Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Berufsfeuerwehr Stuttgart: Weit mehr als Brandbekämpfung und Türöffnung
Stuttgart. Es ist früh am Morgen, noch dunkel und schüttet wie aus Eimern. Auf der Wache 1 der Berufsfeuerwehr im Süden von Stuttgart herrscht reges Treiben. Die eine Schicht geht, die andere kommt. Die Ablösung ist noch nicht vollzogen, da geht schon das Licht an, ein Gong ertönt. Ein Einsatz. Durchgegeben wird per Lautsprecher, um welche Art von Einsatz es sich handelt, wo dieser ist und welche Fahrzeuge ausrücken.
Während einige Feuerwehrleuterausfahren, bevor ihr Dienst um 7 Uhr offiziell beginnt, findet im Geschäftszimmer der Schichtwechsel statt. Der stellvertretende Wachabteilungsführer der dritten Wachabteilung, Martin Kohler, an sein Pendant in der ersten Wachabteilung, Harry Steck, der an diesem Freitag die Geschicke der Wache im Heusteigviertel führt. Seit Februar hat er diese Position inne und hat damit viele Aufgaben übernommen, vor allem organisatorischer Art. Doch ist es ihm wichtig, nah an seiner Mannschaft – die insgesamt 23 Mann umfasst – zu bleiben, was zeitlich oft schwierig ist, wie er sagt.
Um 7 Uhr heißt es antreten auf dem Flur im ersten Stock. Darunter liegt die Fahrzeughalle. Es werden die Positionen besprochen, wer auf welchem Fahrzeug ist. Danach werden die Fahrzeuge gecheckt. Etwa das Kleineinsatzfahrzeug Türöffnung (KEF-T), an dem Marc Häußler und Stefan Wallig gerade zugange sind. Häußler, an diesem Tag der Fahrer, prüft etwa, ob alle Gerätschaften vorhanden und funktionstüchtig sind.
Zwischen Dienstplan, Übungen, Besprechungen und Einsätzen
Dann geht es nach oben, die Frühbesprechung steht an. In einem holzgetäfelten großen Raum, wo sonst auch zusammen gegessen wird, setzen sich die Feuerwehrleute zusammen. Steck hat an diesem Morgen ein wichtiges Thema: Es gibt noch Fortbildungsangebote, die belegt werden müssen. Dies gestaltet sich schwierig, denn die Kalender sind bereits voll.
Es gibt allgemeine Infos, zum Beispiel gab es in einem Tunnel einen Wasserschaden und nun einen defekten Hydranten. Es wird besprochen, wo sich der nächste befindet. Denn im Einsatz muss die Wasserversorgung vom Hydranten zum Löschfahrzeug rasch hergestellt werden. Auch Straßensperrungen werden thematisiert, damit die Fahrer wissen, wie sie anfahren können. Dann steht noch die Jahresbestellung für die Dienstkleidung auf der Tagesordnung. Jeder muss angeben, was er benötigt. Vom T-Shirt bis zur Socke.
Am Vormittag steht ausbildungstechnisch Gerätekunde auf dem Plan. Und gegen später müssen alle Fahrzeuge gereinigt werden. Doch jetzt geht wieder das Licht an. An Stangen, die in die Fahrzeughalle führen, rutschen die Feuerwehrleute hinunter. Die Alarmdepesche wird aus dem Drucker geholt, alle schlüpfen rasch in die Einsatzkleidung. Mit Blaulicht und Signal fährt der Löschzug – zwei Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeuge (HLF) und die Drehleiter – in Richtung Zahnradbahn. In deren Depot hat die Brandmeldeanlage ausgelöst, wie sich herausstellt, wegen Schweißarbeiten. Ein kurzer Einsatz. Doch auf der Rückfahrt geht schon ein weiterer ein, ein First Responder Einsatz.
