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Bildungsallianz

Wer sind die Akteure beim Bildungsgipfel in Bebenhausen?

So viel Bewegung war selten in der Landespolitik. Die Bildungslandschaft wird auf den Kopf gestellt: Das Gymnasium wird wieder neunjährig, die Schülerströme sollen nach Klasse 4 stärker gelenkt werden. Real- und Werkrealschulen sollen mit Gemeinschaftsschulen eine zweite Säule bilden. Aber wie genau? Am 2. Mai treffen sich die Spitzen von Grünen, CDU, SPD und FDP im Kloster Bebenhausen zur „Bildungsallianz“. Wie ist die Ausgangslage?

Umfassende Veränderungen stehen in der Landespolitik bevor, insbesondere im Bildungswesen. Gymnasien sollen zurück auf neunjährige Schulzeitzyklen, Schülerströme sollen ab der vierten Klasse stärker gesteuert werden. Eine neue Bildungsallianz aus Grünen, CDU, SPD und FDP trifft sich am 2. Mai im Kloster Bebenhausen, um die Details zu klären.

Fotos: Imago/Arnulf Hettrich, Kreise (v.l.n.r.): dpa/Bernd Weißbrod, dpa/Bernd Weißbrod, dpa/Marijan Murat, Collage: Rona Eccard)

Grün-Schwarz ringt mühsam um einen Konsens

Winfried Kretschmann (l, Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Plenardebatte mit Manuel Hagel (r), CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg.

Eines ist klar: Bevor man mit der Opposition spricht, sollte sich wenigstens die Regierung einig sein. Doch der Versuch von Grün-Schwarz, sich am Montagabend in einer langen Nachtsitzung auf Eckpunkte von G9 und einer neuen Schulstruktur zu einigen, ist erst einmal gescheitert. Wie zu hören ist, waren die Knackpunkte die Frage der „verbindlicheren“ Grundschulempfehlung. Die CDU favorisiert das Zwei-Aus-Drei-Modell: Elternwunsch, Lehrerbeurteilung und ein Test, zwei Faktoren entscheiden. Die Grünen, die 2011 mit der SPD die Regelung abgeschafft haben, denken eher an einen Aufnahmetest für das Gymnasium. Die CDU sorgt für Verwirrung: Sie will „fakultativ“ ein Wahlrecht für G8 für alle Schüler. Umsetzung: völlig offen. Verbünde könnten. Klar ist: hier herrscht starker Dissens. Auch in der Frage, wie die „zweite Säule“ im Schulsystem neben dem Gymnasium aussehen soll. CDU-Fraktions- und Parteichef Manuel Hagel will zumindest den Hauptschulabschluss erhalten, die Grünen unbedingt die Gemeinschaftsschulen. Verbünde könnten die Lösung sein. Einigen konnte man sich auf ein Paket von 100 Millionen Euro für die Sprachförderung und dass G9 im Jahr 2025 startet.

Die FDP wollte immer nach Bebenhausen

Bebenhausen ist der einstige Sitz des Landtags des Landes Württemberg-Hohenzollern.

Der liberale Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat sich immerhin in einem Punkt durchgesetzt: beim Tagungsort Kloster Bebenhausen. Als Anfang des Jahres kleinteilig darum gezankt wurde, wer wen wohin einlädt, hatte er diesen Ort schon einmal ins Spiel gebracht. Nun reisen also die Spitzen der Parteien zum zweiten Treffen in das ehemalige Zisterzienserkloster mit Baujahr 1190. Sie treffen sich im Sozialraum des dortigen Forstbetriebs BW.

Auch die FDP will natürlich einen Erfolg vermelden. Wie die SPD hat sie vehement für G9 gekämpft und wird für eine möglichst schnelle, umfassende Lösung kämpfen. Aber man will nicht nur Zaungast sein. Auffallend ist, dass man SPD-Forderungen wie ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr unterstützt, was auch auf dem CDU-Parteitag am Samstag Thema ist. Träumt da bei den Liberalen schon jemand von einer „Deutschlandkoalition“ nach 2026?

Pikant bei der FDP ist, dass der Landesparteichef Michael Theurer , Staatssekretär im Berliner Verkehrsministerium, auf dem Absprung ist und Bundesbankvorstand werden soll, und den Landesvorsitz abgeben wird. Ob dann Rülke auch Parteichef wird? Noch ist alles offen.

Was wird in der Villa Reitzenstein gedacht?

Die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist der Amtssitz des Staatsministeriums Baden-Württemberg und des amtierenden Ministerpräsidenten.

Das erste Treffen der Bildungsallianz fand nicht in der Villa Reitzenstein statt, sondern im Neuen Schloss . Doch natürlich laufen wie immer alle Fäden in der Landespolitik am Amtssitz des Ministerpräsidenten zusammen. Winfried Kretschmann hat erkennbar wenig Lust auf das Format der Bildungsallianz. Die Detailarbeit der Einigungsversuche mit der CDU liegt in der Hand des umtriebigen Fraktionschefs Andreas Schwarz. Manche fürchten, die Grünen wollten die Gespräche am 2. Mai nur noch „abmoderieren“. Und dann ist da noch die grüne Kultusministerin Theresa Schopper . In ihrem Haus wird seit Monaten an einem Konzept für G9 gebastelt. Es wurde nicht zur Landtagsdebatte über den Volksantrag fertig. Nicht weil es an Ideen fehlt, sondern an der politischen Einigung von Grün-Schwarz. Es gibt also eine Vielzahl von Akteuren bei den Grünen. Kretschmann wollte nie G9, anerkennt aber, dass die große Mehrheit im Land es wünscht. Sein Fokus liegt aber weiter auf Grundschulen und frühkindlicher Förderung, daher war ihm das Sprachpaket so wichtig, das Juniorklassen und verpflichtenden Sprachunterricht für alle Kinder ab vier Jahren vorsieht.

