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Untersuchungsausschuss: Sogar der frühere Innenstaatssekretär ist außer sich
Stuttgart. Weil der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Gehring den parlamentarischen Untersuchungsausschuss „ IdP und Beförderungspraxis“ bei der Polizei nicht von sich aus verlassen will, erhöht die Opposition den Druck auf CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. „Es gibt einen klaren Interessenskonflikt“, so Sascha Binder, der SPD-Obmann im Ausschuss am Freitagabend im Landtag vor Journalisten. Denn Gehring berufe sich in seiner Zeugenvernehmung auf das ihm als Abgeordnetem zustehende Aussageverweigerungsrecht. In seiner Rolle als Ausschussmitglied müsse er aber zugleich ein Aufklärungsinteresse haben. CDU-Obfrau Christiane Staab wiederum lehnt eine Ablösung ihres Kollegen ab und spricht von „Hygienevorstellungen“ der Opposition, die aber nicht Maßstab seien.
Kleinteilige Vorwürfe im Untersuchungsausschuss sind von großer Bedeutung
In der Regel können parlamentarische Untersuchungsausschüsse Schritt für Schritt Licht ins Dunkel der aufzuklärenden Vorgänge bringen. Die 17. Sitzung jenes Gremiums, das sich unter anderem mit möglichem Machtmissbrauch und der Beförderungspraxis bei der baden-württembergischen Polizei zu befassen hat, fällt bestenfalls teilweise in diese Kategorie. Es geht um kleinteilige Vorwürfe, die aber von großer Bedeutung sind für die Besetzung zumindest eine hohen Amtes und im Wesentlichen darum, dass der frühere Präsident des Landeskriminalamts (LKA) Ralf Michelfelder vorsätzlich in schiefes Licht gerückt werden sollte und soll. Für SPD, FDP und AfD liegt der Grund auf der Hand: Er ist der profilierteste unter jenen Spitzenbeamten, die den außergewöhnlich schnellen und von Innenminister Thomas Strobl (CDU) mitbeförderten Aufstieg des inzwischen suspendierten Inspekteurs der Polizei ( IdP ) Andreas Renner kritisch sahen oder sogar verhindern wollten.
Gerüchte im Umlauf
Eine tragende Rolle fällt Gehring zu, weil der das Gerücht weitertrug, es seien bei der Pensionierung Michelfelders vom LKA nicht ordnungsgemäß alle Dienstgeräte eingezogen worden. Im vergangenen Januar schaltet der Schorndorfer Landtagsabgeordnete seinen Parteifreund ein, den Staatssekretär im Innenministerium Wilfried Klenk . Der stößt eine Untersuchung an, wenige Wochen später steht offiziell fest, an den Unterstellungen, die inzwischen sogar an einen Journalisten durchgestochen worden waren, ist nichts dran. Klenk informiert Michelfelder brieflich im Namen von Innenminister Thomas Strobl (CDU) und auch Gehring informell. Und der muss in seiner zweiten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss am Freitag einräumen, dass er keine Notwendigkeit sah, seine Quelle über die eindeutigen Erkenntnisse zu informieren. Die Gerüchte also wabern weiter und werden durch ein aktuelles Schreiben aus dem Innenministerium an den Ausschuss vom vergangenen Montag sogar noch verstärkt, denn: Das erste Untersuchungsergebnis wird relativiert durch den Hinweis, dass weitere Nachforschungen rund um die Geräterückgabe angestellt werden sollen.
Wie Gehring sitzt auch der inzwischen ebenfalls pensionierte Klenk in dieser 17. Sitzung ein zweites Mal auf dem Zeugenstuhl. Zunächst reagiert er verwundert über sein früheres Haus, dann einigermaßen empört. Bei der Anreise am Morgen habe er „so etwas für unvorstellbar gehalten“. Die Opposition zieht aus dem Verhalten des Innenministerium diesen Schluss: Selbst um den Preis, den früheren Staatssekretär schlecht aussehen zu lassen, so formuliert es die FDP-Obfrau Julia Goll , solle dem Abgeordneten Gehring „irgendwie aus der Patsche geholfen werden“. Dabei seien ihm von seiner Quelle “ fake news „ erzählt worden, er habe sie weiterverbreitet und nichts dafür getan, sie wieder auszutreten. Die Integrität des Untersuchungsausschusses sei beschädigt, ergänzt Hans-Jürgen Goßner (AfD).
Strobls „Brief-Affäre“ wird am Donnerstag wieder Thema
Relevant für den zentralen Punkt des eigentlichen Untersuchungsauftrags, der Besetzungs- und Beförderungspraxis, sind die Vorwürfe gegen Michelfelder vor allem deshalb, weil der spätere IdP niemals so schnell hätte aufsteigen können, wäre Michelfelders entschieden kritische Beurteilung des Bewerbers zum Tragen gekommen. Die Karlsruher Polizeipräsidentin Caren Denner , eine von nur zwei Frauen in der polizeilichen Führungsriege des Landes, gab denn auch in ihrer Vernehmung bemerkenswerte Einblicke in die Bräuche im Hause Strobl. So habe sie selbst einen bestens beleumdeten Interessenten für eine Spitzenposition auf Drängen des Innenministeriums davon überzeugen müssen, seine Bewerbung zurückzuziehen. „Ist erwünscht, wer gut beurteilt wird“, wollte Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand daraufhin wissen. „oder wird gut beurteilt, wer erwünscht ist?“.
Bereits am Donnerstag findet die 18. Sitzung statt, in der wieder Strobls „Brief-Affäre“ um die monatelang von ihm verschleierte Weitergabe eines Anwaltsschreibens in den Mittelpunkt rücken wird, weil enge Mitarbeiter aus seinem Haus gehört werden.