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Bauern fordern von Kretschmann: „Wir brauchen eine praktikable Lösung“
Ditzingen. Das Thema Agrardiesel trifft alle Landwirte gleich. Ganz gleich ob sie auf ihren Betrieb konventionell wirtschaften oder ob sie auf einen Biobetrieb umgestellt haben. Reinhard Grieshaber, Biolandwirt aus Ditzingen nennt Zahlen. Für seinen Betrieb geht es bei der Streichung des Agrarprivilegs beim Diesel um 20000 Euro pro Jahr. Eine Alternative zum Diesel gibt es für die Landwirtschaft bislang nicht. Gleichzeitig sind auch alle anderen Kosten gestiegen: dazu zählen 20000 bis 30000 Euro jährlich höhere Stromkosten, gestiegene Personalkosten. Hinzu kommt, dass das Pro-Kopf-Einkommen in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg im Schnitt gerade mal bei rund 35000 Euro jährlich liegt.
Laut Statistik sind die Einkommen im Südwesten bundesweit die niedrigsten. Und davon sind in der Regel noch keine Rentenbeiträge bezahlt, wie die anwesenden Landwirte darlegten. Für Markus Rösler, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, in dessen Wahlkreis der besuchte Bioland-Betrieb liegt ist klar: „Der Agrardiesel war nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat.“
Vom Bioland-Betrieb Grieshaber & Schmid in Ditzingen leben drei Familien mit mehreren Generationen. Der Betrieb hat Kühe, produziert Milch und Fleisch, betreibt Acker und Gemüsebau. Auf diesem Hof hat Kretschmann sich mit den Landwirten getroffen. Und er kam vor allem zum Zuhören.
Neuer Erosionsschutz sorgt für Unsicherheit
Etwa über die Probleme mit Glöz 5. Hinter Glöz verbergen sich Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen. Glöz 5 befasst sich mit dem Erosionsschutz. Die Bedingungen dafür muss jeder Betrieb einhalten, der Direktzahlungen oder flächen- und tierbezogene Fördermaßnahmen des ländlichen Raums beantragt. Doch die genaue Ausgestaltung und die Ausnahmeregelungen von Glöz 5 obliegen dem Land. Und da hakt es. Biolandbetriebe aus der Region haben deshalb bereits im Dezember an die zuständigen Minister geschrieben, Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) und Umweltministerin Thekla Walker (Grüne).
Denn seit dem 1. Dezember 2023 gilt auf den Böden in Erosionsgefährdungskulissen ein pauschales Pflugverbot. Denn das Land hat für die Landwirte dringend erforderliche Anpassungen für die Beibehaltung bewährter ökologischer Praktiken bislang nicht umgesetzt. Das bedeutet eine große Rechtsunsicherheit für die Anbauplanung in diesem Jahr. Denn die Bauern riskieren entweder durch einen Verstoß gegen die Glöz-5-Auflagen ihre Agrarförderung zu verlieren oder sie müssen deutliche Ertragseinbußen hinnehmen durch eine schlechte Bodenstruktur und Unkrautbesatz, weil sie ihre Böden nicht situativ angepasst bearbeiten können.
Kretschmann will sich kümmern
Ein Beispiel ist ebenfalls der Biobetriebs Grieshaber & Schmid. Die Ackerflächen des Hofs, auf dem im vergangenen Sommer die bundesweiten Ökofeldtage stattfanden, liegen fast vollständig in Erosionsgefährdungsklassen. Es handelt sich überwiegend um schwere Böden. Durch ein Anbausystem mit einer Vielzahl an Kulturen, mehrjährigem Luzernegras in der Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau und organischer Düngung, konnten dort bislang auch Kartoffeln und Gemüse angebaut werden. Derzeit ist unklar, ob das mit den neuen Vorschriften wirtschaftlich überhaupt noch möglich ist. Auch der Biohof von Swen Seemann kämpft mit diesen Problemen. Der Hof, der in der ganzen Region vor allem für seine Erdbeeren bekannt ist, ist mit 87 Prozent seiner Fläche von der Erosionsvorschrift betroffen. „Wir brauchen eine praktikable Lösung“, fordern die Landwirte von Kretschmann, der verspricht, sich um dieses Thema zu kümmern.
Die Diskussion mit dem Ministerpräsidenten ist sehr sachlich. Doch man merkt den Landwirten auch Frust und Verärgerung an. Sie verweisen darauf, dass die Landwirte im Land noch nie besser ausgebildet waren, als heute. Viele der jungen Bauern haben ein Studium oder einen Meister. „Wir haben unseren Beruf gelernt. Einem Zimmermann schreibt man ja auch nicht vor, wie herum er einen Nagel einschlagen soll“, so ein junger Landwirt. Und Daniel Grieshaber ergänzt, dass die Landwirte durch Auflagen gar nicht mehr nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten könnten. Man frage sich, ob Vertreter aus der Praxis bei Gesetzen und Verordnungen überhaupt vertreten gewesen seien. Darauf reagierte auch der landwirtschaftliche Sprecher der Grünen, Martin Hahn: „Es muss gelingen, auf dem Weg zu einem Gesetz oder einer Verordnung mehr Praxis einzubinden.“
Kretschmann zeigte, dass er zuhören kann. Und er warb für den Strategiedialog Landwirtschaft. Dort sollen bis zum Herbst Ergebnisse vorliegen. Seine Bitte an die Landwirte: Sie sollen weiter dran teilnehmen und nicht über den Ärger wegen des Agrardiesels sich hier rausziehen. „Wir müssen miteinander reden, um etwas zu verändern“, so Kretschmann.