Die Verbände sind die permanente Begleitmusik

Monika Stein (r), die Landesvorsitzende in Baden-Württemberg der Lehrergewerkschaft GEW, spricht im Landtag bei einer Pressekonferenz, links Matthias Schneider, Sprecher der GEW Baden-Württemberg.

Die zahlreichen, wortstarken und organisationsmächtigen Verbände und Gewerkschaften, die die Interessen der Lehrer, Erzieher und anderer Pädagogen vertreten, sind in keinem Politiksektor so wahrnehmbar wie in der Bildungspolitik.  Am klarsten für die Rückkehr zu G8 hat sich stets der Philologenverband ausgesprochen . Er ist die Interessenvertretung der   Gymnasiallehrer und hat   auch die Elterninitiative G9 jetzt von Anfang an unterstützt hat. Wie diese hat er sich auch für eine schnellstmögliche Rückkehr schon zum kommenden Schuljahr eingesetzt.   Andere Verbände, die vorrangig die Lehrkräfte anderer Schulformen vertreten, sind dagegen meist gegen   die Rückkehr zu G9. Der Realschullehrerverband beispielsweise. Die Verbände wie die GEW mit Monika Stein (im Bild) achten genau auf die Interessen ihrer Mitglieder, und sind Machtfaktoren.

Die SPD zweifelt und ist eher ein Zaungast

Andreas Stoch, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Plenardebatte. Links sitzt Winfried Kretschmann, (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Während am Dienstag von Winfried Kretschmann bis Thomas Strobl, von den Fraktionschefs über die Kultusministerin und bis zu den Bildungspolitikern von Grün-Schwarz das 100-Millionen-Euro-Paket für frühkindliche Sprachförderung feiern, reibt man sich bei der Opposition verwundert die Augen. Wird da nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen verkauft? Etwa von längst bestehenden Programmen wie „Rückenwind“ oder „Schulreifes Kind“, den Förderklassen? Die SPD ist in einer besonderen Rolle. Bildungspolitisch steht sie den Grünen nahe, und der Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch war unter Kretschmann vier Jahre Kultusminister. Beide Parteien haben 2011 die Grundschulempfehlung abgeschafft und die Gemeinschaftsschule geschaffen. Atmosphärisch stehen Kretschmann und Stoch aber eher auf Distanz. Und an einer strengeren Grundschulempfehlung hat die SPD wenig Interesse. Für die Sozialdemokraten wird es darauf ankommen, einen eigenen Erfolg aus den Gesprächen mitnehmen zu können. Mehr Geld für Grundschulen wäre so ein Erfolg gewesen, doch den hat die Regierung schon für sich reklamiert. Auch in Koalitionskreisen fragen sich manche, ob man die Opposition nur noch zum Abnicken zum Treffen nach Bebenhausen kommen soll, wenn sich Grün-Schwarz schon geeinigt hat. Klar ist: Niemand will den Schwarzen Peter haben, die Gespräche platzen zu lassen. Es ist für die SPD die historische Chance, nach acht Jahren Opposition mitentscheiden zu können.

Die Antreiberinnen: Der Volksantrag zweier Mütter bringt alles in Gang

Anja Plesch-Krubner (r-l) und Corinna Fellner, beide Initiatorinnen der Elterninitiative „G9 Jetzt! BW“ übergeben im Foyer des Bürger- und Medienzentrum des Landtags von Baden-Württemberg an Muhterem Aras (Bündnis 90/Die Grünen), Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, einen Karton, in dem sich ein Gesetzentwurf, ein Zulassungsschreiben und Unterschriftenlisten befinden. Die Initiative forderte einen Volksantrag für eine flächendeckende Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg.

Ohne Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner gäbe es die ganze Debatte nicht. Ihr erfolgreicher Volksantrag mit 107 000 Unterschriften hat die G9-Debatte erst wiederbelebt. Nachdem der Landtag ihren Antrag, G9 sofort für alle Gymnasiasten einzuführen, abgelehnt hat, könnten sie für einen Volksentscheid Unterschriften sammeln. Es gibt aber, wie man aus Grünenkreisen hört, gute Gespräche. Das deutet etwa der Grünen-Fraktionsvize Thomas Poreski an. Denn eigentlich bekennen sich alle Fraktionen im Landtag zu G9, die Frage ist nur, wie es ausgestaltet wird. Klar ist: Wenn auf Zeit gespielt würde, G9 also erst in der nächsten Legislaturperiode käme, würden sie erneut Unterschriften sammeln und – wie schon 2023 – notfalls wieder im Bügelzimmer in Kartons packen. „Was wir uns erhofft hätten, ist ein Alternativkonzept vonseiten der Landesregierung, in dem transparent vorgelegt wird, was geplant ist“, sagte Anja Plesch-Krubner. Die beiden Mütter, deren Kinder fast dem Schulalter bereits entwachsen sind, bleiben so die Tempomacher, die Antreiber der Landespolitik. Schon jetzt ist ihr Erfolg enorm. Obwohl sie in Bebenhausen nicht dabei sind, sitzen wie irgendwie doch mit am Tisch.

Lesen Sie auch: Grün-Schwarz muss bei G9 jetzt liefern – ein Kommentar von Chefredakteur Rafael Binkowski

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