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Beamte

Warum viele Beamte auf Bayaz sauer sind

Die Polizisten schimpfen, die Finanzbeamten sind auch nicht begeistert: Die geplante Übertragung des Tarifergebnisses sorgt für Frust – und für Dissonanzen im Beamtenbund. Die Botschaft scheint angekommen zu sein: Möglicherweise legt Finanzminister Bayaz noch eine Schippe drauf.

Nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft führen 24 000 Polizisten besser, wenn der Tarifabschluss eins zu eins übertragen würde – und nur ein paar Hundert schlechter.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart. Die Website gilt als Referenz: Auf oeffentlicher-dienst.info sind alle Tarifrunden seit 2006 zu finden, also auch jene, die derzeit die Gemüter erregt. Im Dezember hatten sich die Gewerkschaften und die Länder geeinigt, die Löhne und Gehälter der Tarifbeschäftigten zunächst um 200 Euro und anschließend um 5,5 Prozent zu erhöhen.

Kurz danach verkündete Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), den Tarifabschluss „systemgerecht“ auf die rund 190 000 Landesbeamten zu übertragen. Und zwar ebenfalls in zwei Schritten: am 1. November 2024 um 3,6 Prozent, am 1. Februar 2025 um weitere 5,6 Prozent. Woraufhin dieser Plan auf oeffentlicher-dienst.info ein dickes Minus bekam: Neben Thüringen sei Baden-Württemberg das einzige Land, das bei der Übertragung des Tarifergebnisses an seinen Beamten sparen wolle.

In einem offenen Brief an die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begründeten Bayaz und sein Kabinettskollege im Innenministerium, Thomas Strobl (CDU), ihr Vorgehen damit, dass nur so das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen eingehalten werden könne. Sie verwiesen außerdem darauf, dass der Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW) und der Richterbund mit dieser Vorgehensweise einverstanden seien.

Deutsche Polizeigewerkschaft fordert eine ungekürzte Übernahme

Daraufhin widersprach einer, der dem Beamtenbund angehört: Mit ihm, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), habe niemand geredet. Ralf Kusterer forderte eine „ungekürzte Übernahme des Tarifergebnisses“. Denn seine Polizisten würden bis zu 1235,48 Euro pro Jahr schlechtergestellt, wenn die Übertragung „systemgerecht“ erfolge.

Damit liegt Kusterer auf einer Linie mit den DGB-Gewerkschaften Verdi, GEW und GdP, die allesamt eine Eins-zu-eins-Übertragung fordern. Sie argumentieren damit, dass ansonsten die soziale Komponente des Tarifabschlusses verloren ginge.

BBW-Chef Kai Rosenberger hält dagegen den Weg, den das Land einschlagen will, für richtig. Beim nächsten Tarifabschluss könnten sonst die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen derart schrumpfen, dass der verfassungsmäßig zulässige Mindestabstand unterschritten werde.

Außerdem weist er darauf hin, dass die Geringverdiener unter den Beamten die größten Nutznießer der letzten Besoldungsreform in Baden-Württemberg gewesen seien, als das Land auf ein Urteil aus Karlsruhe reagierte, das auf den Abstand zur Grundsicherung abzielte.

Tatsächlich wurde am 1. Dezember 2022 alle Beamten des mittleren Dienstes um eine Besoldungsgruppe angehoben, was pro Jahr ein Plus von 2000 bis 3000 Euro ergab. Der mittlere Dienst, das sind zum größten Teil Strafvollzugsbeamte, Polizisten und Finanzbeamte. Da läge es nahe, dass die Strafvollzugs- und die Steuergewerkschaft, die ebenfalls dem BBW angehören, die Dinge ähnlich sehen wie Kusterer.

Das tun sie jedoch nicht. Beide tragen den Kurs von Rosenberger mit. Markus Scholl, Landeschef der Steuergewerkschaft, verweist auf einen entsprechenden Beschluss des BBW-Landesvorstands. „Wenn man etwas Gutes bekommt, nimmt man es, wenn etwas nicht bekommt, schreit man auf“, kommentiert Scholl die Kritik, die er auch von seinen eigenen Mitglieder hört. Scholl findet jedoch, jetzt seien der gehobene und der höhere Dienst an der Reihe.

Geringverdiener haben noch einen kleinen Hoffnungsschimmer

Und in der Tat käme eine ausschließlich lineare Erhöhung, wie Bayaz sie plant, den Besserverdienern unter den Beamten zugute. Allerdings muss man dafür schon ziemlich hoch eingruppiert oder lange dabei sein. Die GEW weist darauf hin, dass nicht einmal alle Studienräte, die nach A13 besoldet werden, profitieren würden. Die Kurven schneiden sich erst in der Erfahrungsstufe 6; dafür muss man in der Regel neun Jahre unterrichtet haben (siehe Grafik).

Wer weniger verdient, hat noch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Das Finanzministerium „prüft ergänzende Maßnahmen unter Wahrung des Abstandsgebots“. Davon könnten jene Beamten profitieren, deren Gehälter zum 1. November 2024 um weniger als 200 Euro steigen und zum 1. Februar 2025, in Summe, um weniger als 340 Euro. Also einige der Polizisten, die Kusterer vertritt.

Die Übertragung könnte das Land also doch mehr kosten als die derzeit veranschlagten knapp 1,5 Milliarden Euro. Im Gegenzug winkt eine höhere Zufriedenheit der Beamten und eine bessere Note im Internet.

Bei einer Eins-zu-eins-Übertragung (grüne Kurve) des Tarifergebnisses würden die Gehälter in den untereren Besoldungsgruppen stärker ansteigen. Die von Land geplante „systemgerechte“ Übertragung (rote Kurve) käme dagegen vor allem den Besserverdienern zugute.

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