In einem Aufzug sind Jugendliche stecken geblieben, einer wurde bewusstlos
In einem Aufzug sind Jugendliche stecken geblieben. Ein Junge sei bewusstlos. Die Lage ist unübersichtlich. Überall springen aufgeregte Jugendliche umher. Die Betroffenen sind bereits befreit, die SSB ist vor Ort. Ein Junge liegt vor dem Aufzug. Die zwei Beamten, die hinten auf dem HLF sitzen, eilen hin und versorgen ihn. Vitalwerte werden gecheckt, er ist mittlerweile wieder ansprechbar. Steck verschafft sich derweil als Gruppenführer einen Überblick, spricht mit den jungen Menschen, es stellt sich heraus, dass weitere in keinem guten Zustand sind. Die Jugendlichen haben Panik bekommen. Es kommt ein Rettungswagen und ein Notarztwagen nach, alle werden versorgt. Steck spricht ganz ruhig mit ihnen, schaut auch, dass alle versorgt und die Eltern informiert werden.
Es geht zurück auf die Wache, wo der Notfallrucksack wieder aufgefüllt wird. Das Licht geht wieder an. Diesmal rückt nur das KEF-T aus. Zu einer Person in Notlage. Als das KEF-T zurückkehrt – die Schreiberin dieser Zeilen darf an diesem Tag auf verschiedenen Einsatzfahrzeugen mitfahren – sind einige Feuerwehrleute bereits mit der Gerätekunde zugange. Steck rüstet sich gerade aus. Getestet wird an diesem Tag der Umgang mit dem neuen Satz „Rettung und Sichern“. Mit diesem Rucksack sollen die Einheiten, die als erste vor Ort sind, agieren können, bevor die Höhenretter eintreffen. Es müssen verschiedene Szenarien geübt werden.
An diesem Tag geht es darum, sich selbst und andere Personen auf einem Flachdach zu sichern. Als Steck ausgerüstet ist, fährt er per Drehleiter nach oben, auf das Dach eines Gebäudes der Feuerwache. Er probiert alles aus, der Rettungssatz eröffnet neue Möglichkeiten. Für den Satz gibt es eine zentrale Schulung und weitere Module, die absolviert werden müssen. Erst wenn 80 Prozent alles durchlaufen haben, wird der Rucksack in Dienst gestellt.
Steck hat Freude daran, praktisch mit seinen Kollegen zu üben. Nicht immer selbstverständlich, denn die Wache verwaltet sich quasi selbst. Und er ist zuständig dafür, dass der Betrieb läuft, dass die Dienstpläne geschrieben sind, dass alle Positionen besetzt sind, dass Fortbildungen besucht werden und Übungen stattfinden. Solche Führungspositionen rentieren sich zwar finanziell kaum, doch Stecks Motivation ist intrinsischer Natur und der 42-Jährige übernimmt gerne Verantwortung.
Das Licht geht wieder an. Ausgelöste Brandmeldeanlage an der Universität in Vaihingen. Mit Blaulicht und Signal geht es durch den zähen Stuttgarter Verkehr. Der Löschzug und das KEF-T rücken aus. Das HLF wird dann aber, kaum angekommen, direkt weitergeschickt, zu einer Türöffnung. Auch das KEF-T ist dazu alarmiert. In einer Wohnung steckt der Schlüssel von innen, ein Schwerkranker kann nicht selber öffnen, daher verschaffen sich die Feuerwehrleute über ein gekipptes Fenster Zugang zur Wohnung, um den Rettungsdienst reinzulassen.
Das KEF-T ist an diesem Tag fast nonstop unterwegs. Gegen Mittag lösen Kollegen kurz ab, damit Häußler und Wallig eine Pause machen können. Gegen 14 Uhr geht es für sie weiter. Eine Person steckt im Aufzug am S-Bahnhof Feuerbach fest. Zurück auf der Wache, gibt es gegen halb vier Kaffee und Kuchen. Kaum fertig, geht das Licht wieder an. Ein brennender Mülleimer an der S-Bahn-Haltestelle Rotebühlplatz.
Wenige Minuten zurück auf der Wache, wird das KEF-T wieder alarmiert, zu einer hilflosen Person in Degerloch. Die Wache 5 ist bereits vor Ort, letztendlich gibt es für Häußler und Wallig nichts mehr zu tun, es geht für sie gleich wieder zurück. Doch lange bleiben sie auch diesmal nicht auf der Wache. Gegen halb sechs wird ein Brand in einem Seniorenheim in Feuerbach gemeldet. Das KEF-T ist auch alarmiert. Unterwegs treffen wir auf weitere Einsatzfahrzeuge. Hinter ihnen bahnt sich das KEF-T seinen Weg durch den Feierabendverkehr. Es ist zäh. Gar nicht so einfach, geduldig zu bleiben, wenn man weiß, dass es zu einem gesicherten Brand geht.
