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Delegationsreise nach Japan und Südkorea

Winfried Hermann und das japanische Einparkwunder

Baden-Württemberg braucht sich nicht zu verstecken: Das ist das Fazit von Tag eins der letzten großen Reise, die Winfried Hermann als Verkehrsminister nach Japan und Südkorea führt. Doch das tut der Faszination keinen Abbruch. Insbesondere ein Auto, das in so gut wie jede Parklücke passt, hat es der deutschen Delegation angetan. Aus Tokyo berichtet Staatsanzeiger-Chefredakteur Rafael Binkowski.

Verkehrsminister Winfried Hermann (links) und der für Internationales zuständige Staatssekretär Florian Hassler (Mitte) übergeben dem Gouverneur von Kanganawa Yuji Kuroiawa einen Porzellanteller der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur. Herrmann und Kuroiawa amtieren beide schon seit dem Jahr 2011 und kennen sich gut.

Rafael Binkowski)

Tokyo. Es ist die letzte große Reise von Winfried Hermann. Seit 2011 ist er Verkehrsminister von Baden-Württemberg, der erste Grüne in diesem Amt, ebenso wie Winfried Kretschmann, der seither Ministerpräsident ist. Kurz nachdem der damals in konservativen Kreisen noch als „linker Autoschreck“ verschriene Grünen-Politiker damals sein Amt bezog, reiste er schon einmal nach Japan, mit ganz ähnlichen Programmpunkten. „Damals wollten wir etwas erfahren über die Hybridtechnologie und Elektroautos“, erinnert sich der 72-Jährige. Nun, ein Jahr vor seinem Ausscheiden aus der Politik, ist Hermann wieder hier. Auch um zu sehen, wie es mit dem autonomen Fahren und künstlicher Intelligenz in Asien steht.

Verkehr in Tokio: Winfried Hermann und seine Delegation erkunden die vernetzten Verkehrssysteme der Metropole.

In der Provinz Kanagawa mit der Hauptstadt Yokohama amtiert ebenfalls seit 2011 ein Politiker. Yuji Kurojawa ist Gouverneur der Provinz und lebt die Partnerschaft dieser Region mit Baden-Württemberg. Diese wurde 1989 noch unter Lothar Späth (CDU) als Ministerpräsident begründet. Es gibt einen engen und herzlichen Austausch.

Jetzt sieht man sich wieder, nach einer 13 000 Kilometer langen Reise um den halben Globus. „Wir freuen uns über die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Winfried Hermann, als man sich im 27. Stock eines dieser vielen Hochhäuser aus einer Reihe von endlosen Hochhäusern in Yokohama trifft.

Als Gastgeschenk gibt einen Porzellanteller mit einem Ginkgo-Blatt, hergestellt in der historischen Ludwigsburger Porzellanfabrik. In dem Dialog wird schnell klar: Beide Regionen kämpfen mit denselben Problemen. Eine starke Abhängigkeit von der Automobilindustrie, der Einbruch der Verkäufe weltweit und in Japan, die schwierige Transformation zur Elektromobilität.

Es ist ein dichtes Delegationsprogramm wie auf solchen Reisen üblich. Experten, Unternehmer, Wissenschaftler und Ministeriumsmitarbeiter sind mit dabei, um sich auszutauschen. In einem Workshop erzählen japanische Startup-Gründer von ihren Projekten, perfekt organisiert, wie man es in Japan erwarten kann, und simultan übersetzt. Manches bleibt vage, autonomes Fahren ist auch in Japan mehr ein Testbetrieb denn gelebter Alltag. „Da sind wir schon weiter“, sagt ein deutscher Delegationsteilnehmer.

Sascha Binder (SPD) und Thomas Dörflinger (CDU) in dem Mini-Elektrotauto Fomm2 in Yokohama, das nur 12.000 Euro kosten soll und um 360 Grad drehbare Räder haben wird.

Interessant ist die Vernetzung der Verkehrssysteme. Die Firma Mitai Share etwa hat mit der Deutschen Bahn eine Datenbank entwickelt, auf deren Basis auch im Südwesten Verkehrsapps laufen wie etwa VVS Rider für die Region Stuttgart oder Hey Moove. Wer den perfekt ein Uhrwerk laufenden Nahverkehr in Tokio oder Yokohama kennt, weiß, wie wichtig die Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ist.

