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Baden-Baden

Wie der „Grüne Salon“ die Stadt für Besucher öffnet

Sie gehört zu den meistbesuchten Highlights der Kurstadt Baden-Baden: Die Lichtentaler Allee, botanische und landschaftliche Perle, zieht sich drei Kilometer zwischen Goetheplatz und Kloster Lichtenthal hin, gesäumt vom Flüsschen Oos, herrschaftlichen Villen, Grandhotels, dem Frieder-Burda-Museum und dem Jugendstilgebäude der staatlichen Kunsthalle. Die Prachtpromenade wird auch „grüner Salon“ genannt.

Die Lichtentaler Allee zieht sich durch Baden-Baden. Die Prachtpromenade durch das Parkgelände wird in Reiseführern als „Grüner Salon“ gerühmt.

IMAGO/Pond5 Images)

Der für alle Parkanlagen des badischen Großherzogs verantwortliche Gartendirektor Johann Michael Zeyher begann 1839 das Gelände an dem der Stadt gegenüber liegenden Oos-ufer neu zu gestalten. Der Fahrweg nach Lichtental und die angrenzenden Wiesen und Viehweiden wurden zu einer Parklandschaft im Stil eines englischen Gartens mit wertvollen Bäumen. Grund dafür: Die ehemalige Residenz brauchte ein neues Profil. Denn mit Verlegung des Herrschaftssitzes 1702 nach Rastatt war das Neue Schloss nur noch private Sommerresidenz der fürstlichen Familie, die angehende Kurstadt jedoch längst auf dem Weg zur „Sommerhauptstadt Europas“. Sie musste internationalen Gästen etwas bieten.

Baden-Baden fremdelt inzwischen mit der Bezeichnung als Kurstadt

Die bis zu 67 Grad heißen Thermalquellen unter dem Florentinerberg spenden aus 3500 Metern Tiefe bis heute das Wasser, das schon römischen Soldaten Heilung brachte, ihm verdankt die Siedlung ihren Namen. Mediziner rühmten im 19. Jahrhundert den gesundheitlichen Wert der Quellschüttung. Ein Bauboom setzte ein, neues Bauland wurde erschlossen: Platz für Kureinrichtungen und Villen in Halbhöhenlage.

Investoren setzten auf Kommerz und Kultur. Das erste Dampfbad Deutschlands wurde 1819 erbaut, ein Konversationshaus mit Tanzsälen, Lesekabinett und Gesellschaftsräumen, die Trinkhalle, das Kurhaus mit Casino und ein Theaterbau nach Pariser Vorbild folgten. Standesgemäße Logis gab es schon seit 1807 im Hotel „Badischer Hof“. Den Umbau des Kapuzinerklosters in eine komfortable Herberge – europaweit führend – finanzierte der schwäbische Verleger und Großinvestor Johann Friedrich Cotta.

Als Krönung dieser Epoche hat das World Heritage Committee Baden-Baden in die Unesco-Welterbeliste der elf „Great Spa Towns of Europe“ eingereiht und so mit dem Testat „Die bedeutenden Kurstädte Europas – Welterbe seit 2021“ versehen.

Derweil scheint das städtische Tochterunternehmen Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH (BBT) auf Distanz zum Begriff „Kur“ zu gehen. Mit dem Segen des Gemeinderats hat die für das „Destinationsmanagement und Marketing der Stadt“ verantwortliche Einrichtung jüngst den Namensbestandteil „Kur“ gestrichen. Die Lokalpresse titelte bereits: „Baden-Baden will nicht mehr Kurstadt genannt werden“. Die als nicht mehr zeitgemäß empfundene Zuschreibung wird aus dem Wortschatz des Rathauses wohl nicht verschwinden: Kurtaxe, Kurgarten und Kurhaus bleiben, auch die landeseigene Bäder- und Kurverwaltung (BKV) ändert ihren Namen nicht. Selbst auf ihrer Homepage weist die Tourismus GmbH nach wie vor den „Weg zur Kur“ und klärt über den Unterschied zwischen Kur und Reha auf, unter dem smarten Slogan „Good, good life“.

Rudi Dutschke und Joschka Fischer waren auf einer Demo hier

Gutbürgerlich-antiquiert mag dagegen die Formulierung klingen, die lange Zeit auftauchte, wenn von der Lichtentaler Allee als dem „Grünen Salon“ die Rede war. Vor mehr als fünfzig Jahren hat sie der Reiseschriftsteller und SWF-Redakteur Horst Krüger geprägt. Sein Diktum: „Sie kommen auf ein Wochenende mit ihrem Mercedes und lassen die alten Herrschaften für ein paar Wochen hier. Baden-Baden sei „ein grüner Salon, ein Salon der alten Welt“. Dort könne man, „sofern man Geld hat, überflüssige Schwiegermütter und kranke Großväter, betagte Tanten und ehrwürdige Cousinen auf das angenehmste abstellen“.

Vielleicht war das ein Nachklapp zur 1968er-Studentenbewegung, die einen Tag lang auch die Kurstadt erregte. Rudi Dutschke, dem der Zutritt ins Kurhaus verwehrt blieb, protestierte gegen „verkrustete Verhältnisse“ kurzerhand von der Konzertmuschel im Kurgarten aus. Jahrzehnte später schwelgte der damalige Außenminister Joschka Fischer bei einer Tasse Tee mit Dutschke-Sohn Marek in Erinnerungen. „Seit‘ an Seit‘ mit Vater Dutschke“ sei er damals dabei gewesen und habe bei „dieser Demo erstmals einen Polizeiknüppel auf den Kopf gekriegt“.

Bäume als Labsal für Augen und Seele

Der Park-Enthusiast Fürst Hermann von Pückler-Muskau besuchte mehrmals die Kurstadt. Ihn zog der Park um das Haus des Porträtmalers Franz Xaver Winterhalter an. Über die Stadt schrieb er 1860: „Ein verwunschener Ort, niemand auf den Straßen, ein desolater Zustand.“ Ganz anders Ivan Turgenev an Gustave Flaubert: „Kommen Sie doch nach Baden-Baden! Da sind die herrlichsten Bäume, die ich je gesehen habe … das tut den Augen und der Seele wohl.“

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