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Wie geht es weiter bei der G9-Reform?
Stuttgart. Es war wohl der entscheidende Satz nach zwei Jahrzehnten erbitterten Streites um das achtjährige Abitur. „Man kann nicht gegen die überwältigende Mehrheit regieren“, sagt der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag. Kultusministerin Thesa Schopper (Grüne) erklärte: „Das Kultusministerium wird in den nächsten Monaten einen Vorschlag für ein G9 erarbeiten.“
Was ist diese Woche passiert?
Am Montag hat das von Kretschmann selbst eingesetzte Bürgerforum aus 55 zufällig ausgewählten Baden-Württembergern sich mit 89 Prozent für die Rückkehr zu G9 ausgesprochen. Unmittelbar danach bekundeten bereits CDU, SPD, FDP und AfD ihre Zustimmung.
Nur die Grünen reagierten zögerlich. Das Staatsministerium erklärte lediglich, man werde sich „intensiv mit den Argumenten und Ideen auseinandersetzen“. Am Dienstagvormittag trafen sich die Spitzen der grün-schwarzen Koalition. Man einigte sich schnell: Um 10.05 Uhr wurde eine Presseerklärung versandt: „Die Landesregierung ist offen für ein neues G9.“ Man werde ein „G8/G9-Modell“ erarbeiten. Dass G8 als Option im Spiel bleibt, darauf drängten vor allem die Grünen. Der Koalitionsvertrag wird dafür angepasst.
Einen Kommentar zu G9 lesen Sie hier.
Was will die Landesregierung?
Der Regierungschef stellte sich am Dienstag um 12 Uhr den Fragen der Journalisten. Dass ihm die Entscheidung wenig behagt, ist erkennbar. So betonte er: „Die Verbesserung der frühkindlichen Bildung hat Priorität“. Es soll ein Sprachpaket geschnürt werden für Grundschulen. Erst in zweiter Linie steht G9: „Das ist auch eine Frage der Ressourcen“.
Auch sein Vize Thomas Strobl (CDU) betont, es gehe „nicht zurück zum alten G9“. Der grüne Fraktionschef Andreas Schwarz will eine „Modernisierung des Schulsystems“, mehr Naturwissenschaft, Informatik und Medienbildung. Sein CDU-Pendant Manuel Hagel fordert sogar ein „Update für das Bildungssystem“.
Wann könnte G9 kommen?
Bis Januar soll das Kultusministerium ein Konzept vorlegen, im März wird entschieden. Zuvor soll es Verhandlungen mit den Initiatorinnen des erfolgreichen Volksantrages „G9 jetzt“ geben, die 107 000 Unterschriften gesammelt haben. „Ich sollte mich mit ihnen treffen“, so Kretschmann vor Journalisten. Die „Blaupause“ könnte das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ sein – auch dort wurde ein Kompromiss gefunden. Die Aktivistinnen zeigen sich „gesprächsbereit“, warnen aber vor Verzögerungen: „Wir konnten die Sektflasche ernüchtert wieder in den Keller bringen.“Denn die Kosten würden als Gegenargument angeführt: „Immer noch scheinen dicke Aber den Weg zu G9 zu versperren.“
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die G9-Anhänger drängen zur Eile. Der Philologenverbandschef Ralf Scholl fordert: „Kein weiteres Verschieben auf die lange Bank!“ AfD-Fraktionschef Anton Baron wittert „Hinhaltetaktik“. Der Oppositionsführer Andreas Stoch (SPD) kritisiert: „Die Abwehrreflexe des Ministerpräsidenten sind fehl am Platz.“ Im Landtag bot die SPD in einer turbulenten Debatte am Mittwoch der Kultusministerin jedoch einen Konsens an – die ging auf das Angebot ein.
Kritiker wie Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Handwerk BW, mahnen an, dass sich „Grün-Schwarz nicht nur ums Gymnasium kümmert“. Und Städtetags-Geschäftsführer Ralf Broß denkt ans Geld: „Bayern hat 2017 bei der Rückkehr zu G9 den Kommunen ohne jede Verhandlung 500 Millionen Euro zugesagt.“