Dichter, schwarzer Rauch schlägt aus den Fenstern
Beim Eintreffen der ersten Kräfte schlägt dichter schwarzer Rauch aus den Fenstern der Wohnung. Aufgrund der ersten Meldungen geht man davon aus, dass sich noch eine Person im Rollstuhl in der Brandwohnung befindet. Diese Lage erklärt, warum sehr viele Kräfte alarmiert sind: mehrere Wachen der Berufsfeuerwehr, mehrere Abteilungen Freiwilligen Feuerwehr sowie einige Fahrzeuge von Polizei, Rettungsdienst und Notarzt.
Wasser Marsch: Rasch wird die Brandbekämpfung eingeleitet. Die Wohnung wird von zwei Trupps unter Atemschutz durchsucht. Glücklicherweise ist niemand mehr darin; die Bewohnerin konnte sich zu einer Nachbarin retten. Die beiden werden aus dem Gebäude geführt und vom Rettungsdienst mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung untersucht.
Die Wohnung wird belüftet. Parallel werden die Stockwerke über und unter der Brandwohnung mit mehreren Trupps durchsucht. Dabei muss sich die Feuerwehr zu einigen Wohnungen mit Gewalt Zutritt verschaffen. Da kommen Häußler und Wallig zum Einsatz. Der Messtechnische Dienst führt derweil zur Sicherheit in allen angrenzenden Räumen Messungen durch. Danach können die Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.
Es wird niemand verletzt. Zu Schaden kommt aber ein Einsatzrucksack vom KEF-T. Dieser wird von einem PKW überrollt, der sich in der Einsatzstelle befindet und wegfahren will. Mit einem Hebekissen wird der Rucksack befreit, die Polizei hat nun eine neue Aufgabe. Durch die Unfallaufnahme zieht sich der Einsatz weiter in die Länge. Nachdem der Rucksack-Unfall dokumentiert ist, gehen Häußler und Wallig mit zwei Polizisten noch einmal zur Brandwohnung. Mit der Polizei besprechen sie, wie die Türe verschlossen werden soll. Sie richten das Türschloss notdürftig und bringen ein Vorhängeschloss an. Die Polizei versiegelt die Wohnung.
Erst nach 20 Uhr kommen die beiden zurück. Die Kollegen haben selbstverständlich etwas zu essen übrig gelassen. Nach so einem langen Tag schmeckt es besonders gut. „Ohne Mampf kein Kampf“ – das Motto eint wohl alle Feuerwehren. Und auch wenn der Dienst noch bis am nächsten Morgen um 7 Uhr geht, ist die Stimmung auf der Wache genauso gut wie am Morgen.
In eigener Sache:
Die Staatsanzeiger-Akademie veranstaltet am 4. November ihren ersten BOS-Tag, bei dem es unter anderem um die zivil-militärische Zusammenarbeit geht. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat die Schirmherrschaft übernommen. Weitere Informationen unter:
BOS-Tag 2024: Zivil-militärische Zusammenarbeit – Staatsanzeiger Akademie
Eine Drohne kann die Risiken im Einsatz reduzieren | Staatsanzeiger BW
Ausbildung bei der Berufsfeuerwehr: „Das muss man sich leisten können“ | Staatsanzeiger BW
Die Feuerwache 1 im Stuttgarter Süden
Die Feuerwache 1 befindet sich im Heusteigviertel, im Süden der Landeshauptstadt. Sie hat einen Löschzug und ein Sonderfahrzeug für Kleineinsätze.
Zusätzlich zum Wachdienst werden dort die Zentralwerkstätten für Hydraulikgeräte, Kettensägen, Luftheber und eine zentrale Bildstelle betrieben. Als Spezialaufgabe ist das Personal im Türöffnen und als Aufzugswärter ausgebildet. Die Wache ist mit 69 Einsatzbeamten besetzt. Verteilt auf drei Wachabteilungen versehen sie einen 24-Stunden-Wechseldienst. Pro Tag sind in Stuttgart 91 Berufsfeuerwehrleute im Dienst.
Die Zahl der Einsatzbeamten der Berufsfeuerwehr liegt insgesamt bei rund 600, davon zwölf Frauen.