Aber auch bei der Elektromobilität hat Deutschland die Japaner inzwischen überholt. In Japan dominiert immer noch der Hybridmotor von Toyota mit 50 Prozent der Fahrzeuge, der mit Benzin einen Elektromotor antreibt. Sparsam leise, und effizient, aber eben kein Elektroauto. „Der Anteil von reinen Stromern liegt bei 1,7 Prozent“, staunt Winfried Hermann. So manches läuft hier anders.

So auch nach Fukushima – die Reaktorkatastrophe nach dem Erdbeben mit Tsunami, der in Deutschland zum Ausstieg aus der Atomkraft geführt hat, und zum Machtwechsel in Baden-Württemberg. In Japan hat man nach einer kurzen Pause wieder auf Atomkraft gesetzt und baut sie sogar noch aus. „Das geht manchmal schwer zusammen“, sagt der grüne Verkehrsminister aus „the Länd“.

Winfried Hermann auf einer Hauptverkehrsstraße in Tokio, die am Samstag komplett für den Verkehr gesperrt ist und von Fußgängern und Radfahrern genutzt wird. „Das könnten wir bei uns auch machen“, sagt er.

Bei bestem Wetter und 25 Grad ist die Delegation unterwegs, die Kirschblüte, die Touristenattraktion schlechthin, wird in den nächsten Tagen erwartet. Auch die beiden mitreisenden Landtagsabgeordneten Thomas Dörflinger (CDU) und Sascha Binder (SPD) staunen über den wenigen Platz in Tokio – die Wohnungen haben in der Regel kein Wohnzimmer, sind klein und effizient. Bis an den Stadtrand türmen sich Hochhäuser mit kleinen Wohnparzellen. Politisch tickt das Land konservativ, Frauen spielen eine untergeordnete Rolle. „Und auch die Sozialdemokraten“, schmunzelt Sascha Binder. In Baden-Württemberg dagegen darf die SPD immer mal wieder mitregieren.

Thomas Dörflinger und der Staatssekretär Florian Hassler (Grüne) sind knapp angereist, beide mussten ihn ihren Wahlkreisen noch nominiert werden. Die Landtagswahl 2026 wirft eben ihre Schatten voraus.

Eine kleine Sensation gibt es auch zu bestaunen. Am Montag besucht die Delegation das Automobil-Startup Fomm in Yokohama. Der 70-jährige Firmengründer Hibeo Trusumaki steckt viel Geld in seine kleine Firma, die eher an eine Hinterhofgarage erinnert. Der Fomm1, wie das erste Modell heißt, kann auf Wasser fahren, kostet nur 12 000 Euro und kann seine Räder um 360 Grad drehen. „Damit kann das Leben so einfach sein“, sagt der Autonarr, der selbst gerne Luxusautos fährt. Das Miniauto kann so seitwärts in eine Parklücke fahren.

Winfried Hermann ist begeistert: „Das bräuchten wir doch auch in Deutschland, auch in Baden-Württemberg!“ Parklücken füllen, enge Gassen, die die Stadt ideal. Und 100 Kilometer Reichweite, in zwei Minuten superschnell aufgeladen, autonom fahrend, das verspricht das Modell Fomm 2, das 2027 auf den Markt kommen soll. Alles günstig produziert auf den Philippinen.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Yokohama im Mini-Elektroauto Fomm2, das nur 12 000 Euro kostet und sogar auf Wasser fahren kann.

Hermann steigt in ein Konzeptauto, etwas eng, aber es passt. „Ein kleines, kompaktes und bezahlbares Elektroauto, daran fehlt es bei uns“, sagt der Grünen-Politiker. Und auch aus der Delegation gibt es schon erste Bestellwünsche. Auch in Japan stemmen aber die großen Firmen solche Projekte nicht. Der Grund? Toyota dominiert alles, und die Großfirma setzt weiterhin auf ihren asiatischen Hybrid-Benzinmotor. Der aber elf Jahren nach der letzten Reise des Verkehrsministers ein wenig aus der Zeit gefallen scheint.

Und so sucht man weiter gemeinsam nach Lösungen – ab Mittwoch dann auch in Südkorea, dort wird dann künstliche Intelligenz auf dem Programm stehen, man darf gespannt sein.

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Das autonome Automobil ist auch in Japan noch Zukunftsmusik | Staatsanzeiger BW

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