Klausurtagungen von SPD und FDP

Was macht eigentlich die Opposition?

Während sich Grün-Schwarz in Nachfolgedebatten verzettelt, versucht die Opposition, mit Vorschlägen zur Sachpolitik zu punkten. Dabei entdecken sie das Chaos in den Ausländerbehörden als Thema. Noch fehlt aber die zündende Idee, um in die Offensive zu kommen.

Hans-Ulrich Rülke (l), FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag, und Andreas Stoch, dem SPD-Fraktionsvorsitzender, schärfen das Profil der Opposition.

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Der Oppositionsführer ist zu Fuß gelaufen – Andreas Stoch hätte den weiten Weg von Münsingen auf der Alb, wo die SPD-Landtagsfraktion getagt hat, mit dem Auto nicht pünktlich geschafft, daher ist er die letzten Meter per pedes marschiert. Gestärkt durch ein nahezu realsozialistisches Ergebnis von 100 Prozent, mit dem er als Fraktionschef bestätigt wurde, geht er in den Angriffsmodus: „Die grün-schwarze Nabelschau interessiert die Bürger nicht. Sie wollen bezahlbare Wohnungen und funktionierende Schulen.“

Auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat einen Fußmarsch gemacht, allerdings schon im Sommer, zusammen mit seinem CDU-Amtskollegen Manuel Hagel. Wie es dazu kam? „Wenn die Chemie stimmt, gibt es manchmal einen Impuls, von dem später niemand mehr sagen kann, woher er kommt“, sagt der liberale Vormann.

Die Chemie stimmt zwischen CDU und FDP? Im Landtag herrscht eher Konkurrenz bis tiefe Feindschaft bei den Liberalen, zumindest gegenüber Innenminister und Landeschef Thomas Strobl. Ist es Zufall, dass Hagel und Rülke miteinander wandern gehen, und beide dann nacheinanander erst eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP vor der Wahl 2026 ausschließen und dann auch, einen anderen grüneren Ministerpräsidenten als Kretschmann zu wählen? Rülke schmunzelt: „Wenn ich Journalist wäre, würde ich jetzt überlegen.“

Die FDP könnte zum Schlüsselfaktor werden

So kann man immerhin die mediale Aufmerksamkeit gewinnen – die FDP könnte 2026 ein Schlüsselfaktor werden für die Regierungsbildung. Für diesen Zeitpunkt schließt Rülke auch eine Ampel nicht aus. Bevorzugen würde er aber eine „Deutschlandkoalition“ mit CDU und SPD, antwortet der liberale Fraktionschef auf Nachfragen.

Das würde wiederum voraussetzen, dass die Sozialdemokraten den Grünen eine Absage erteilen. Die SPD teilt das Schicksal vieler Landtagsoppositionsparteien: Sie macht anerkannt gute Sacharbeit, doch es zahlt sich nicht aus. Andreas Stoch, den Landes- und Fraktionschef, ficht das nicht an: „Wir werden 2026 eine offene Situation haben, wo niemand mit Amtsbonus antritt.“ Nach den taktischen Bewegungen im Sommer sei klar, dass Winfried Kretschmann „bis zum letzten Amtstag“ regiere, danach würde voraussichtlich mit Manuel Hagel, ihm selbst und Hans-Ulrich Rülke keiner ein Regierungsamt innehaben.

Die Opposition kämpft um Wahrnehmbarkeit

Doch bis 2026 ist noch reichlich Zeit – und bis dahin gilt es für die Opposition, wahrnehmbar zu sein. Die SPD hat im Bund schlechte Umfragewerte, die auch aufs Land durchschlagen. Bei der Klausurtagung in Münsingen fordern die Sozialdemokraten Aktivitäten gegen den Fachkräftenotstand in der Pflege, eine „sichere Wasserstoffversorgung“ in der Fläche.

Mit einem Thema wagt sich die SPD allerdings weit vor – es geht um die Flüchtlingspolitik. Und wollen dort einen Paradigmenwechsel.  So will die Partei ein Landeseinwanderungsamt, das alle Ausländerämter in den Kommunen ersetzen soll. „Ein künftiges Landeseinwanderungsamt könnte besser mit den Personalressourcen umgehen“, so Stoch, auch mit Blick auf die chaotischen Zustände in Stuttgart.

SPD will Flüchtlinge länger in den LEAs lassen

Noch weiter aber will er Flüchtlinge länger in den Landeserstaufnahme-Einrichtungen (LEA) belassen. Vor allem diejenigen, die nach einer „Vorabprüfung“ ohnehin geringe Aussichten auf dauerhaften Aufenthalt haben. Dazu sollen die vor Ort umstrittenen LEAs allerdings ausgebaut und komfortabler werden.

Das wiederum sieht die FDP ganz anders – die Opposition zieht eben selten an einem Strang. „Wir sollten dafür sorgen, dass die Flüchtlinge gar nicht erst in die LEAs kommen“, sagt Hans-Ulrich Rülke. Wenn sie aus sicheren Herkunftsländern kommen, sollen sie an den EU-Außengrenzen abgewiesen werden.

Die SPD setzt auf eine Ausweitung der Mietpreisbremse, die FDP will die Wärmeplanung und das umstrittene Gebäude-Energiegesetz in Baden-Württemberg „aussetzen“, um Häuslebauer zu schützen. Beide Parteien verweisen auf die schlechte Grundschulfinanzierung – es sind die Klassiker der Landespolitik.

Immerhin eines haben sie gemeinsam – in Abgrenzung zu Grün-Schwarz: In beiden Parteien sind die Machtfragen geklärt. Stoch sitzt ebenso fest im Sattel wie Rülke, niemand stellt ihre Stellung in Frage, und sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Spitzenkandidaten ihrer Parteien.

Bis dahin gilt: Sacharbeit machen, Vorschläge erarbeiten – und hoffen, dass die Bürger im Land davon mitbekommen. „Wir wollen zeigen, dass wir es besser machen“, sagt Andreas Stoch, und Hans-Ulrich Rülke hofft auf neue Perspektiven mit der CDU. Nicht nur beim Wandern mit Hagel, auch was seinen Erzfeind Thomas Strobl an geht: „Für manchen läuft die Uhr ab.“

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