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G-9-Gymnasium

Wie Kretschmann und Schopper die neue Schulwelt erleben

Wie sieht das neue G9 aus, das mit dem kommenden Schuljahr in den Klassen 5 und 6 starten soll? Einen Eindruck davon haben sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne) am Königin-Charlotte-Gymnasium in Stuttgart verschafft. Es ging um KI-Einsatz, Lerncoaching, Demokratiebildung und Deeper Learning.

Ein Blick in die Zukunft des neuen neunjährigen Gymnasiums: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper besuchen das Königin-Charlotte-Gymnasium in Stuttgart.

Achim Zweygarth)

Stuttgart. Es wirkt alles etwas grau und kahl. Der Regen verstärkt den Eindruck an diesem Mittwochnachmittag noch. Vor Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper liegt ein großer leerer Schulhof mit vielen Pfützen. Der Wagen bringt die beiden direkt über den asphaltierten nassen Platz vor die Schultür.

Der Eingang ist unscheinbar, einer von vielen, die in die in den 1970er-Jahren erbaute Schule führen. Und doch werden hinter diesen Mauern Lernkonzepte umgesetzt, die für viele noch Zukunftsmusik sind. Die Kultusministerin sieht aber genau solche Lernkonzepte für das neue neunjährige Gymnasium, das ab dem kommenden Schuljahr in den Klassen fünf und sechs starten soll.

„Das neue G9 trägt den Anforderungen unserer Zeit Rechnung. Es setzt einen besonderen Schwerpunkt bei der Demokratiebildung, um den jungen Menschen Verständnis und Wertschätzung für Demokratie und Grundgesetz zu vermitteln“, sagt Schopper. Ein weiterer Fokus liegt auf der Entwicklung der Informationstechnologie und der Medienlandschaft. „Das zusätzliche Jahr schafft Gelegenheit zur vertieften Persönlichkeitsbildung, um unsere Kinder zu klugen und kritischen Geistern zu entwickeln“, so die Ministerin.

Und genau dies wird am Königin-Charlotte-Gymnasium in Stuttgart -Möhringen bereits umgesetzt. Allerdings sind die Räume bislang dafür eher ungeeignet. Anhand eines 3-D-Modells ihrer Schule, dass mit KI erstellt wurde, führen die Schüler die Gäste durch das Gebäude – und zeigen eine Schule, wie sie künftig aussehen soll, um modernes Lernen zu ermöglichen. „Man kann nur gut lernen, wenn es einem gut geht“, sagt eine Schülerin. Und dazu soll auch der Pausenhof beitragen. Statt einer kahlen Betonfläche zeigen die Schüler grüne Oasen, Sitzplätze im Schatten, Spielbereiche mit Klettergerüsten und auch Lernbereiche, um den Unterricht im Sommer auch nach draußen verlegen zu können.

Dann geht es in die Schule. Ein neukonzipierter Haupteingang als Ankommensort. Meeting-Spaces sind im Gebäude verteilt. KI-Spaces ebenso. Und sie stehen ganztägig für alle zur Verfügung. „Nicht jeder Mitschüler hat einen sicheren Lernort“, sagt eine Schülerin. Auch die Lehrerzimmer sind auf Teamarbeit angelegt.

KI-Schulungen für Schüler, Lehrer und auch die Eltern

Im ersten Stock stehen die Besucher dann in einem großen fensterlosen Raum, von dem sechs Klassenzimmer abgehen. „Das sind keine Räume für einen differenzierten Unterricht“, sagt Rektor Benjamin Köhler. Doch genau das ist dem Rektor, den Lehrern, Schülern und Eltern wichtig. „Für uns ist Deeper Learning mit dem Ziel hochkompetenter und wertorientierter Selbstlernender seit Jahren eine wichtige Zieldefinition der Schulentwicklung“, sagt Köhler.

Ein zentraler Faktor dabei ist die Kompetenz im Bereich der Medienbildung und der Künstlichen Intelligenz. „Da lernt man, wie man ein sicheres Passwort erstellt oder wie man Fake News erkennt“, erzählt Sechstklässlerin Donja dem Ministerpräsidenten. Und Linda ergänzt: „Medienbildung gibt es schon in Klasse 5.“

Inzwischen haben die Schüler ab der achten Klasse ebenso wie fast alle Lehrkräfte und viele Eltern bereits KI-Schulungen erhalten. „Unsere Schülerinnen und Schüler werden systematisch zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Lernprozessen geschult, haben gleichberechtigten Zugang zu KI-Assistenz als Lernbegleitung und lernen auch den kritischen Umgang mit den aus dieser Technologie entstehenden Herausforderungen für die Demokratie“, sagt Rektor Köhler.

Was das konkret bedeuten kann, erklärt Anton. So seien die KI-Workshops etwa eine Grundlage, um zu verstehen, wie man in Sozialen Medien in eine Bubble gerät und warum einem bestimmte Meldungen angezeigt werden.

Und die KI hilft auch beim Lernen. Amalia hat Englisch als Leistungskurs. Sie schreibt selbst Texte auf Englisch, und nutzt dann die KI, um die Texte zu verbessern. So habe sie vor einer Klassenarbeit nicht nur einen Übungstext, den sie im Unterricht schreibe, sondern weitere. Auch ein Prompt für die Abfrage für einen Englisch-Vokabeltest hilft ihr mehr als stumpf die Vokabeln von Karteikarten zu lernen.

