Wie Feriengäste den ländlichen Raum stärken
Stuttgart . Der Tourismus kommt langsam wieder auf die Beine. Nach der Corona-Delle erreichten die Übernachtungen in Baden-Württemberg 2022 ein Niveau von 52,3 Millionen – das sind nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes noch 8,6 Prozent weniger als in der Zeit vor Corona. Manche Städte und Kreise, Freiburg oder auch der Alb-Donau-Kreis, hatten die Vor-Corona-Zahlen bereits übertroffen. Damit diese Entwicklung verstetigt wird, braucht es ein paar Rahmenbedingungen, etwa die Akzeptanz von touristischen Angeboten bei der Bevölkerung und den Entscheidungsträgern vor Ort.
Branche stärkt die Infrastruktur im ländlichen Raum
Ein Kommunalkongress suchte nun Antworten. Zwar sprach Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp (CDU) von einer guten Grundakzeptanz der Branche im Südwesten. Immerhin könne sie selbst bei unsicherer wirtschaftlicher Lage nicht einfach Kapazitäten ins Ausland verlagern. Auch wäre die Infrastruktur ohne die touristisch getriebene Nachfrage oft ausgedünnt, etwa im ÖPNV oder bei der Nahversorgung. Trotzdem hat das Ministerium eine Akzeptanzstudie für 43 000 Euro in Auftrag gegeben, um das Projekt „Tourismus.Bewusst.Stärken“ mit Daten zu unterfüttern.
Das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (DWIF) aus München hatte in einer Onlinebefragung zum „Tourismusbewusstsein“ ermittelt, dass die Bevölkerung des Landes dem Tourismus grundsätzlich positiv gegenübersteht, und Tourismusakzeptanzsaldi gerade in den Tourismus-Regionen besonders positiv ausfallen, nämlich im Schwarzwald und am Bodensee. Allerdings begegnen gerade ältere Befragte dem Tourismus vor ihrer Haustüre aufgeschlossener als jüngere, erläuterte die DWIF-Verantwortliche Andrea Möller.
Während sich eine leicht zurückhaltende Position bei der Frage ermitteln lässt, ob Tagestourismus wachsen soll, waren die Befragten einem Wachstum des Übernachtungstourismus gegenüber eher positiv eingestellt. Die Akzeptanz, so der Rat Möllers, ließe sich durch PR vor Ort steigern. Dabei müsse der Stolz auf das touristische Angebot gefördert werden. Akzeptanz entstehe auch durch das Bewusstsein, dass touristische Einrichtungen für die einheimische Bevölkerung Vorzüge bieten, etwa Einwohnerermäßigungen oder eine Einheimischen-Card.
Einen solchen Ansatz verfolgt die 69 Euro teure Erlebniscard Stuttgart für Bewohner der Region Stuttgart. Aktuell können 4000 Inhaber 70 touristische Ziele der Region jeweils einmal kostenfrei besuchen, erklärte Armin Dellwitz von der Stuttgart-Marketing GmbH, einer Tochter der Region Stuttgart und der Landeshauptstadt. Die Karte werde weiterentwickelt und in einer 49-Euro-Edition von Unternehmen als Weihnachtsgeschenk für Mitarbeiter geordert. Ziel sei, dass sich die Karte wie alle touristischen Angebote selbst trägt.
Damit argumentierte er in dieselbe Richtung wie Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. Die Bereitstellung von touristischer Infrastruktur sei angesichts der vielen Aufgaben der Gemeinden, der Finanzlage und komplexer Rechtsverhältnisse auch stets eine Frage der Prioritätensetzung. Immerhin seien mindestens 90 Prozent der Haushaltsvolumen für die Finanzierung der Pflichtaufgaben reserviert. Tourismus dagegen gehört zu den freiwilligen Aufgaben. Daher verwies Jäger auf die Notwendigkeit, dass sich Tourismus rentieren müsse, um für Investitionen zu sorgen.
Rentabilität ist der entscheidende Faktor für Touristik-Investitionen
Rentabilität ist auch für kleine Anbieter entscheidend. Daher stärkt die Tourismusregion Schwarzwald seit 2017 den Dorftourismus. Akteure in 21 Orten haben sich vernetzt, weitergebildet und so ihre Gastgebereigenschaften gestärkt, erklärte Hansjörg Mair, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH. Im Bestfall entwickelten sich so Akteure, die fünf „K“ auf sich vereinen: kontinuierliche und kompetente Kümmerer für Kommunikation und Kooperation.
Im anderem Mittelgebirge des Landes wurde die Wanderkonzeption „Mittlere Alb, Albtrauf und Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ aufgestellt, bei der Wegeklassen und Namen wie „Hochgehberge“ die Wanderlust entfachen sollen. Sarah Reinhardt (Tourismusgemeinschaft Mythos Schwäbische Alb) und Walburg Speidel (Biosphärengebiet Schwäbische Alb) berichteten von den Bemühungen, mit 44 Kommunen in den Landkreisen Reutlingen und Esslingen das Konzept zu entwickeln und mit dem Albverein als Identifikationsfaktor für die Menschen in der Region zu etablieren.
Projekt für mehr Fremdenverkehr
Das Tourismusbewusstsein steht im Mittelpunkt des Projekts „Tourismus.Bewusst.Stärken“, das zu den zehn Schlüsselmaßnahmen der Tourismuskonzeption des Landes gehört. Neben einer grundlegenden Akzeptanzanalyse geht es um die Vermittlung der Akzeptanzziele bei Tourismus-Profis und Bürgern. Konferenzen, Wettbewerbe und Infomaterialien sollen das Bewusstsein für die Branche vor Ort stärken.
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