Ein anderer Blick auf die Landespressekonferenz

Politiker, Paranoia und Pressesprecher

Dass Politiker nur normale Menschen sind, die ihr Nutellabrot mit oder ohne Butter essen, weiß jeder. Wirklich klar wird es uns aber erst dann, wenn wir einem tatsächlich gegenüberstehen. Wie es ist, die wöchentliche Landespressekonferenz zu erleben. Von Leonie Henes

Volontärin Leonie Henes bei der Landespressekonferenz in Baden-Württemberg: Ein erster Einblick in die Welt der Politik.

Achim Zweygarth)

Ich will nicht gleich zu Beginn meiner Zeit als Volontärin in der Redaktion des Staatsanzeigers lügen. Ich bin ein Journalisten-Küken und fühle mich auch so, denn der Sprung von Winnie Puuh zu Winnie Kretschmann hat meinen Flügeln gleich mal einiges abverlangt.

Noch bin ich dabei, mein Gefieder auf die neuen Gegebenheiten anzupassen und prompt wirft mich mein Chef in ein völlig neues Gehege: Die Landespressekonferenz, bei der am Dienstag immer der Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich den Fragen der Journalisten stellt.

Um nicht bei der nächsten Fast-Food-Kette paniert in der Fritteuse zu landen, habe ich mich dieser Aufgabe gestellt und nach dieser Erfahrung kann ich sagen: Das heiße Öl wäre gnädiger gewesen.

Wenn Winfried Kretschmann großväterlichen Rat gibt

Das ist natürlich nur ein kleiner Scherz. Wer sich keinen neuen Situationen stellt, kann auch nicht an ihnen wachsen. An dieser Stelle also bedanke ich mich, dass man mir diese Aufgabe gleich zu Beginn zutraut. Nun aber zum Eigentlichen. Wie ist es da eigentlich so auf der wöchentlichen Fragerunde der Journalisten in der Pressekonferenz?

Nun, es fühlt sich an wie ein Zusammenspiel aus vergangenen Lebenserfahrungen. Der Raum ähnelt dem Vorlesungssaal einer Universität, die anwesenden Journalisten und Pressesprecher begrüßen sich wie alte Freunde und es wird philosophiert wie im Lateinunterricht. Die Weisheit des Tages für mich: „Wenn wir wüssten, was wir wissen, wüssten wir viel mehr.“ Das sagt Innenminister Thomas Strobl (CDU). Sokrates müsste sich bei dieser Konkurrenz wohl warm anziehen. Was den Ministerpräsidenten selbst angeht – er gibt den Fragestellern einen geradezu großväterlichen Rat. Wohl unabsichtlich hat er einer jungen Journalistin ein wenig Mut gemacht, als er sagt: „Wir brauchen eine fehlerfreundliche Kultur. Sonst geht keiner mehr ein Risiko ein und macht etwas Neues.“ Recht hat er!

Wenn er jetzt noch den Knopf für das Mikrofon finden würde, dann würden ihn auch diejenigen hören, die in den hinteren Reihen sitzen. Aber wie er selbst sagt: „Kann man nicht – also kann man schon – aber machen wir nicht.“ Aber jetzt habe ich dieses Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, es fiel eigentlich in der Diskussion um den missglückten Kompass-4-Test an den Grundschulen.

Ein Schaulaufen der Kameras und Fotografen mit Politikern

Wer sich jetzt fragt, was sonst noch alles kontextfrei zitiert wird, der kann beruhigt sein: Der Raum ist gespickt mit Kameras. Es bleibt nichts undokumentiert. Und damit meine ich wirklich gar nichts. Die Paranoia, die die vielen Linsen in mir ausgelöst haben, verfolgt mich noch Stunden später. Ich sitze aufrecht im Zug und bemühe mich um ein Poker-Face, auf das Lady Gaga Stolz wäre. Ob es mir auch in der Pressekonferenz gelungen ist, werde ich hoffentlich (nicht) in einem Fernsehformat sehen.

Teilnehmer der Landespressekonferenz verfolgen aufmerksam die Diskussionen und geben ihre Fragen an die Politiker weiter.

Die Landespressekonferenz, an der ich teilnehmen durfte, war jedoch auch eine, auf der schwierige Themen besprochen wurden. Nicht nur, dass über den Aufbau eines Staatsschutz- und Anti-Terror-Zentrums informiert wurde. Auch die Nachricht vom Rücktritt des Staatsministers Florian Stegmann wurde besprochen. Ein emotionales Thema, bei dem Kretschmann sich nicht völlig dem Strom der Gefühle entziehen konnte. Sein Statement war mit einer brüchigen Stimme unterlegt und es reichte aus, um denjenigen Menschlichkeit zu zeigen, die hinhörten.

Sich menschlich gezeigt hatte auch Thomas Strobl (CDU), der sich nach Ende der Pressekonferenz Zeit für ein kurzes, aber persönliches Gespräch mit mir nahm. Zwar gab er mir keine weiteren Weisheiten mit auf den Weg, doch er sprach in einem zuversichtlichen Ton über meine Zukunft: Ein zwinkerndes „Auf Wiedersehen“ mit dem Wissen (oder auch Nichtwissen?) mich bei einer anderen Veranstaltung wieder in den Reihen der Journalisten entdecken zu können.

Was die Reihe meiner Gleichgesinnten angeht, bin ich mir ebenfalls sicher, ein paar Dinge gelernt zu haben. Die Art und Weise, Fragen zu stellen, wie man richtig mit politischen Akteuren agiert und wie man sachgerecht nachhakt, wenn Ministerpräsident Kretschmann mal wieder dem Kultusministerium widerspricht.

In jedem Fall ist es eine interessante Erfahrung, Politikern persönlich gegenüberzustehen. Aber es unterscheidet sich nicht von anderen alltäglichen Begegnungen. Sie atmen dieselbe Luft, vergessen mal das Mikrofon anzustellen und haben ganz sicher auch ihre eigene Meinung zu der wichtigsten Mahlzeit des Tages.

Leonie Henes spricht am Rande der Landespressekonferenz mit dem Innenminister Thomas Strobl.

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