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„Wir werden mehr G9 an Gymnasien ermöglichen“
Thomas Poreski: Ich bin immer davon ausgegangen, dass das Quorum erreicht wird. Denn ich spreche mit vielen Eltern, und ich verstehe sie gut. Meine Kinder sind aus dem Alter heraus, aber wenn ich ein Kind mit zehn Jahren hätte, würde ich mich im Zweifel immer für G9 entscheiden – weil ich zum Beispiel nie weiß, wie die Pubertät verlaufen wird.
Die G-9-Initiative hat das von der Landesregierung angestoßene Bürgerforum als Konkurrenz wahrgenommen …Das sehe ich anders. Das ist schließlich kein Format, bei dem am Ende ein Ja oder ein Nein steht, sondern ein differenziertes Votum. Das hat die Erfahrung solcher Foren mit Zufallsbürgern gezeigt, auch bei kniffligen Fragen wie der Abgeordneten-Altersversorgung oder dem Großgefängnis in Rottweil.
Die Grünen waren bisher für G8, wie stellt man sich jetzt auf? Der Landtag muss sich mit dem Volksantrag für G9 befassen.Für die Grünen-Fraktion ist wesentlich, welche Ergebnisse das Bürgerforum liefert. Und es geht ums Geld . Die Initiative, die meint, als reiches Land müsse man das Geld für neun Jahre Gymnasium einfach zusätzlich aufbringen, macht es sich zu einfach.
Soll man also einfach das alte G-9-Gymnasium wieder aufleben lassen?Nein, denn bei Licht betrachtet hat es auch keine besonders guten Ergebnisse gebracht. Wir brauchen dringend einen zeitgemäßen Rahmen – der nicht nur mit anderen Bundesländern mithalten kann, sondern mit der Champions League der Pisa-Vergleichsländer, etwa mit Kanada und Finnland.
Einen Kommentar zu G9 an Gymnasien lesen Sie hier.
Ihre Fraktion zeigt sich „offen für G9“, sind die Grünen tatsächlich bereit, in diese Richtung zu gehen?Ja, sonst wären wir ja nicht offen. Wir werden am Ende mehr G9 auch an den Gymnasien möglich machen und dabei bedenken: Realschulen, Gemeinschaftsschulen und berufliche Gymnasien sind für unser Bildungssystem ebenso wichtig. Wenn die ausbluten, ist nichts gewonnen.
Wie sieht ihr Konzept aus?Das Grundanliegen, dass die Kinder mehr Zeit bekommen und besser lernen können, muss erfüllt werden. Der Leiter der Pisa-Studien, Andreas Schleicher, diagnostiziert als Mangel in Deutschland das sogenannte Bulimie-Lernen. Unsere Schülerinnen und Schüler werden getrimmt, schnell Fachstoff aufzunehmen und wiederzugeben. Dabei bleibt viel zu wenig hängen, es fehlt Zeit für Vertiefung und eigenständige Auseinandersetzung. In den Pisa-Siegerländern ist das anders. Dort erreichen die Kinder, mit weniger Belastung für sich und die Familien bessere Ergebnisse.
Wie kann das konkret aussehen?In den Ländern, die bessere Ergebnisse in den Vergleichsstudien haben, wird in einem adaptiven Unterricht an der Kompetenzbildung gearbeitet, mit weniger Stoff und mehr Tiefe. Das brauchen wir nicht nur für die Gymnasien. Es wäre fantasielos und wenig sinnvoll, nur ein paar Stunden zusätzlich Mathematik, IT oder Gemeinschaftskunde draufzupacken.
Warum hat man in 20 Jahren G8 nicht reformiert und den Stoff entschlackt?Eigentlich dürfen die Schulen heute schon wesentlich eigenständiger agieren, als sie sich oft trauen. Viele haben Bedenken, dass die Prüfungsleistungen leiden könnten. Interessanterweise lassen aber gerade die preisgekrönten Vorzeigeschulen oft ein Drittel des Schulstoffes weg – und sind am Ende erfolgreicher. Das müssen wir für die Breite der Schulen fördern und ermöglichen.
Sie haben schon im Dezember 2022 Wahlfreiheit für Eltern vorgeschlagen …Das hat mir nicht nur Freunde gebracht (lacht). Ich persönlich halte es für klug, die jungen Menschen in der 9. Klasse individuell entscheiden zu lassen, ob für sie die heutige zehnte Klasse um ein Jahr gestreckt wird. Da könnten dann neben gezielten Förderungen auch ein ausgedehntes Berufspraktikum oder ein Auslandsaufenthalt integriert werden.
Wird es wie beim Volksantrag für die Bienen Verhandlungen geben?Eine Volksabstimmung würde maximale Polarisierung und Vereinfachung bedeuten. Ich wünsche mir, dass wir alle an einen Tisch setzen: Eltern, Lehrkräfte und die Bildungswissenschaft. Und dann ein kluges Konzept für das Gymnasium ausarbeiten, das allen Schularten gerecht wird.
Das Gespräch führte Rafael Binkowski
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