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Was bedeutet die neue Koalition in Berlin für Baden-Württemberg?

Vertreter von CDU/CSU und SPD verkünden in Berlin den neuen Koalitionsvertrag. Aus Baden-Württemberg sind SPD-Chefin Saskia Esken (vorne rechts) und Thorsten Frei (hinten Mitte) dabei.
dpa/ASSOCIATED PRESS/Markus Schreiber)Berlin/Stuttgart. Es ist also doch noch vor Ostern passiert. CDU/CSU und SPD werden in Berlin eine Regierung bilden. Noch steht nicht fest, wer Minister wird, nur die Aufteilung der Ressorts ist beschlossen worden. Als wahrscheinlich gilt, dass der ehemalige OB von Donaueschingen, Thorsten Frei, Kanzleramtsminister wird. Aktuell ist er Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und gilt als rechte Hand von CDU-Chef Friedrich Merz.
Ob auch der Unions-Fraktionsvize Andreas Jung Minister wird, ist noch offen, die SPD wird sein Umweltthema besetzen. Aber vielleicht reicht es zum Posten eines Staatssekretärs? Auch die Generalsekretärin Nina Warken könnte zumindest in diesen Rang befördert werden.
Welche Rolle wird SPD-Chefin Saskia Esken spielen?
Noch ist alles offen, der künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU), der am 7. Mai gewählt werden soll, lässt sich nicht in die Karten schauen. Besonders verzwickt ist die Lage bei der Südwest-SPD: Deren mit Abstand prominenteste Figur, die Bundesvorsitzende Saskia Esken, ist in der Landespartei schlecht gelitten. Andererseits verweisen SPD-Frauen darauf, dass sie die Partei zusammenhält.
Bekommt sie einen Posten bei einer Stiftung als Kompensation? Oder doch ein Ministeramt? Ansonsten kommt von den Südwest-Genossen wohl nur noch die Offenburgerin Katja Mast infrage, sie ist aktuell Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.
Die Reaktionen auf die Einigung fallen sehr unterschiedlich aus. So lobt CDU-Landeschef Manuel Hagel den Koalitionsvertrag in höchsten Tönen, den er selbst mitverhandelt hat: „Der Koalitionsvertrag steht – der Politikwechsel ist voll in Arbeit. Die Handschrift der Union ist klar erkennbar.“ 14 von 15 Punkten des CDU-Sofortprogramms zur Wahl fänden sich wieder. Hagel: „Dieser Politikwechsel wird jetzt auch im Alltag der Menschen spürbar werden.“
Bei der SPD hebt Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch hervor, wie schnell die Parteien sich geeinigt hätten: „Ein sehr wichtiges Signal. Jetzt geht es darum, die Kraft, die in dieser Einigung liegt, auf die Straße zu bringen.“
Kritik kommt naturgemäß von den Grünen. Umweltministerin Thekla Walker meldet sich zu Wort, und kritisiert die geplante Energiepolitik: „Bei der Windkraft riskiert die künftige Bundesregierung einen erneuten Einbruch der Windbranche im Süden.“ Die geplanten Änderungen liefen darauf hinaus, dass es Projekte aus Baden-Württemberg bei Ausschreibungen deutlich schwerer haben würden. Bisher wurde beim Bau von Windrädern eine schwierigere Topografie und Logistik berücksichtigt. Diese Regelung könnte es künftig nicht mehr geben.
Auch die FDP äußert sich kritisch, der neue Landesvorsitzende und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nennt das Bündnis eine „Schuldenkoalition“ und kritisiert die Schaffung eines zusätzlichen Ministeriums. Seine Kritik: „Die Interessen des Landes Baden-Württemberg werden nicht berücksichtigt. Die CDU hat keine Initiative zur Aufhebung des Verbrenner-Verbots durchsetzen können.“ Auch bei der Migration ändere sich nichts, die versprochene Zurückweisung illegaler Einreisender an den Grenzen werde nicht kommen.
Davon geht auch Emil Sänze aus, der mit Markus Frohnmaier den AfD-Landesverband führt. Die Probleme würden beschrieben, jedoch nicht gelöst. Die Bürger müssten entlastet werden. Beim Thema Migration sei Merz umgeknickt. Allein beim Thema Bürgergeld sieht Sänze Fortschritte. Für Frohnmaier ist der Koalitionsvertrag „eine Ansammlung leerer Versprechen“. Einen echten Kurswechsel werde es nur mit der AfD geben.
DGB und Unternehmer sehen Licht und Schatten
Und wie sehen es die Verbände? Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg, sieht „sowohl Licht als auch Schatten“. Positiv bewertet er die geplante Senkung der Strompreise und dass das Lieferkettengesetz ausgesetzt werde. Die Ziele zur Eindämmung und zum Abbau der überbordenden Bürokratie bezeichnet er als „ambitioniert“. Die Schaffung eines Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung könne eine Chance sein. Allerdings komme die vorgesehene Senkung der Körperschaftssteuer 2028 zu spät.
DGB-Landeschef Kai Burmeister konstatiert „mehr Licht als Schatten“. Auf der Habenseite stünden Tariftreuegesetz, Mindestlohn und die Sicherung des Rentenniveaus. Kritisch sieht er die Abkehr vom Acht-Stunden-Tag zugunsten einer gesetzlichen Wochenarbeitszeit.
Kretschmann gibt Ratschläge
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wünscht der Groko viel Erfolg: „Diese neue Regierung darf nicht scheitern. Nicht in dieser Weltlage.“ An den designierten Kanzler gewandt, sagt Kretschmann: „Merz kann eine lateinische Weisheit von mir lernen: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.“ Also: Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende. Zudem rate er: „Erst links, dann rechts, dann geradeaus – dann kommst du sicher gut nach Haus.“ Noch einmal solle Friedrich Merz nicht wie im Januar beim Thema Migration falsch abbiegen.