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Polizei bringt Autofahrer mit Humor auf die rechte Spur

Autos blockieren oft mit Schneckentempo die Mittelspur. Mit Humor kämpft die Polizei dagegen.
Ki-generiert mit Adobe Firefly/Marc Herrgoß)„Liebe Mittelspurfahrer, wir müssen reden…! So beginnt ein Facebook-Post der Polizei Pforzheim. Wie und warum das?
Jeder Autobahnfahrer kennt das Phänomen: Nach dem Überholen würde man gerne auf die mittlere Spur wechseln, weil von hinten ein verhinderter Formel-1-Weltmeister mit über 250 Sachen heranbraust. Doch dort ist alles besetzt – von gemütlich mit 90-plus-Stundenkilometern dahintuckernden Wagen – , während die rechte Spur gähnend leer ist. Das treibt den Blutdruck in die Höhe und erhöht das Unfallrisiko.
Ob es nun aus Unwissenheit geschieht oder aus Bequemlichkeit – das beliebte Verharren auf der Mittelspur, durch Fahrassistenzsysteme wie den Tempomaten noch gefördert, ist unzulässig. In der Politik mag Maß und Mitte recht und sinnvoll sein. Wenn viele sich in der Mitte des Spektrums bewegen, sorgt das für Stabilität und Ordnung. Anders im Straßenverkehr. Und so gibt es kein Rechtswähl-, wohl aber ein Rechtsfahrgebot in Deutschland (siehe Kasten): „Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.“
Die Mittelspur ist nicht euer persönlicher Thron, heißt es im Post
Wer das nicht kennt oder ignoriert, dem hilft die Polizei Pforzheim nun auf die Sprünge. Und zwar mit dem besten Schmiermittel gelingender Kommunikation: dem Humor. Beim Facebook-Auftritt der Pforzheimer Polizei ist Witz und Ironie sogar Programm. Vierteljährlich veröffentlicht die Behörde dort einen Beitrag unter dem Leitspruch „humorvoll. sicher. fahren.“ Diesmal versucht sie so, Mittelspurfahrer nicht zur Strecke, sondern buchstäblich zur Raison, also zur Vernunft zu bringen – und auf die richtige, die rechte Spur.
„Liebe Mittelspurfahrer, wir müssen reden…!“ Im eingangs schon erwähnten Polizei-Post versetzt sich der Autor für seinen Text sogar in die Perspektive derer, die den Mittelweg wählen, der eben nicht immer der richtige ist: „Ihr kennt das: Ihr fahrt gemütlich auf der Mittelspur, die Sonne scheint, das Radio spielt euren Lieblingssong, und plötzlich – diese Lichthupe von hinten!“ Allerdings gelte leider, so weiter im Text: „Die Mittelspur ist nicht euer persönlicher Thron“ und „Rechts ist kein Bermuda-Dreieck – ja, ihr geht hier nicht verloren“. Und die vergnügliche Belehrung ohne Zeigefinger endet mit den Worten: „Gönnt der Mittelspur mal eine Pause! Nehmt all euren Mut zusammen, setzt den Blinker und entdeckt das Mysterium der rechten Spur. Ihr werdet überrascht sein – sie ist tatsächlich befahrbar.“
Den netten Ton spiegeln auch einige Reaktionen wider. „Ehre an den, der dieses Lyrische Meisterwerk verfasst hat!“, schrieb an diesem Mittwoch ein Facebook-Nutzer. „Ihr trefft den Nagel auf den Kopf und sprecht genau das aus, was viele auf den Autobahnen denken!“, schreibt ein anderer und meint, es „gehört euch ein Orden durch den Polizeipräsidenten verliehen“. Sogar eine Gehaltserhöhung für den Verfasser wird vorgeschlagen.
Und ein professioneller Autobahnnutzer postet mit Augenzwinkern: „Ich bin einer von vielen netten Lkw-Fahrern, denen die rechte Spur nicht alleine gehört. Ihr dürft euch gerne ohne Angst hin und wieder zu uns gesellen.“
Sogar Auto-Bild ist auf die Aktion der Pforzheimer Polizei aufmerksam geworden und widmete ihr diese Woche einen Artikel: Mittlerweile hat der Pforzheimer Polizei-Post aus dem Vormonat mehr als 140 000 Likes erhalten und rund 10 000 Kommentare. Freilich sind nicht alle so zustimmend und verständnisvoll wie die zitierten.
Bußgeld und ein Punkt in Flensburg sind die Alternative zur Einsicht
Doch offenbar hat die Aktion einigen Erfolg. So wird Christian Schulze aus dem Social-Media-Team der Polizei Pforzheim folgendermaßen zitiert: „Uns haben Leute geschrieben, dass sie mittlerweile an uns denken, wenn sie auf der Autobahn sind, und dann doch mit einem Lächeln rechts rüberfahren.“ Humor ist die Fähigkeit, heiter zu bleiben, wenn es ernst wird, lautet ein Aphorismus.
Ach ja, das hätten wir ja fast vergessen: Für diejenigen, bei denen der Humor der Pforzheimer Polizei nicht verfängt: Es geht auch anders. Hier also ein kleiner Reminder für die hartnäckigen Rechtsfahrverweigerer, im gewohnten Juristen-Ton gehalten. Zuwiderhandlungen gegen das Rechtsfahrgebot können sanktioniert werden.
Spätestens dann ist tatsächlich Schluss mit lustig. Denn 80 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg drohen, wenn Mittelspurschleicher durch ihr Verhalten andere Autofahrer behindern.
Rechtsfahren ist Pflicht
Laut Straßenverkehrsordnung gilt grundsätzlich: Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr. Auf dreispurigen Autobahnen ist also die Mittelspur allein übergangsweise zu nutzen – im Prinzip. Denn es gibt eine Ausnahme. Ein Auto darf den Mittelstreifen durchgängig befahren, solange hin und wieder ein Fahrzeug auf der rechten Spur ist. Diese Lockerung des Rechtsfahrgebots soll gefährliche Spurwechsel reduzieren. Freilich muss, so rät der ADAC, wieder auf die rechte Spur gewechselt werden, wenn diese für deutlich länger als 20 Sekunden frei ist.