Wie der Südwesten seinen Tourismus lieben lernt
Stuttgart . Den Tourismus als Wirtschaftsfaktor im Land besser zu verankern, das war das Ziel eines Kommunalkongresses des Landeswirtschaftsministeriums, der am Freitag (13. Oktober) in Stuttgart stattgefunden hat. Der Kongress lieferte seinen etwa 100 Teilnehmern zahlreiche Beispiele, dank derer die Akzeptanz des Tourismus bei der Wohnbevölkerung in den jeweiligen Kommunen sowie bei den lokalen Entscheidern gesteigert werden kann.
Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp (CDU) sprach von einer guten Grundakzeptanz der Branche im Südwesten, immerhin sei es ihr selbst bei unsicherer wirtschaftlicher Lage nicht möglich, Kapazitäten einfach ins Ausland zu verlagern. Vielerorts wäre die Infrastruktur ohne die touristisch getriebene Nachfrage ausgedünnt, etwa im ÖPNV oder bei der Versorgung durch Bäcker und Metzger.
Tourismus muss sich für die Kommunen auch rentieren
Gemeindetagspräsident Steffen Jäger betonte die Vorteile, die touristische Infrastruktur auch für die Wohnbevölkerung mit sich bringe. Allerdings sei deren Bereitstellung angesichts der vielen Aufgaben der Gemeinden, der Finanzlage und komplexer Rechtsverhältnisse auch stets eine Frage, welche Prioritäten Kommunen setzten. Mindestens 90 Prozent der Haushaltsvolumen gehen nämlich für die Finanzierung der Pflichtaufgaben drauf, und Tourismus gehört zu den freiwilligen Aufgaben, die sich eine Kommune selbst stellen kann. Außerdem verwies Jäger auf die Notwendigkeit, dass sich Tourismus rentieren müsse, um für Investitionen in den Kommunen zu sorgen.
„Tourismusbewusstsein“ lautete das Schlüsselwort von Andrea Möller von der Beratungsagentur dwif. Das Münchener Institut hatte in einer Onlinebefragung ermittelt, dass die Bevölkerung des Landes dem Tourismus grundsätzlich positiv gegenübersteht, und Tourismusakzeptanzsaldi gerade in jenen Tourismus-Regionen am größten ist, in denen besonders viel Tourismus stattfindet, nämlich im Schwarzwald und am Bodensee. Allerdings begegnen gerade ältere Befragte dem Tourismus vor ihrer Haustüre aufgeschlossener als jüngere Menschen – ein Aspekt, der in eine Diskussion über die Nachwuchsgewinnung in touristischen Berufen mündete.
Stolz der Einheimischen auf ihre Attraktionen
Während sich eine leicht zurückhaltende Position bei der Frage ermitteln lässt, ob Tagestourismus wachsen soll,, waren gut die Hälfte der Befragten einem Wachstum des Übernachtungstourismus gegenüber positiv eingestellt. Die Akzeptanz, so der Rat Möllers, ließe sich durch PR vor Ort steigern. dabei müsse klar werden, welche Vorzüge touristische Einrichtungen für die einheimische Bevölkerung mit sich bringen. Sie sprach von einem Stolz auf die touristischen Vorzüge, der bei den Einheimischen entfacht werden müsse.
Sicher ein Akzeptanzsteigerer ist die Erlebniscard Stuttgart: Das junge Angebot, mit der Karte 70 touristische Institutionen der Region jeweils einmal kostenfrei besuchen zu können, haben 2023 rund 4000 Menschen genutzt, erklärte Armin Dellwitz von der Stuttgart-Marketing GmbH, einer Tochter der Region Stuttgart und der Landeshauptstadt. Von den 100 Millionen Tagesgästen kommen pro Jahr etwa 52 Millionen aus der Region. Die Karte werde nun in einer 49-Euro-Edition von Unternehmen als Weihnachtsgeschenk an ihre Mitarbeiter geordert. Am Ende soll sich die Karte wie alle touristischen Angebote, selbst tragen, so Dellwitz – und stieß dabei bei Staatssekretär Rapp auf große Zustimmung.
Vernetzung der Akteure für Wanderwege und Gastgewerbe
Mit seiner Vernetzungsarbeit kleiner Tourismusanbieter hat die Tourismusregion Schwarzwald in 21 Orten Akteure zusammengebracht, geschult, Infos ausgetauscht und Projekte entwickelt und so die Gastgebereigenschaften gestärkt. Hansjörg Mair, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH, skizzierte, was es für ihn vor Ort für Akteure braucht: Kontinuierliche und kompetenten Kümmerer für Kommunikation und Kooperation.
Im anderem Mittelgebirge des Landes wurde die Wanderkonzeption „Mittlere Alb, Albtrauf und Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ aufgestellt, bei dem verschiedene Wegeklassen und Namen wie „Hochgehberge“ die Wanderlust entfachen sollen. Sarah Reinhardt (Tourismusgemeinschaft Mythos Schwäbische Alb) und Walburg Speidel (Biosphärengebiet Schwäbische Alb) berichteten von den Bemühungen, mit 44 Kommunen in den Landkreisen Reutlingen und Esslingen das Konzept abzustimmen und gemeinsam mit dem Albverein auf die Beine zu stellen – übrigens auch als Identifikationsfaktor für die Region.