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Wenn Homer Simpson zeigt, was die Uhr geschlagen hat

Comic-Figur Homer Simpson tritt aus seinem Stammlokal ans Tageslicht.
Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen)Furtwangen. Berühmt ist der Schwarzwald für Kirschtorte und Bollenhut – und für die Kuckucksuhr. Doch im Unterschied zu den beiden anderen ikonischen Produkten ist die Uhr mit dem markanten Vogelruf gar nicht dort erfunden worden.
Wie ein Kuckucksruf mit zwei Pfeifen zu erzeugen ist, das hatte erstmals ein Mechaniker Salomon de Caus aus der Normandie 1615 beschrieben. Vor rund 400 Jahren hat dann ein Uhrmacher in Böhmen oder Kaschuben im heutigen Polen eine Uhr gebaut, bei der ein Kuckuck die Stunde verkündet, erläutert Johannes Graf, stellvertretender Leiter des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen (Schwarzwald-Baar-Kreis).
Die Kuckucksuhr gibt es auch im Häkeldesign oder in Würfelform
Nun schlägt am Sonntag wieder die Stunde der Zeitumstellung. Und wer im Zeitalter digitaler, automatisch umstellender Uhren der mechanischen Kenntnisse schon verlustig gegangen ist, dem erklärt die Pressesprecherin des Museums, wie bei der Kuckucksuhr zu verfahren ist: „Den Zeiger drehen bis zur nächsten vollen Stunde, dann ‚ kuckucken ‘ lassen, danach bis zur passenden Minute weiterdrehen.“
Die Kuckucksuhr ist im Wandel der Zeiten in vielerlei Gestalt aufgetreten. Allein im Uhrenmuseum Furtwangen gibt es 120 Kuckucksuhren – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Wem eine Uhr im Häkeldesign oder in Würfelform und aus Kunststoff missfällt, dem sagt vielleicht die zu, in der statt des übel beleumundeten Vogels ein grölender Homer Simpson aus der Kult-Zeichentrickserie die Zeit verkündet.
Verziert ist diese mit Bierkrügen anstelle der Tannenzapfen, die zur klassischen Ausführung dazugehören. Inspiration für diese originelle Schöpfung für Simpson-Fans war der von Verzweiflung getriebene Ausspruch des Familienvaters Homer: „Ich lebe in einer Kuckucksuhr!“
Im Schwarzwald selbst wurde die hölzerne Kuckucksuhr erst ab den 1730er-Jahren gebaut. Dort gelang es den Uhrmachern zwischen etwa 1750 und 1780, die Herstellung entscheidend zu vereinfachen. Im 19. Jahrhundert waren die Schwarzwälder Exemplare dann sogar die billigsten Wanduhren weltweit.
Die heute bekannte „Bahnhäusle“-Form entwarf 1850, also vor 175 Jahren, der Karlsruher Architekt Friedrich Eisenlohr (1804 – 1852). Seine „Wanduhr mit in Epheu-Laubwerk verziertem Schild“ bildet die Fassade eines Bahnwärterhäuschens nach, ergänzt durch ein Zifferblatt.
Im 19. Jahrhundert wurden die Uhren in die Schweiz exportiert und dort an Touristen verkauft, beispielsweise an den US-amerikanischen Schriftsteller Mark Twain. Er erwarb ein Exemplar nicht etwa für sich, sondern um damit einen Literaturkritiker zu ärgern, wie er in seinem Buch „Bummel durch Europa“ von 1880 schrieb. Denn, so der Humorist, nichts sei alberner und nervtötender als der Ruf einer Kuckucksuhr. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie vor allem bei US-Soldaten und Touristen als Souvenir beliebt.
Das war wohl auch Grund dafür, dass sie in einer berühmten Sequenz der Filmgeschichte eine Rolle spielt: im „Dritten Mann“. Darin gab Orson Welles 1948 den amerikanischen Chef einer Schieberbande, die sich im geteilten Wien nach dem Zweiten Weltkrieg mit gefälschtem Penicillin eine goldene Nase verdient. Höhepunkt des Films ist, wie er sich für seine Verbrechen rechtfertigt: Er kontrastiert das Florenz des Jahrhunderts, das Mord und Blutvergießen, aber auch große Künstler und die Renaissance hervorbrachte, mit der Schweiz und deren 500 Jahren Frieden. „Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!“
In Furtwangen ist das größte digitale Exemplar
Die Kuckucksuhr ist hier also Symbol für Behaglichkeit und Frieden. Doch es geht auch anders. Ein ausgesprochen kriegerisch anmutendes Exemplar überreichte der Offenburger Street-Art-Künstler Stefan Strumbel dem Designer Karl Lagerfeld zum 75. Geburtstag. Statt Hirschgeweih und Tannenzapfen sind Strumbels Werke provokativ mit Sturmgewehren, Handgranaten sowie einem Schädel mit gekreuzten Knochen versehen. Damit schafften er – und die Kuckucksuhr – es sogar in die „New York Times“
Rekorde gibt es auch zu vermelden: Die größte Kuckucksuhr steht in Schonach bei Triberg. Allein der Kuckuck der begehbaren Uhr ist 4,5 Meter groß und 150 Kilo schwer.
Die mit sieben Metern größte digitale Kuckucksuhr hängt vor dem Deutschen Uhrenmuseum. Wer das Werk des Künstlers Oliver Wolf mittels QR-Code auf dem Smartphone anvisiert, hört einen digitalen Ruf aus einem von Hunderten Kuckucksuhr-Videos aus 30 Ländern: In dieser Digital-Variante stellt sich das Problem mit der Zeitumstellung nicht mehr. Seit einigen Jahren ist „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ im Übrigen eine durch die EU geschützte regionale Qualitätsbezeichnung.
Apropos Zeitumstellung, apropos EU. Diese hat vor einigen Jahren bereits beschlossen, künftig von der Sommerzeit abzurücken (siehe Kasten). Deren letztes Stündchen sollte eigentlich spätestens im Jahr 2026 schlagen; die Kuckucksuhr aber wird vermutlich – in jedem Fall dieses Datum – überdauern.
Zeitumstellung kommt
Am 30. März wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt, von 2 Uhr auf 3 Uhr morgens – die Sommerzeit steht ins Haus. Seit 1980 ist das in der Bundesrepublik so – sollte mittlerweile aber Geschichte sein. Denn nach Befragung der Bevölkerung hat 2019 das EU-Parlament für die Abschaffung der Zeitumstellung ab 2021 gestimmt. Daraus wurde nichts. Jetzt wird 2026 anvisiert. Bis dahin sind die Termine für Sommer- und Winterzeit amtlich festgelegt. Die EU-Staaten müssten sich auf eine Zeit einigen, um einen Flickenteppich verschiedener Zeitzonen in Europa zu vermeiden.