. Dabei zeigt sie Planern, Unternehmern und Bauherren, wie eine rechtssichere Abweichung von Vorgaben der aRdT vereinbart werden kann. Sie erläutert auch die Aufklärungspflicht von Planern und Unternehmern und gibt anhand von Planungsbeispielen Aufklärungsinhalte und Vertragsformulierungen an die Hand. Ziel der Aufklärung ist es, die Bauherren so fachkundig zu machen, dass sie eigenverantwortlich entscheiden können, ob sie die Abweichung von den Normen zugunsten von Kosteneinsparungen befürworten.

Doch so gerne Architekten und Ingenieure den Gebäudetyp E umsetzen würden, so unglücklich sind sie mit dem Vorschlag des Ministeriums. Es sei damit nicht sichergestellt, welche Normen als aRdT gelten und welche nicht, monieren die Kammern der Architekten und Ingenieure in einer gemeinsamen Mitteilung. Sie fürchten, dass sich die erhofften Vereinfachungen durch den Gebäudetyp E damit in Grenzen halten werden. Denn das Kernproblem, das Haftungsrisiko, sei nicht gelöst. Gerade weil Richter im Streitfall dazu neigen, sich auf die anerkannten Regeln der Technik zu beziehen.

Eine Lösung aus Sicht der Planer wäre es, die Zahl der relevanten Normen einzugrenzen. Sie wollen die bauordnungsrechtlichen Regeln zur Sicherheit und Gefahrenabwehr sowie die sicherheitsrelevanten Inhalte der technischen Baubestimmungen (MVV-TB) als aRdT anerkannt und zivilrechtlich als vertraglich geschuldeten Mindeststandard festschreiben. Dagegen sollen alle technischen Anforderungen an ein Bauwerk, die darüber hinaus gehen – also Ausstattungs- und Komfortstandards – gesondert vereinbart werden müssen.

Sicherheitsrelevante Normen versus Wohlfühl-Normen

„Das Problem bei dem Vorschlag des Bundes ist, dass man Wohlfühl-Normen einzeln vereinbaren können soll, aber sicherheitsrelevante Normen, die angewendet werden müssen, werden zu anerkannten Regeln der Technik. Damit entsteht ein Abgrenzungsproblem“, sagt Hans Dieterle, der Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Baden-Württemberg. „Wir haben Normen, die überwiegend Wohlfühl-Themen regeln, aber in ein, zwei Absätzen auch sicherheitsrelevante Aspekte abdecken“, sagt er. Das führe dazu, dass man aus Vorsicht heraus dazu neigt, wieder alles als anerkannte Regeln anzuwenden. Damit sei nichts gewonnen. „Wir würden uns deutlich einfacher tun, wenn der Bund Listen vorgeben würde, die definieren, was für den Gebäudetyp E relevant ist und was nicht.“

Dieterle ist zudem skeptisch, dass der vom Bund vorgeschlagene Vertragstyp zwischen fachkundigen und nicht fachkundigen Unternehmen im Wohnungsbau unterscheidet. „Der Begriff des fachkundigen Unternehmers ist bislang nicht definiert. Da werden neue Begrifflichkeiten eingeführt, die Rechtsunsicherheiten bergen.“ Würden diese nicht beseitigt, werde der Gebäudetyp E in der Praxis kaum Anwendung finden.

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