Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Beruflicher Erfolg

Von Ingrid Noll bis Konrad Adenauer: Über die Vorzüge später Karrieren

Manche Karrieren beginnen früh – enden aber vorzeitig. Andere Menschen kommen eher spät zu Ruhm, der vielleicht nachhaltiger ist. So etwa die Weinheimer Krimiautorin Ingrid Noll oder Börsen-Oma Beate Sander.

Mit dem Roman „Der Hahn ist tot“ startete sie 1991 ihre Schriftstellerinnenkarriere: Ingrid Noll.

Rolf Vennenbernd)

Stuttgart. Manche Menschen kommen in ihrem Beruf schon in jungen Jahren an die Spitze, geraten dann aber auch vergleichsweise früh in eine Sackgasse. So hat jetzt etwa Christian Lindner, einst schon mit 21 Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, mit kaum 30 Generalsekretär der FDP, bis vergangenen November Bundesfinanzminister und derzeit noch Parteichef der Liberalen, seine politische Karriere am Wahlsonntag selbst für beendet erklärt.

Zumindest, soweit derzeit absehbar. Und das mit gerade einmal 46 Jahren; dafür hat er jetzt viel Zeit, sich um den demnächst anstehenden Nachwuchs zu kümmern.

Mit 55 Jahren veröffentlichte Ingrid Noll ihr erstes Buch – ein Bestseller

Den umgekehrten Weg ging eine Frau aus Weinheim, die wenige Tage vor dem abrupten Aus für Lindner eine hohe Ehre, das Bundesverdienstkreuz, erhielt: Ingrid Noll. „Deutschlands Krimifans kennen Ingrid Noll natürlich vor allem als Autorin packender Romane. Hier in der Region Weinheim aber steht ihr Name auch für vorbildliches bürgerschaftliches Engagement“, sagte Wissenschafts- und Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) bei der Ehrung der 89-Jährigen in Stuttgart. Mit dem Roman „Der Hahn ist tot“ startete Noll 1991 ihre Schriftstellerinnenkarriere. Da war sie Mitte fünfzig

In ihrem Erstling beschrieb sie voll Ironie und schwarzem Humor die (fiktive) Mord-Karriere der 52-jährigen Versicherungsangestellten Rosemarie Hirte, die auf der Suche nach spätem Liebes- und Lebensglück buchstäblich über Leichen geht, wirkliche und vermeintliche Nebenbuhlerinnen um die Gunst eines Womanizers aus dem Weg räumt. Noll machte mit dem Buch Furore und startete eine, salopp gesagt, „Mordskarriere“.

Zuvor war die in China geborene Arzttochter jahrzehntelang Hausfrau gewesen und hatte ihrem Mann bei der Verwaltung seiner Arztpraxis geholfen, ohne das selbst als berufliche Tätigkeit anzusehen. Literaturbegeistert seit frühester Jugend, brach sich ihr Faible fürs Schreiben erst dann Bahn, als ihre drei Kinder erwachsen und aus dem Haus waren.

Ihrem sensationellen Erfolg ließ Noll bis heute viele weitere Bestseller folgen, darunter „Die Häupter meiner Lieben“, „Die Apothekerin“ und „Kalt ist der Abendhauch“. Oft sind diese auch verfilmt worden.

„Bei Kindern Freude am Lesen zu wecken und Umgang mit Sprache zu wecken, ist ihr ein besonderes Anliegen“, so rühmte Olschowski Nolls ehrenamtliches Engagement, nicht nur durch Lesungen an Schulen. Vielleicht hat sie dort bereits künftige weitere Bestsellerautorinnen inspiriert.

Von Weinheim im Westen an die östliche Grenze des Bundeslandes. In Neu-Ulm wirkte lange Beate Sander als Realschullehrerin und zog, in Vollzeit arbeitend, allein zwei Kinder groß. Bewundernswert genug.

Doch bundesweit Beachtung, ja Berühmtheit erlangte sie erst als „Börsen-Oma“. Eigenen Angaben zufolge erwarb Sander erstmals mit Ende 50 ein Wertpapier, im Jahr 1996: die berühmt-berüchtigte T(elekom)-Aktie. Mit einem Grundstock von ersparten 60 000 Euro beginnend, steigerte sie dann den Wert ihres Portfolios auf rund drei Millionen Euro, ehe sie mit 82 Jahren verstarb. Bis zu ihrem Tod schrieb sie etliche Zeitungsartikel und erfolgreiche Bücher zum Thema Geldanlage an der Börse.

Adenauer, Merz, Kretschmann: Auch in der Politik gibt es späte Karrieren

Wenn es Lindner fachlich nicht zu neuen Ufern drängt und er keine weiblichen Vorbilder mögen sollte, kann er sich ja vielleicht später doch wieder in der Politik versuchen: Unter dem Motto „Je oller, desto doller“.

CDU-Legende Konrad Adenauer wurde nach einer langen politischen Zwangspause während der Nazizeit bekanntlich erst mit 73 Jahren Bundeskanzler. Nun schickt sich Friedrich Merz, wie Lindner in NRW beheimatet, mit immerhin auch schon 69 Lenzen an, Kanzler zu werden – anders als Adenauer, der lange Oberbürgermeister von Köln gewesen war, ohne vorherige Erfahrung in einem Amt mit (Regierungs-)Verantwortung.

Und, um in Baden-Württemberg zu bleiben, hier hatte ein gewisser Winfried Kretschmann bis 2010 zwar schon eine gewiss respektable politische Laufbahn in der grünen Partei und kurzzeitig auch als Staatssekretär in Hessen hinter sich. Doch als er 2010 zu seiner nach Ansicht vieler Beobachter vermeintlich letzten Landtagswahl im Südwesten als grüner Spitzenkandidat antrat, zündete der Turbo bekanntlich erst so richtig. In dem Alter, das vielen für ihren Renteneintritt vorschwebt, mit 63 wurde er dann der erste und – das ist er noch immer – bisher einzige grüne Ministerpräsident.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch