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Essay

Trotz allem lieb und teuer: Der Beamte und seine Pension

Grün-Schwarz will weniger für seine Staatsdiener zurücklegen. Dabei wird das Geld gebraucht, damit die Staatsfinanzen nicht eines Tages unter der Pensionswelle kollabieren. Ein Essay von Michael Schwarz.

Lawinengefahr herrscht für den Landeshaushalt, zumindest im übertragenen Sinne: Grund ist die seit Jahren steigende Zahl an Pensionären.

dpa/Franz Neumayr/picturedesk.com)

Eigentlich könnte es denen, um die es geht, egal sein. Der Pensionsfonds des Landes mag für sie geschaffen worden sein – doch notfalls bekommen die Pensionäre ihr Geld auch so. Einfach, weil sich der Staat als ihr Schuldner nicht aus dem Staub machen kann. Die amtsangemessene Besoldung und Versorgung werden dem Beamten schließlich vom Grundgesetz garantiert.

Trotzdem könnte es auch den Staatsdienern mulmig werden, wenn wahr wird, worüber die Regierungsfraktionen im Stuttgarter Landtag gerade nachdenken: Erstmals seit seiner Einrichtung im Jahr 2008 könnten die Zahlungen in den Pensionsfonds gekürzt werden.

11,4 Milliarden Euro befanden sich Ende 2023 im Pensionsfonds, etwa eine Dreiviertelmilliarde soll dieses Jahr dazukommen. Und 1,7 Milliarden Euro waren für 2025 und 2026 geplant. Diese stehen nun teilweise zur Disposition. Die Koalitionäre wollen laut SWR eine Milliarde Euro in die Sprachförderung und andere politische Schwerpunkte stecken. Sie argumentieren, dass die Zahl der Pensionäre mit 150 000 nahezu den Höchststand erreicht habe, dass man also nicht mehr so viel sparen müsse wie in der Vergangenheit.

Davor warnt der Steuerzahlerbund. „Ein Griff in diese Kasse belastet nachfolgende Generationen“, sagt Landeschef Eike Möller. Kai Rosenberger vom Beamtenbund Baden-Württemberg spricht von „Raubrittergebaren“. Seiner Ansicht nach müsste das Land den Betrag, den es zurücklegt, sogar verdoppeln, damit das Geld reicht, wenn es gebraucht wird.

Die Verbände wiederholen damit eine Mahnung, die seit den 1980er-Jahren erklingt. Schon damals sahen Finanzwissenschaftler eine Pensionslawine voraus. Bedingt durch den Bildungsaufbruch der 1970er-Jahre und die Babyboomer-Generation wuchs der öffentliche Dienst. Es war klar, dass eines Tages, im neuen Jahrtausend, erst die Lehrer und dann ihre Schüler in Pension gehen würden.

Um diese Lawine aufzuhalten, ist einiges geschehen. In den 1990er-Jahren begannen der Bund und die Länder damit, Geld zurückzulegen, 1999 auch Baden-Württemberg. Die Beamten mussten auf einen Teil der tarifvertraglich vereinbarten Gehaltserhöhungen verzichten. Im Gegenzug füllte sich die „Versorgungsrücklage“, wie der erste Pensionsfonds hieß. 2008 kam der „Versorgungsfonds“ hinzu, in den das Land seither jeden Monat einen Fixbetrag einzahlt – für jeden neu in den Staatsdienst getretenen Beamten.

Dann folgte die Niedrigzinsphase und mit ihr die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, so viel Geld für den Tag X zu parken. Damals widerstand das Land der Versuchung, das Geld zu verfrühstücken. Allerdings hatte Baden-Württemberg auch weniger Probleme als ärmere Länder, die Schuldenbremse einzuhalten.

Stattdessen dachte sich die damalige, grüne Finanzministerin Edith Sitzmann etwas anderes aus. Sie erfand den Begriff der impliziten Verschuldung. Darunter verstand sie marode Straßen, Brücken und Immobilien im Landesbesitz, die sie sanieren ließ und dafür weniger Kreditmarktschulden abbaute. Immerhin steckte sie auch mehr Geld als geplant in den Pensionsfonds.

Das passiert leider nicht immer, wenn das Geld knapp wird. Das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) hat vor ein paar Jahren festgestellt, dass die Länder dazu neigen, weniger Geld für Pensionen zurückzulegen, wenn Wahlen näherrücken, wie dies in Baden-Württemberg der Fall ist. Weil eine solide Haushaltsführung eben doch nicht so gut ankommt wie andere Maßnahmen zur Steigerung der Wählerzufriedenheit.

Das bedeutet nun nicht, dass es für immer verboten wäre, das „Sparschwein“ zu schlachten oder weniger zu mästen. Doch bitte nicht jetzt. Der Pensionsfonds ist dafür vorgesehen, den Ausgabenberg zu „tunneln“, wenn er am größten ist. Er wächst nach Berechnungen des Finanzministeriums noch bis 2030.

Eine ganz andere Frage lautet, ob es auf Dauer sinnvoll ist, zwei unterschiedliche Alterssicherungssysteme zu betreiben. Doch diese Frage rührt an den Kern des öffentlichen Dienstes. Die Beamten sind der Politik lieb und teuer. Auch weil sich bei ihnen Kosten leichter verschleiern und in die Zukunft verschieben lassen.

Dies zu ändern, hat in den 75 Jahren seit Gründung der Republik noch niemand geschafft. Das heißt nicht, dass es eine schlechte Idee wäre. Ähnlich wie eine einheitliche Form der Krankenversicherung. Doch der Widerstand wäre wohl zu groß – bei den Beamten wie bei der Politik.

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