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Sybille Thelen leitet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) in Baden-Württemberg steht unter besonderer Beobachtung der „Alternative für Deutschland“, die sogar die Streichung öffentlicher Gelder verlangt hat. Die haltlose Kritik schließt allerdings auch die Reihen in den anderen vier Landtagsfraktionen. Sibylle Thelen, die neue Direktorin sein 1. März, kann den Rückenwind gut gebraucht.
Politische Bildung ist wichtiger denn je, steht zugleich aber nicht ganz oben im Unterrichtsranking. Der Bedarf, sagt die 61-Jährige, die erste Frau in diesem Amt, sei belegt, etwa durch die „Jugendstudie 2022“ des Kultusministeriums. Neuntklässler aller Schularten seien unter anderem nach ihrem Demokratieverständnis gefragt: „Das Ergebnis war, dass an Schularten mit weniger Gemeinschaftskunde die Demokratiezufriedenheit geringer ist, dass einer demokratischen Regierung weniger Bedeutung beigemessen und populistischen Aussagen häufiger zugestimmt wird“.
Thelen ist Stuttgarterin. Sie war vier Jahre lang an der Spitze der LpB, gemeinsam mit Langzeit-Direktor Lothar Frick und zuvor Leiterin der Abteilung „Demokratisches Engagement“, in der sie seit 2011 den herausfordernden Fachbereich Gedenkstättenarbeit koordinierte. Sie kommt von der Münchener Journalistenschule, die sie parallel zum Studium der Politikwissenschaft, der Kommunikationswissenschaft und der Geschichte und Kultur des Nahen Orients samt Turkologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in den 1980er-Jahren absolvierte.
Zuerst zog es Thelen in die Türkei, dann als Nachrichtenredakteurin zum Süddeutschen Rundfunk (SDR). Später war sie dann mehr als zwanzig Jahre lang bei der „Stuttgarter Zeitung“ in der Politikredaktion tätig, zuletzt als Leitende Redakteurin der Wochenendbeilage „Die Brücke zur Welt“. Es blieb Zeit, um auch noch Bücher zu schreiben, zum Beispiel „Istanbul – Stadt unter Strom. Gesichter der neuen Türkei“ und „Die Armenierfrage in der Türkei“ zum Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern.
Die Corona-Pandemie sieht Thelen als Einschnitt, den die LpB allerdings nutzen konnte zur Renovierung des Tagungszentrums „Haus auf der Alb“ in Bad Urach. Mit Erleichterung registriert die neue Direktorin eine Nachfrage „wie ehedem“. Denn: „Politische Bildung ist nicht zuletzt Beziehungsarbeit und lebt von Begegnung.“
Drei Fragen…
Sind die Corona-Folgen überwunden in der politischen Bildung?Der Stillstand im Zuge der pandemiebedingten Digitalisierung unserer Angebote ist überwunden. Digitale Formate haben sich etabliert; unsere Homepage mit vielen Themenportalen ist ohnedies zentrale Plattform unserer Aktivitäten. Aber wir haben auch wieder zurückgefunden zur bewährten Praxis der Präsenzangebote.
Wie sehr ist die Landeszentrale durch die AfD unter Druck?Unser Auftrag ist es, das Gedankengut der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu festigen. Mit dem Ziel, die politische Bildung zu fördern, machen wir Angebote auf überparteilicher Grundlage – evidenzbasiert, sach- und realitätsorientiert. Politische Bildung muss sich klar positionieren, wo demokratische Werte und Regeln verneint, Andersdenkende attackiert, menschenverachtende Parolen verbreitet werden.
Muss an Schulen mehr Zeit in den Demokratieunterricht investiert werden?Die Jugend ist zu „freiheitlicher und demokratischer Gesinnung zu erziehen“ heißt es in Artikel 12 Absatz 1 der Landesverfassung. Das Fach Gemeinschaftskunde hat sogar Verfassungsrang mit der Formulierung, in allen Schulen ist Gemeinschaftskunde ordentliches Lehrfach‘. Diese Zielsetzung ist ausbaufähig. Es gilt, mit den jungen Menschen verstärkt ins Gespräch zu gehen. Schon Grundschulkinder sind offen für altersgerechte politische Bildung.