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Landtagswahl

Welche Chancen hat Hagel auf das Kretschmann-Erbe?

Jetzt ist es offiziell: Der 36-jährige CDU-Chef Manuel Hagel will Nachfolger von Winfried Kretschmann werden. Er wäre mit dann 38 Jahren der Jüngste jemals in diesem Amt. Doch zuerst muss er in einem Jahr seine Union zur stärksten Partei machen.

Manuel Hagel (CDU), Landesvorsitzender Baden-Württemberg, spricht im Feststadel zu seinen Anhängern. Er hatte angekündigt, dass er Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg werden will.

Stefan Puchner)

Friedrichshafen. Warum ausgerechnet Friedrichshafen? Eine unscheinbare Mandatsträgerkonferenz der CDU als Ort der Ausrufung der Spitzenkandidatur? Doch beim zweiten Hinsehen passt die Lokation. Denn oft schon hat Manuel Hagel aus einer Biografie von Ferdinand von Zeppelin zitiert: „Man muss etwas wollen und daran glauben, dann wird es gelingen.“

Wo sonst also in der Stadt am Bodensee könnte es besser passen, genau in dem Hangar, in dem der Zeppelin erfunden wurde? „Für mich hat politischer Stil auch etwas mit Respekt und Anstand zu tun. Deshalb wollte ich meine Bereitschaft zur Kandidatur nicht über die Medien oder Social Media erklären“, sagt Hagel. Am 17. Mai soll ihn der Landesparteitag der CDU dann offiziell nominieren. Am Abend lädt Hagel dann in eine ehemalige Scheune, in die Kleinunternehmer eingezogen sind. Das ist die Botschaft: KI und Kuckucksuhr, Bodenständigkeit und Moderne, das will er vereinen.

Eine Grundsatzrede beim Unterstützertreffen

Mit dabei sind Unternehmer, Verbände, Vereinigungen, aber auch Weggefährten, Freunde, der Nebensitzer in der Schule, auch seine Frau. Es ist eine Art Grundsatzrede, in der Hagel erklärt, was er tun will in der Villa Reitzenstein, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten. „Wir wollen bewahren und bewegen. Ich denke dabei sehr an unsere Wirtschaft, die innere Sicherheit, bei Bildung und Forschung wieder aufs Treppchen zu kommen“, nennt er als Schlagworte.

Kretschmann verteidigt Hagel

Eine Verwaltungsreform und „konservativ inspirierter Umweltschutz“. Das alles soll bis Herbst noch mit einem Regierungsprogramm unterfüttert werden. Auch um dem Vorwurf zu begegnen, dass seine Reden oft viele Versatzstücke und Slogans enthalten, aber noch an Tiefe und Details ausbaubar seien.

Hagel war in jedem Amt immer der Jüngste

Es ist ein weiter Weg bis zu dem Moment in Friedrichshafen. Geradezu kometenhaft ist der Aufstieg des Hoffnungsträgers in der Südwest-Union verlaufen. Schon in seiner Heimat Ehingen an der Donau war er immer der Jüngste. Zunächst als Geschäftsstellenleiter und später Filialdirektor der örtlichen Kreissparkasse.

Der Kampf um einen Fußballplatz politisierte ihn in der Jungen Union, rasch wurde er CDU-Fraktionschef im Ehinger Gemeinderat, was bei der gesetzten absoluten Mehrheit dort fast eine Art Nebenbürgermeistertum darstellt. Die im nahen Ulm ansässige ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan förderte das Talent, in Friedrichshafen ist sie ebenfalls mit dabei in der umgebauten Scheune.

In der Partei ging es steil bergauf: JU-Kreisvorsitzender, dann Kreischef der Alb-Donau-CDU, einem der größten Verbände im Land mit 1800 Mitgliedern. Er war JU-Vizechef im Land, dann 2015 im CDU-Landesvorstand. Dann wurde der ausgebildete Jäger mit 28 Jahren CDU-Generalsekretär der Südwest-Union, wieder der Jüngste im Amt, auf Vorschlag von Parteichef Thomas Strobl. Gleichzeitig zog Hagel in den Landtag ein.

Lesen Sie hier die Analyse: Das Duell für 2026 ist eröffnet

Brettschneider: Hagel hat Zweifel schnell zerstreut

„Es ist ihm schnell gelungen, die Zweifel an seinem Alter zu zerstreuen“, sagt der Stuttgarter Professor Frank Brettschneider. Die CDU war zu diesem Zeitpunkt noch herzlich zerstritten. Der Zwist um den Mitgliederentscheid um die Nachfolge von Erwin Teufel 2005 lebte fort, das konservative Schavan-Lager und das liberal-urbane Oettinger-Lager bekämpften sich nach Herzenslust. Das ging auch nach dem Machtverlust 2011 unter dem Kurzzeit-Regierungschef Stefan Mappus munter weiter, die Lager waren festgefahren und bekämpften sich.

Für die Landtagswahl 2016 war das ebenso: Knapp setzte sich der damalige Landtagspräsident Guido Wolf in einem Mitgliederentscheid gegen CDU-Landeschef Thomas Strobl als Spitzenkandidat durch. Wieder blieben tiefe Narben zurück. Und verlor anschließend Guido Wolf haushoch gegen Kretschmann.

Auch für die Wahl 2021 lieferte sich die Union einen erbitterten Machtkampf, wieder stellten die beiden Lager ihre Truppen auf. Manuel Hagel war als Generalsekretär mittendrin. Ihm wird der Geistesblitz zugeschrieben, die Kontrahenten um die Spitzenkandidatur, Thomas Strobl und Kultusministerin Susanne Eisenmann, gemeinsam auf die Rückbank eines Wagens gesetzt zu haben.

