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Wie geht es in der G-9-Debatte jetzt weiter?
STUTTGART. Die zwei Frauen, die seit Monaten die Landespolitik in Atem halten, wissen nicht so recht, was sie von der Sache halten sollen. Die Ankündigung des Regierungschefs, in Sachen G 9 einen Bürgerdialog zu starten, sei „wie das Angebot eines Berliners mit Puderzucker, in dem Senf drin ist“. Auch die Landespresse staunte nicht schlecht, als das Kabinett am Dienstagvormittag den Weg frei machte für ein neues Verfahren.
Es war interessanterweise nicht das eigentlich zuständige Kultusministerium, sondern die Staatskanzlei selbst, welche die Mitteilung verschickte. Die Ministerin Theresa Schopper (Grüne), bekanntlich wie Kretschmann keine Anhängerin der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, ließ dann auch mitteilen: „Die großen Herausforderungen in unserem Bildungssystem liegen im vorschulischen und im Grundschulbereich.“
Es war also der Regierungschef selbst, der Bewegung in die Sache gebracht hat. „wir nehmen seit einigen Jahre war, dass offenbar eine sehr deutliche Mehrheit der Menschen im Land weg von G 8 wollen. Das gleiche gilt für Lehrer und Schulleiter. Das er selbst davon wenig hält, machte er in der Landespressekonferenz erneut klar: Die Debatte sei „verengt“ und die Belastung der Schüler in der Mittelstufe sei nur „gefühlt“. Aber er ließ auch mitteilen: „Wir gehen als Landesregierung offen in das Beteiligungsverfahren.“
Es bewegt sich also etwas. Den Grund benannte der 75-jährige Grünenpolitiker gleich mit: den Volksantrag der Initiative „G 9 jetzt BW„, der von den beiden Müttern Feller und Plesch-Krubner angestoßen wurde. „Wir hören, dass die Initiatoren die Unterschriften zusammen haben“, sagte Kretschmann, „dann müssen wir sowieso diskutieren.“
Daher also jetzt ein Bürgerforum – das aus 60 bis 70 zufällig ausgewählten Bürgern bestehen soll. Bewusst auch mit allen Bildungsabschlüssen, nicht nur mit Abitur. Diese „dialogische Bürgerbeteiligung“ propagiert die grün-schwarze Landesregierung schon länger – die Staatsrätin Barbara Bosch etwa empfiehlt diese Foren mit zufällig ausgewählten Bürgern Kommunen, um die „schweigende Mehrheit“ zu aktivieren.
„Offenbar will eine deutliche Mehrheit der Menschen im Land weg von G 8.“
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident
Die spannende Frage ist: Handelt es sich um einen strategischen Vorstoß, um der G-9-Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen? Bürgerforum und G 9 parallel zum Volksantrag – zumal die Gruppe, anders als von Kretschmann gemeldet, erst 20 000 der benötigen knapp 40 000 Unterschriften beisammen hat. Ist dieses Quorum von 0,5 Prozent der Wahlberechtigten erfüllt, muss der Landtag den Antrag beraten.
Immerhin freuen sich Fellner und Plesch-Kubner: „Wir haben es geschafft, das Thema G 9 in die Landesregierung zu tragen und zur Chefsache zu machen.“ Allerdings herrscht Verwirrung, wie beide Prozesse nebeneinander laufen sollen. Der Philologenverband spricht gar von einem „trojanischen Pferd“ und fragt: „Will man ein anderes Votum konstruieren?“
Das Ringen um die Deutungshoheit geht also weiter. Die G-9-Initiative wird ihren Volksantrag jedenfalls weiter aufrecht erhalten – bis 12. November müssen die Unterschriften beisammen sein. Dann muss der Landtag beraten. Lehnt der den Gesetzesentwurf ab, müssen innerhalb von drei Monaten 780 000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt werden – dann käme es zur Volksabstimmung.
Klar ist: Dieses Szenario scheut vor allem der grüne Teil der Landesregierung wie der Teufel das Weihwasser, denn da rechnen alle mit einer klaren Mehrheit für G 9, also die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium.
- Ja 83%, 616 Stimmen616 Stimmen 83%616 Stimmen - 83% aller Stimmen
- Nein 17%, 122 Stimmen122 Stimmen 17%122 Stimmen - 17% aller Stimmen
Erst im Herbst soll das Bürgerforum der Landesregierung beginnen. Zunächst werden Themen und Fragestellungen debattiert – dabei soll die G-9-Initiative einbezogen werden. Die Initiatoren soll auch in der ersten Phase des Forums als „Experten“ angehört werden – neben vielen anderen.
Eines ist klar: Was immer das Bürgerforum beschließt, es ist nur ein Ratschlag. „Ein Bürgerforum rät, Beschlüsse fassen die verfassungsmäßigen Organe“, stellt der Ministerpräsident klar, „selbstverständlich kann auch eine Regierung gegen das Votum regieren.“ Das Heft des Handelns liege immer bei der Regierung und den sie tragenden Fraktionen.
Auch das lässt die Initiative skeptisch bleiben. „Es ist eigentlich viel zu spät für Bürgerbeteiligung“, sagt Anja Plesch-Krubner, „die Argumente sind seit Jahren bekannt.“
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