Prompts für die KI wurden von Lehrern entwickelt und können entsprechend angepasst werden. Und nicht allein die KI unterstützt die Schüler beim Lernen. Es gibt bei Bedarf Nachhilfe von Schülern für Schüler und auch Lerncoaches. Die Lehrer sind dazu beispielsweise per Teams erreichbar oder können einfach im Schulgebäude angesprochen werden. Und das hilft, wie Mya festgestellt hat. Sie hat Prüfungsangst. Und da kann schnell ein Test daneben gehen. Inzwischen hat sich das bei ihr in vielen Fächern gelegt.

Demokratie wird praktisch gelebt: Die Schüler sollen sich einbringen

Auch ein Schülersprechtag für die Halbjahresinfo hilft. Hier geht jeder Schüler, ohne Eltern, in den Austausch mit den Lehrern. „Das ist nie ein Bashing“, sagt Anton. Vielmehr arbeite man gemeinsam daran, dass der Schüler besser wird. Ein Weg dabei kann etwa die AG „Lernen lernen“ sein. Und zum Lernen gehört auch ein Lernzentrum, das die Schüler bei ihrem Gang durch das 3-D-Modell der Schule vorstellen. Es erinnert an eine moderne Bibliothek mit Computer-Arbeitsplätzen. Auch schallisolierte Gruppenbereiche haben die Jugendlichen hier geplant. Der Blick aus dem Lernzentrum geht auf den neuen grünen Pausenhof.

Auch die bestehenden Klassenzimmer gestalten die Schüler um. Mit viel Tageslicht, modernen, zum Teil farbigen Möbeln, größeren Klassenräumen und angeschlossenen kleineren Gruppenräumen. Und für weitere Lernzentren haben sie auch schon geplant, wo Wände herausgenommen werden könnten. Kretschmann zeigte sich beeindruckt.

Und auch Demokratie wird ganz praktisch gelebt. Ein sehr kontroverses Thema ist die Handynutzung in der Schule. Doch wie sollen die Regeln dafür künftig aussehen? Die Schulkonferenz aus Lehrern, Eltern und Schülern hat einen Vorschlag erarbeitet. Und der wird nun in den Klassen diskutiert. In der kommenden Woche will der Schülerrat über die Ergebnisse aus den Klassen diskutieren. Kretschmann will von den Schülern wissen, wie die Tendenz aussieht. „Wir wissen, dass das Handy uns im Alltag einschränkt“, sagt die Schülerin Amalia.

Also werde etwa überlegt, was notwendig ist, damit man in der Pause nicht Spiele auf dem Handy mache, etwa ein Tischkicker. Auch gebe es durchaus Zustimmung, dass Schüler der Klassen 5 bis 7 kein Handy mit in die Schule bringen sollten oder dieses während der Schulzeit in einen Schrank einschließen.

Für die Lehrer sind dies Schritte, um den Schülern nicht reines Wissen zu vermitteln, sondern eigenständiges Lernen zu fördern. Und die Schüler zugleich zu demokratiekompetenten Menschen zu entwickeln, wie ein Lehrer erläutert.

Und was wünschen sich die Jugendlichen von den Politikern? Den Umbau des Schulgebäudes, für den sie bereits die Pläne vorgelegt haben. Eine Umgestaltung, für die sie auch bereits die Leiterin des Schulverwaltungsamts Stuttgart, Kerstin Niendorf, gewonnen haben. „Es macht keinen Spaß, wenn man jeden Tag in so ein Gebäude reinkommt“, kommentiert Amalia den 70er-Jahre-Bau. Denn hier verbringen die Jugendlichen immerhin an fünf Tagen pro Woche einen großen Teil ihrer Zeit.

Und was nimmt die Kultusministerin von ihrem Besuch mit? „Hier werden viele von den Innovationselementen, die wir jetzt in G9 neu reinbringen, einfach schon gelebt.“ Besonders beeindruckt ist sie auch von der KI-Kompetenz und wie diese eingesetzt wird. Nicht nur für Lehrer und Schüler, sondern auch die Eltern. Das will sie unterstützen.

Das neue neunjährige Gymnasium startet im Herbst

Nach den Sommerferien startet das neue G9. Zunächst in den Klassen 5 und 6. Und damit soll sich auch im Lehrplan einiges ändern. So werden etwa die naturwissenschaftlichen Fächer gestärkt. Das Pflichtfach „Informatik und Medienbildung“ wird von Klasse 5 bis 11 unterrichtet. Und auch Künstliche Intelligenz soll in diesem Fach künftig eine wichtige Rolle spielen. „Themen wie Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Soziale Medien sind längst Bestandteil des Alltags“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Deshalb müssten sie auch Teil der schulischen Bildung sein. Weitere wichtige Themen im neuen G9 sind Demokratiebildung, eine Stärkung der Grundlagenfächer durch zusätzlichen Unterricht und einer leistungsbezogenen Differenzierung sowie verstärkter beruflicher Orientierung. Zugleich wird besonderer Wert auf die persönliche Entwicklung des Einzelnen gelegt, wie Kretschmann erläutert.

Schüler zeigen im Wechsel, wie sie sich ihre Schule künftig vorstellen. Foto: Achim Zweygarth

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