Hagel 2021 mit der Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann für die Landtagswahl.

Hagel bewährte sich in Machtkämpfen der CDU

Dort soll dann die Spitzenkandidatur geklärt worden sein. Strobl zog erneut den Kürzeren. Doch die innerparteiliche Siegerin verlor im Anschluss noch deutlicher gegen Kretschmann und verschwand daraufhin vollständig von der politischen Bildfläche.

Der junge Generalsekretär manövrierte geschickt zwischen den Lagern hin und her, ohne es sich mit einer Seite zu verscherzen. „Er konnte sich durchzusetzen, ohne Beschädigungen zu hinterlassen, die dann eine Opposition organisieren“, analysiert Frank Brettschneider. Schließlich wagte der Ehinger 2021 den Sprung an die Spitze der CDU-Landtagsfraktion, und verdrängte den wegen seiner Egozentrik unbeliebten Wolfgang Reinhardt.

Hagel wagte im richtigen Moment den Sprung an die Macht

Ein erstes Wagnis, mit 40 von 42 Stimmen wurde er gewählt. Seither hat der dreifache Familienvater konsequent daran gearbeitet, die für Intrigen oder Durchstechereien anfällige Unionsfraktion zu einigen. Konnten Journalisten zuvor fast in Echtzeit Protokolle mitverfolgen, dringt seither wenig bis gar nichts nach außen.

Zumal Hagel einen weiteren Riss in der Partei kitten musste. Thomas Strobl, einer seiner Förderer, stand weiterhin an der Spitze der Partei, hatte aber in der Fraktion eine erkleckliche Reihe entschiedener Gegner. Als der Innenminister die Polizeiaffäre ausstehen musste, stand es Spitz auf Knopf. Wegen eines Anwaltsbriefs, den Strobl an einen Journalisten weitergeleitet hatte, erging eine Geldbuße. Die Fraktion entschied über Strobls politische Zukunft. Hagel stützte den Heilbronner im entscheidenden Moment. Um dann aber 2023 doch zu signalisieren, jetzt nach der ganzen Macht greifen zu wollen. Wieder musste sich Hagel im innerparteilichen Stahlbad abhärten, sich gegen seinen Förderer wenden. In langen Gesprächen gelang es, Strobl zum Verzicht auf den Parteivorsitz zu überzeugen. Auch hier, ohne Verletzungen zu hinterlassen. Es war der letzte Schritt zur Macht, im Herbst 2023 wurde Hagel in Reutlingen zum Landeschef gewählt.

Hagel ist ständig im Land unterwegs

Seither reist der 36-Jährige wie ein Dauerwahlkämpfer durchs Land, wurde in Stuttgart zum starken Mann der CDU, trifft mit Winfried Kretschmann, wie beide betonen, verlässliche Absprachen. Und dennoch versucht er, das Profil der Union zu schärfen, ohne die Grünen als möglichen Koalitionspartner ganz zu vergrätzen. „Ich mache keine Politik gegen was, sondern für was. Das ewige Parteiengezänk kostet nur Kraft und gute Laune für die wirklich wichtigen Dinge“, sagt Hagel auf die Frage, warum er seinen Herausforderer Cem Özdemir (Grüne) nie mit nur einem Wort erwähnt.

In der CDU-Zentrale nimmt man den Noch-Agrar- und Bildungsminister ernst, die Generalsekretärin Nina Warken schießt sich ein („Baden-Württemberg ist zu schade für gescheiterte Ampelminister“). Denn Hagel hat zwar die besseren Umfragewerte, ist in der Bevölkerung aber noch weitgehend unbekannt.

2023 bei der Wahl zum Landesvorsitzenden in Reutlingen mit Vorgänger Thomas Strobl.

Nur feindosiert konservative Elemente

Viele Bürger können sich kein Bild von dem stets perfekt wie aus dem Ei gepellt auftretenden Ehinger machen. Inhaltlich setzte er sich im Jahr 2017 mit der Forderung nach einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und dem Positionspapier „Wach auf!“ von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ab, traf sich mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und trat bei der konservativen Werteunion als Redner auf.

Doch nun sind allzu konservative Inhalte nur feindosiert wahrzunehmen. Stattdessen schont er auffallend die Grünen. „Aus gegensätzlichen Positionen kann etwas Neues entstehen“, sagt er immer wieder in seinen Reden zu Grün-Schwarz.

So hält sich der Spitzenkandidat alle Optionen offen, bleibt aber inhaltlich schwer zu greifen. Nur in einem Punkt ist er unmissverständlich: Die AfD ist für ihn die Partei der „Vaterlandsverräter“, und er bekannte einst, „nicht mal einen Espresso“ mit den Vertretern trinken wollen.

Das Ringen um das Erbe von Winfried Kretschmann

Auf Bundesebene ist Hagel seit 2023 Chef aller Unionsfraktionsvorsitzenden in den Landtagen, verhandelt in den Koalitionsverhandlungen mit. „Seine Chancen stehen gut, denn er hat in der Partei Optimismus verbreitet“, sagt Frank Brettschneider. Die noch fehlende Bekanntheit komme im Wahlkampf dann von selbst, es reiche in den letzten zwei Monaten.

„Wir wollen nicht alles anders, aber Wichtiges ambitionierter machen“, sagt Hagel in Friedrichshafen, der Satz erinnert an Gerhard Schröder, der „nicht alles anders, aber 1998 vieles besser“ machen wollte. In keinem Satz des 36-Jährigen wird das so deutlich wie in dem, den er auf dem Reutlinger Parteitag 2023 vor seiner Wahl zum Parteichef gesagt hat: „Das Erbe von Winfried Kretschmann ist bei uns in guten Händen.“

Manuel Hagel bei der Stallwächterparty in der Berliner Landesvertretung.

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