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Was wir von Kamala Harris lernen können
Stuttgart. Der Blick über den großen Teich offenbart einen bemerkenswerten Wandel der politischen Kultur. Bislang war der US-Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trumps Diktion wütender Männer geprägt, die mit Hass, Beleidigungen und Angst den Diskurs bestimmt haben. Nun plötzlich haben sich die Gewichte verschoben. Kamala Harris und ihr Vizekandidat Tim Walz setzen eine Botschaft von Optimismus, Freude und Zukunftsgewandtheit dagegen.
Anstatt Trump und seine rechtspopulistischen Freude plump als „Rassisten“ oder gar „Faschisten“ zu beschimpfen, wählen sie einen ganz anderen weg. Sie bezeichnen das Universum aus Verschwörungstheorien und künstlich hochgezogenen Aufregern über Transgender-Menschen oder die krude These, alle Demokraten seien „linksradikal“ schlicht als „weird“. Übersetzt als „seltsam“.
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Lachen über wirre Reden und offensichtliche Lügen
Anstatt auf die Provokationen zu reagieren und sich in Polarisierung zu verfangen, lachen sie einfach über die wirren Reden und offensichtlichen Lügen, mit denen Trump sich seine eigene Welt geschaffen hat.
Und damit gelingt es, die von Rechtspopulisten zum Geschäftsmodell erkorenen kalkulierten Grenzüberschreitungen nicht eskalieren zu lassen, und nicht so das Spiel von Empörung und Gegenempörung zu spielen. Stattdessen wird eine positive Botschaft entgegen gesetzt: Die Bürger wollen nicht Wut und Hass, sondern die Zukunft gestalten. Sie wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie man zu leben oder wen man zu lieben hat, oder ob Frauen Abtreibungen vornehmen lassen dürfen.
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Die plumpe Diffamierung perlt einfach ab
Deses Rezept verfängt, Harris/Walz haben sich in den Umfragen nach vorne geschoben. Und der 78-jährige Ex-Präsident hat dagegen bislang keine Strategie gefunden, seine plumpe Diffamierung perlt einfach ab. Nun stellt sich die Frage: Was können wir aus diesem politkulturellen Umschwung lernen?
Sicher, die Polarisierung ist hierzulande weit weniger scharf, es gibt kaum evangelikale Eiferer, die AfD liegt bei 16 Prozent und ist isoliert, während die US-Republikaner sich ganz dem Trump’schen Universum ergeben haben. Aber es könnte auch ein Ansatz sein, die Wut- und Hassbotschaften der Rechtspopulisten einfach mit Humor zu kontern. Ist es nicht urkomisch, dass angebliche Patrioten einem fremden Diktator in Moskau hinterher laufen? Ist es nicht „seltsam“, dass sie Verschwörungstheorien zu Impfungen mehr glauben als der Wissenschaft?
Anpacken, Probleme lösen und Humor zeigen
Gleichzeitig gilt es aber bei allem Spott über Populisten, die Probleme zu lösen und die Anliegen der Wähler dieser Parteien ernst zu nehmen. In den USA haben sich Realität und Wahrnehmung entkoppelt, während die Wirtschaft boomt, spricht Trump von Krise. In Deutschland ist die Lage ernster. Aber Optimismus, Humor und anpacken, das täte auch unserem Land gut.