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Vorstoß gescheitert: Lucha bleibt für Corona-Politik im Land zuständig
STUTTGART. Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP sind mit dem Vorstoß gescheitert, Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) die Zuständigkeit für die Corona-Politik des Landes entziehen zu lassen. Ein entsprechender Entschließungsantrag scheiterte an der Stimmenmehrheit der Regierungsfraktionen Grüne und CDU.
Zu Begründung hatten Sozialdemokraten und Liberale erklärt, Lucha habe seit Beginn der Pandemie wiederholt bewiesen, wie er und sein Haus überfordert seien. Am vergangenen Wochenende habe ein „Corona-Regelwirrwarr“ geherrscht, hieß es weiter, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann müsse „die Bekämpfung der Pandemie endlich zur Chefsache machen“.
Kretschmann fordert Olaf Scholz zu Nachbesserungen auf
Zum zweiten Mal in nur zwölf Tagen kam der Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Winfried Kretschmann (Grüne) informierte über die neuesten Zahlen: Danach werden im Land derzeit 658 Menschen auf einer Intensivstation behandelt, das seien 150 mehr als bei der vorangegangenen Regierungsinformation im November. Zugleich kritisierte er die Abläufe in Berlin, weil wichtige Zeit verloren gegangen sei. Den künftigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe er brieflich zu weiteren Nachbesserungen aufgefordert. Die Länder bräuchten wieder den „vollen Instrumentenkasten – damit wir reagieren können, wenn sich die Lage nicht dauerhaft bessert“, etwa um, wenn nötig, weil die Zahlen weiter steigen, Ausgangsbeschränkungen zu erlassen und Gewerbe, Handel oder Gastronomie notfalls sogar schließen zu können. Er hoffe jedoch inständig und sei „auch vorsichtig optimistisch, dass wir in Baden-Württemberg nicht den ganzen Instrumentenkasten ausschöpfen müssen, um diese vierte Welle zu brechen“.
Obwohl sich Lucha und Kretschmann für die Verordnungsnachbesserungen vom vergangenen Wochenende entschuldigten, reagierten die Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP) und Bernd Gögel (AfD) mit scharfen Vorwürfen. Letzerer forderte von Kretschmann und den anderen Entscheidungsträgern sogar, „den Hut zunehmen und außer der Politik ihr Glück zu versuchen“. Zudem warnte er mit drastischen Worten vor einer allgemeinen Impfpflicht: „Wenn wir uns den Gesetzentwurf zur Impfpflicht aus Österreich anschauen, wird uns angst und bange, denn dort spricht man von Zwangsgeld und Beugehaft für Impfunwillige, und das erinnert uns an dunkelste Zeiten in unserer Geschichte.“
„Chaos, Chaos, Chaos“
Stoch wiederum forderte Kretschmann auf, „all die handwerklichen Lücken“ zu schließen. Eine Regelung müsse so gestaltet werden, „dass man nicht binnen Stunden alles über den Haufen wirft“. Stattdessen habe „Chaos, Chaos, Chaos“ geherrscht. Rülke sprach von einem „neuen Tiefpunkt des Corona-Missmanagements“. Einzig positiv sei, „dass es keinen allgemeinen Lockdown, keine generellen Ausgangssperren und keine Schulschließungen geben soll“. Die sonstigen Regelungen seien „absolut stümperhaft“ auf den Weg gebracht worden.
In der Kritik stand auch CDU-Fraktionschef Manuel Hagel, weil der noch Anfang Dezember einen „Adventlockdown“ gefordert hatte, am Wochenende aber aus seiner Fraktion heraus für die Erleichterungen gesorgt worden sei. Er wolle sich ehrlich machen, so Hagel, er sei überzeugt davon, dass dies für eine begrenzte Zeit, flankiert von den nötigen finanziellen Hilfen „das effektivste, wirksamste Mittel gewesen wäre“. Stoch hielt dagegen, dass aber durch CDU-Abgeordnete, darunter auch zwei CDU-Ministerinnen Social-Media-Erleichterungen verkündet worden seien, die der Verordnung widersprechen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz warb vehement für eine Impflicht, denn „Freiheit ohne Solidarität, ohne Ausgleich zu den Freiheiten anderer, ohne jegliche Relation zu dem Gesamtgefüge“ sei „Entfesselung, Rücksichtslosigkeit, Egoismus“. Ein auf diese Weise von Impfgegnern „pervertierter Freiheitsbegriff würde unsere Gesellschaft zerstören“.
Kretschmann reagierte in einer zweiten Rede ausführlich auf die zahlreichen Vorwürfe, warb aber auch um Verständnis, weil die Lage alles andere als trivial sei. Er bitte die Kritiker darum, „auf dem Teppich zu bleiben“. Auch wenn Regelungen „holprig zu Stande gekommen sind, sie gelten jetzt“. Den Begriff Chaos wies er zurück, das Land sei vielmehr „ein wohlgeordnetes Gemeinwesen“. Rülke jedoch mochte sich nicht überzeugen lassen: „Es sieht aus wie Chaos, es fühlt sich an wie Chaos, es ist Chaos.“
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer