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Staatsschutzverfahren

Angeklagter gesteht brutalen Messerangriff von Mannheim

Ein mutmaßlicher Islamist sticht im Mai 2024 in Mannheim sechs Menschen nieder. Der Polizist Rouven Laur stirbt kurz danach. Vor Gericht beschreibt der Angeklagte die Tat detailliert.

Angeklagter im Gerichtssaal: Sulaiman A. gesteht die tödliche Messerattacke in Mannheim und zeigt Reue.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart/Mannheim. Sulaiman A. erzählt ruhig und ausführlich von der Bluttat vom 31. Mai 2024: Wie er Mitglieder der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) mit einem Messer auf dem Mannheimer Marktplatz attackiert, wie er letztlich den Polizisten Rouven Laur tödlich verletzt. „Ich sage, wie ich dazu gekommen bin, diese schreckliche Tat zu begehen“, kündigt A. am Morgen an. 

Der 26-jährige Afghane – ganz in Schwarz gekleidet – spricht flüssig vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Er ist unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt.

Nur wenige Meter entfernt sitzen die Mutter und eine Schwester von Rouven Laur als Nebenklägerinnen. Auch Michael Stürzenberger, Vorstandsmitglied der BPE und ebenfalls Nebenkläger, hört im Gerichtssaal, wie der Angeklagte von dem Plan erzählt, ihn zu töten. A. hat Stürzenberger im Internet nach eigenen Angaben verfolgt, ihn sich als Ziel für seinen tödlichen Angriff ausgesucht.

Polizist Rouven Laur starb zwei Tage nach Angriff

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hat der mittlerweile 26-Jährige bei dem Angriff in Mannheim am 31. Mai 2024 sechs Menschen mit einem Messer verletzt: fünf Teilnehmer einer Kundgebung der BPE, darunter Stürzenberger, sowie den 29-jährigen Polizisten. Der Beamte starb zwei Tage später an seinen schweren Verletzungen. Ein anderer Polizist schoss den Angreifer nieder.

Der Bundesanwalt geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat hegt. Schließlich sei er zur Überzeugung gelangt, dass es nicht nur legitim, sondern seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige zu töten, hieß es. Der Angeklagte hatte zuletzt mit Frau und Kindern im hessischen Heppenheim gelebt – rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim.

Der Gaza-Krieg habe sein Leben verändert, sagt der Angeklagte

In seiner Aussage verwies Sulaiman A. auf den Gaza-Krieg. „Mit Beginn dieses Gaza-Kriegs hat sich mein Leben verändert.“ Er habe mehrere Kanäle auf Telegram abonniert, wo er getötete Männer, Frauen und Kinder gesehen habe. „Ich habe jeden Tag geweint.“

Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker palästinensischer Terroristen aus dem Küstengebiet am 7. Oktober 2023 in Israel mit 1.200 Toten und rund 250 Verschleppten. Seither kämpft Israel gegen die islamistische Hamas in Gaza, wo laut der Gesundheitsbehörde bisher mehr als 50.000 Menschen getötet wurden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Angeblich Gelehrter als Chat-Partner

Bestätigung für seinen geplanten Angriff erhielt Sulaiman A. nach eigenen Angaben auf Telegram. Ein Chat-Partner, eine Art Gelehrter, auf dem Messenger-Dienst habe von der Tötung von Polizisten gesprochen, über Mudschaheddin. Mit Mudschaheddin sind in der Regel Kämpfer islamistischer Gruppen gemeint.

Er sei neugierig geworden, sagte der Angeklagte. Er habe mit ihm auch über eine mögliche Tötung Stürzenbergers gesprochen. Er habe ihn gefragt, ob er eine Straftat begehen dürfe, auch wenn er einen Aufenthaltstitel habe. „Er hat mich bestätigt, dass ich das machen darf.“ Kurz darauf sagt A.: „Da war ich entschlossen, den Stürzenberger umzubringen. Leider.“ Rund drei Wochen vor der Tat bestellte er das Tatmesser bei dem Online-Marktplatz AliExpress. Über den Tatplan habe er mit niemandem gesprochen, sagt Sulaiman A..

Angeklagter speichert Propaganda-Videos des IS

Auf Telegram zeigt sich auch, dass A. von der Terrormiliz IS fasziniert ist. Er verschafft sich Informationen über den Islamischen Staat, speichert Propaganda-Videos mit Kampfhandlungen. A. lobt, dass der IS Gottes Gesetze umsetze. Diese stünden über den weltlichen Gesetzen, bestätigt A. auf Nachfrage des Richters.

Immer wieder bleiben bei A. Fragen offen. Der Richter versucht, zu verstehen, inwiefern sich seine Religiosität in den vergangenen Jahren verändert hat. Laut der Aussage einer Nachbarin habe er irgendwann nicht mehr mit ihr im Aufzug zusammen fahren wollen, sagt der Richter. A. sagt, der Aufzug sei zu klein gewesen, das sei ihm unangenehm gewesen.

Wollte A. den Märtyrertod sterben?

Der Richter will wissen, ob A. den Märtyrertod habe sterben wollen? Er habe nicht vorgehabt, am 31. Mai getötet zu werden, sagt der. Der Vorsitzende Richter konfrontiert A. unter anderem mit einem Online-Kommentar, der von A. stammen soll. „Ich hoffe, dass Gott uns zum Märtyrer macht.“ A. kann sich entweder nicht erinnern oder sagt, entsprechende Aussagen stammten nicht von ihm.

Er habe nur den Plan gehabt, Stürzenberger umzubringen, sagt A.. Danach habe er abhauen wollen. Warum er dann letztlich sechs Menschen verletzt hat, davon einen tödlich, kann er nicht erklären. „An diesen Tag kann ich mich nicht so genau erinnern.“

Angeklagter zeigt sich emotional

Zu der Messerattacke selbst äußerte sich der Afghane detailliert. Er beschreibt, wie er auf dem Marktplatz zunächst gezielt Stürzenberger angegriffen hat. Danach habe er weitere BPE-Mitglieder verletzt – und den Polizisten Rouven Laur. „Ich habe den Polizisten gesehen. Ich war plötzlich hinter dem“, sagte Sulaiman A. „Dann habe ich plötzlich gedacht: Heute muss jemand sterben. Dann habe ich zweimal gestochen.“ 

Während der Aussage zur Tat selbst zeigt sich der Angeklagte emotional. Er fängt an, schwer zu atmen, senkt den Kopf und reibt sich die Stirn. Sulaiman A. droht eine lebenslange Haftstrafe. (dpa)

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